Wow, liebe Variola - danke für deine Offenheit und Hut ab für deinen Umgang mit deinen "Nächsten" und mit dir selbst. Es ist sicherlich immer ein Balanceakt zwischen Anteilnahme (nicht Mitleid) und Gleichmut. Davon könnte ich eine Scheibe gebrauchen. Meine Schwiegermutter liegt seit fast 4 Jahren im Pflegeheim und kann gerade noch allein essen, Fernsehhintergrund"rauschen" empfangen und uns erkennen. Zusammenhängende Gespräche gibt es nicht mehr - wirkliches Leben auch nicht. Zwischendurch stammelt sie oft monoton "bitte bitte ich kann nicht mehr Hilfe bitte bitte..."
Bei unserem letzten Besuch hat sie erstmalig wieder einen klaren Satz rausbekommen, als wir uns verabschiedeten mit den Worten: "Wir müssen jetzt nach Hause." blickte sie uns an und fragte:" Könnt ihr mich nicht mitnehmen?" - Hammer! Ich habe sofort geheult. Es ist sowieso schon immer (emotional) anstrengend, aber das war unbeschreiblich... Du wirst solche Sätze ja kennen, die Blicke dazu, die Tränen...
Mein Respekt gilt allen, die in diesen Institutionen arbeiten! Und die Frage nach der Würde des Menschen haben wir uns an dem Tag auch gestellt... Von meiner Mutter weiß ich, dass sie sich eine Pille wünscht, damit ihr dieses Leiden erspart bleibt.
Läuft heute irgendetwas anders? Alle meine Großeltern sind zuhause gestorben oder nach ganz kurzem Krankenhausaufenthalt... Wie sieht denn eigentlich unsere Sterbekultur aus? Als bei meinem Mann damals die Beatmungsmaschine final abgestellt wurde, gab es wenig Möglichkeit für meine Kinder und mich, einen persönlichen Abschied zu gestalten. ..
Dankeschön.
Danke @kadna für Dein ausführlichen Kommentar und Deine Anerkennung! Es ist auch ein Balanceakt zwischen Frustration & Durchhaltevermögen. Ständig begegne ich frustrierten Kollegen, von denen ich mich nicht beeinflussen lassen darf und versuche einen Funken Motivation von mir rüberspringen zu lassen, was ebenso unheimlich viel Energie kostet.
Auf jeden Fall verstehe ich in dem Moment Deine Gefühlswelt, die ja definitiv völlig zu Recht inne weilt. Solche Situationen sind es meistens, die auch die Menschen von öfteren Besuchen abhält. Aber selbst wenn man keine richtige Gespräche führen kann, ist die einfache Anwesenheit mehr Balsam für die Seele, als alles andere. Die Wünsche mit der Pille kenne ich auch nur genügend, ebenso das "Ich will nichts essen und nichts trinken". Es ist eine Herausforderung, solche Wünsche zu akzeptieren und deren Würde zu wahren.
Die Sterbekultur kommt wieder! Und JA - es läuft vieles anders als früher. Die Lebenserwartung wird immer höher. Die familiären Strukturen haben sich geändert. Früher waren die Großeltern noch feste Familienmitglieder im Haushalt - in dem meistens die weibliche Partei Zuhause war - und hatten ihre Aufgaben, welche solange die Ressourcen aufrecht erhielten, bis das Herz aufhörte zu schlagen - Ausnahme bei Krankheiten. Der Mehrgenerationen-Haushalt ist heute nur noch sehr selten der Fall.
Erstmal will ich Dir meine Anteilnahme zukommen lassen. Sterbekultur ist momentan groß wieder im Aufschwung in den meisten Institutionen. Oft ist es auch eine Frage der Personals. Man macht es ist wirklich leichter, wenn eine ausführliche Patientenverfügung vorhanden ist, welche oftmals sinnlose Therapiemaßnahmen und quälende Untersuchungen einem erspart. Und diese Zeit kann genutzt werden, um sich zu verabschieden und auf den Schmerz vorzubereiten.
Gerne!