Schluss mit dem Produktivitäts-Wahn - Eine Bestandsaufnahme

in #deutsch7 years ago (edited)

Seit einiger Zeit beschäftigt mich ein Thema: mehr aus meiner Zeit machen. Ich behaupte, dass Zeitmanagement eines der Schlüsselthemen unserer Zeit ist. Nämlich deshalb, weil verlangt wird, dass man immer mehr seiner Zeit für die Arbeit aufwendet und somit weniger Zeit für sonstige Beschäftigungen und andere Lebensbereiche bleibt.

Der Markt ist voller Ratgeber, die einem erklären möchten, wie man mehr aus seiner Zeit machen soll. Dies ist dann oft auch wortwörtlich so gemeint, nämlich: mehr Dinge in der gleichen Zeit erledigen, um mehr Glück und Zufriedenheit zu erfahren. Die These lautet, dass wir alle täglich 24 Stunden haben, die wir ausfüllen können und es deshalb darauf ankommt, wie diese 24 Stunden gefüllt werden.

Grundsätzlich müssen also die Lebensbereiche Familie, Freunde, Hobbies, Arbeit und Schlafen irgendwie in 24 Stunden pro Tag, oder alternativ 168 Stunden pro Woche, Platz finden. Investieren wir mehr Zeit in einen Lebensbereich, beispielsweise Arbeit, bleibt automatisch weniger Zeit für die anderen Lebensbereiche übrig und wir müssen dementsprechend Abstriche machen. Nun kommt es also darauf an, sich selbst darüber klar zu werden, welche Lebensbereiche wie viel Zeit erhalten sollen.

Erledigen wir nun anfallende Aufgaben im Lebensbereich Arbeit in kürzerer Zeit, bleibt automatisch mehr Zeit für andere Lebensbereiche übrig. So zumindest der Gedanke. Einen ähnlichen Gedanken hatten die Informatiker in der Mitte der 90er, Anfang der 00er Jahre, nämlich: Wenn wir immer mehr Arbeit von Computern, also automatisiert, erledigen lassen, bleibt für die Menschen mehr Zeit, um andere Dinge (außer Arbeit!) zu tun. Leider ist die Rechnung bis heute nicht aufgegangen; auf der einen Seite wird immer mehr Zeit in die Automatisierung investiert, also die Entwicklung neuer Wege, um Arbeit automatisiert erledigen zu lassen. Auf der anderen Seite gibt es immer noch Aufgaben, die (noch) nicht wirtschaftlich sinnvoll automatisiert werden (können) und somit von einem Menschen erledigt werden (müssen). Und davon gibt es immer noch genug, um einen Arbeitstag mehr als prall zu füllen. Um bei den Informatikern zu bleiben: Man löst sozusagen eine Reihe von Problemen, die man ohne die Informatik gar nicht erst hätte. Und die Folge ist eine hohe Arbeitsverdichtung.

Und damit meine ich nicht nur die zeitliche Komponente, sondern auch die inhaltliche. Durch den oben beschriebenen Sachverhalt werden die von Menschen zu erledigenden Aufgaben immer gleichartiger. Digitale Fließbandarbeit sozusagen. Klassische Fließbandarbeiter werden nach und nach durch Roboter ersetzt und ehemals geistig anspruchsvolle Berufe sind zu Fließbandarbeit verkommen. So zumindest komme ich mir zeitweise vor, wenn es darum geht, die über den Tag angefallenen E-Mails zu beantworten oder die aufgelaufenen Push-Nachrichten auf verschiedenen Geräten zu prüfen und abzuwägen, ob ich eine Handlung ausführen muss.

Die Folge, zumindest bei mir, ist: konstantes Stressgefühl. Nicht aufgrund einzelner Situationen, sondern aufgrund der Kombination unzähliger kleiner Einflüsse. Das äußert sich in Unruhe und ganz allgemein in fehlender Konzentrationsfähigkeit. Es fällt mir schwer, mit dem Kopf über einen längeren Zeitraum bei derselben Sache zu bleiben. Und das vermindert die Lebensqualität ganz erheblich.

Leider habe ich zunächst versucht, das Problem auf die falsche Art und Weise anzugehen und bin dabei dem beschriebenen Denkfehler auf den Leim gegangen. Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass Zeitmanagement zwar helfen kann, den Alltag strukturierter anzugehen. Gegen Stress hilft das aber nicht. Und eine bessere Lebensqualität hat man dadurch auch nicht. Die Zeit, die ich in das Lesen unzähliger Artikel zum Thema gesteckt habe, hätte ich lieber in andere Dinge investieren sollen.

Warum schreibe ich das? Das hat, ganz allgemein, zweierlei Gründe:

  1. Das strukturierte Aufschreiben hilft mir beim Ordnen meiner Gedanken zum Thema.
  2. Vielleicht gibt es ja noch mehr Menschen mit demselben oder einem ähnlichen Problem, die hiervon profitieren können.

Wie geht es weiter? Ich möchte auf dieser Plattform nach und nach aufschreiben und teilen, welche Schritte ich unternehme, um meine Lebensqualität zu steigern und Stress zu senken. Einige dieser Schritte habe ich bereits (erfolgreich) unternommen, teilweise gingen sie auch nach hinten los. Durch meine Beschreibung dessen helfe ich mir selbst, indem ich meine Gedanken ordne und niederschreibe. Wenn andere davon auch noch profitieren können, ist das natürlich noch umso besser. Das hat dann zwar auch den Charme eines Ratgebers, aber ich behaupte nicht, die Lösung für alle Probleme zu haben, wie es die einschlägigen Ratgeber oft tun. ;-)

Mich würde nun interessieren: Was habt ihr zu dem Thema zu sagen? Fühlt ihr euch gestresst? Wie geht ihr damit um?

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Sehr schön geschrieben...

Ich habe erst dieses Semester einen Softskill Kurs an der Uni belegt, der sich um Selbstmanagment dreht...

Das Thema ist riesig und mega komplex... Unser Prof hat ein paar selbsttests mit uns gemacht und uns seine persönlichen Tipps gegeben...

Fazit des Kurses war allerdings, dass jeder seine eigene struktur finden muss, und solange man alles schafft und zufrieden damit ist, sollte man nicht zwanghaft iwelche Ratgeber befolgen 👍

Sehr schöner Artikel! Ich glaube es geht vielen Menschen wie dir und es ist ein Problem dieser "Zeit", womit ich in diesem Fall das Jahrzehnt meine.

Ich hoffe, dass du Schritt für Schritt vorran kommst.
Einsicht ist ja bekanntlich der erste Weg zu Besserung. Und da du anscheinend gut selbstreflektieren kannst, hast du alle vorraussetzungen!

Viel Erfolg hier!

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