Glücklich sein / Wer bin ich?

in #deutsch7 years ago (edited)

Es passieren schreckliche Dinge auf der Welt und wir fühlen uns machtlos. Viele fühlen sich einsam in der Gesellschaft und sehen nur Menschen die blind dem Strom folgen. Die einfachste Weise, nicht an diesem Umstand zu verzweifeln, ist zu resignieren und sich den Spielregeln unseres Systems zu fügen. Widerstandslos leben und sich der Verantwortung entziehen. Doch: Wer sich fügt ist fremdbestimmt.

Wer dem Diktat derjenigen, die für die schrecklichen Dinge verantwortlich sind, folgt, der trägt eine grosse Mitverantwortung. Es ist hart auszubrechen, zumal man viel aufgeben muss. Viele Menschen sind nicht im Stande das System grundlegend zu hinterfragen; zu tief ist es in ihnen verankert. Und weil es normal ist, den Spielregeln zu folgen, fühlt es sich richtig an. Misstände wie Ausbeutung und Leid oder die Zerstörung des Lebensraumes werden als notwendige Übel akzeptiert und es wird darüber hinweg gesehen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Das System ist eine Religion, etwas unantastbares. Aussteiger stossen nur selten auf Verständnis und werden stattdessen verurteilt. Realitätsfern, naiv, Freak und Gutmensch; diese Begriffe kennt wohl jeder, der alternativ, abseits der Norm lebt.

Illustration «Das Universum in mir», Julian Morf
llustration «Das Universum in mir»

Ein Mensch, der sich mit seinem Weltbild alleine fühlt, wird hoffnungslos unglücklich. Es ist wichtig, sich nicht unterkriegen zu lassen sondern stets für seine Prinzipien einzustehen. Den Mut haben seine Positionen zu vertreten. Darüber zu sprechen, auch mit demjenigen der dich nicht verstehen wird. Sich mit anderen Freigeister zu verbinden und Wege finden, wie es sich mit einem reinen Gewissen leben lässt.

Liebe, Dankbarkeit, Empathie und Kreativität sind die besseren Wegweiser als Gesellschaft und Gesetz.

Lass uns Utopien leben. Wir leben nicht, um die Welt zu retten. Wir leben um zu erfahren. Wir können das System nicht ändern aber wir können neue Wege erforschen. Liebe, Dankbarkeit, Empathie und Kreativität sind die besseren Wegweiser als Gesellschaft und Gesetz. Nur wer im Frieden mit sich und der Umwelt lebt, kann bedingungslos glücklich sein. Wobei ich bezweifle, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche Dinge handelt – ich und die Umwelt. Dieser Gedanke wirft eine sehr bedeutungsvolle Frage auf: Wer bin ich?

Wenn ich mich jemandem vorstelle, tue ich das anhand meines Namen. Ich definiere mich durch meine stoffliche Identität – mein Körper und alle materiellen Erzeugnisse, die mit mir in Verbindung stehen –, durch meine Geschichte und durch gesellschaftliche Parameter wie Natiolität und Beruf. All diese Faktoren bilden meine Identität. Doch das bin nicht ich. Mir schwebt das Bild eines Kuchen vor: Wenn ich den Kuchen in Stücke schneide, bleibt der Kuchen erhalten. Es wird ihm lediglich eine neue Form gegeben. Der Kuchen ist das Universum, während meine Identität die Trennnung des Kuchenstücks ist. Ich manifestiere mich in diesem Stück des grenzenlosen Universums und vergesse was ich eigentlich bin: Das grenzenlose Universum selbst.

Eine für mich einleuchtende These. Dennoch kann ich nicht behaupten, dass ich diese Wahrheit erfahren habe. Aber ich habe mich dazu entschieden, danach zu suchen. In mich zu kehren. In mich, das Universum.




Was sind eure Wege, nicht im Weltschmerz zu versinken? Gerne diskutiere ich mit euch in der Kommentarsektion.

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lieber @julianmorf, vielen dank für deinen artikel. in einem gespräch vor einiger zeit sagte mir mein gegenüber zum thema glücklich sein, das wäre doch recht hoch gegriffen. glücklich sein könne man nur für den moment. es wäre schon viel (und genug), wenn man nur zufrieden ist. das hat mir zu denken gegeben.

weltschmerz ist kein neuzeitliches phänomen. es hat ihn zu allen zeiten gegeben. jeder ist darin gefordert, damit umzugehen, abhängig von der eigenen empfindsamkeit, empathie vielleicht und feinsinnigkeit gegenüber der umwelt und sich selbst. auch der gerechtigskeitssinn ist äußerst unterschiedlich ausgeprägt. es ist eine frage der gottgegebenen eigenschaften und der erziehung, wie man auf seine umwelt reagiert. mein großvater z.b. brachte für seine fünf kinder manchmal schokolade mit nach hause, brach sie in stücke und gab jedem eines. einem aber gab er zwei, weil, wie er sagte, die welt nicht gerecht ist.

ich halte es für das klügste, die realität zu leben und keine utopie. schon kaum zu ertragen ist die flucht so vieler menschen in ihr schneckenhaus. aber das ist teil ihrer überlebensstrategie. jeder öffnet sich der welt soweit, wie er glaubt, sie erfassen und handhaben zu können, ohne überfordert zu sein. mein horizont ist aus meiner perspektive nicht weiter von mir entfernt, als der aus der perspektive meines gegenüber. verstehst du dich als universum, verstehe ich mich als ein teil davon. die größe dessen ist für jeden von uns nicht zu unterscheiden.

prinzipien haben verschiedene wege der entstehung. es gibt gute wege, organische und weniger gute, erzwungene. ein prinzip ist schon, ich lehne dieses oder jenes kategorisch ab. wenn aber diese ablehnung aus keiner eigenen erfahrung resultiert, wird sie zum gefängnis. auch dazu ein beispiel. ein jugendfreund, er war damals etwa 20 jahre alt, versuchte sie umzubringen. er wurde gefunden und reanimiert. später, als er sich erholt hatte soweit, fragten wir ihn nach dem warum. und er erklärte, das er nicht der sei, der er vorgab zu sein. vor aller welt wollte er nie so oder so sein, würde nie dies oder jenes tun, hatte klare ansichten über viele themen - aber er spürte, das vieles sich änderte mit der zeit. vor seinem suizidversuch war er vehement in allem, kämpferisch und überzeugt. er wagte es nicht, vor seinen freunden zu gestehen, das er einiges nun anders sieht. ein krisengefühl erwuchs daraus von solcher dimension, das er am ende keinen anderen ausweg gewusst hat.

das führt zum thema fügen. man muss sich zunächst sich selber fügen. seinen frieden mit sich machen, mit eigenschaften, die man nicht mag, mit seinem körper, der vielleicht nicht so ist, wie man es gerne hätte, usw. ich finde es nicht richtig, nicht auch zu versuchen, seinen frieden mit der welt zu machen, in der man lebt! und das sollte nicht bedeuten, das man sich selbst dabei aufgibt.

Hallo @pawos! Vielen dank für deinen inhaltreichen Kommentar, welcher mir viel bedeutet.

Ich bin auch der Meinung, dass das Glück in Form von einer positiven Verstimmung immer aus dem Moment kommt und nur dann, wenn man ihn bewusst wahrnimmt. Wenn das Glücklichsein der Grundzustand des eigenen Lebens ist, handelt es sich meiner Meinung nach um das selbe wie Zufriedenheit: Der Zustand vollkommen im Reinen mit der gegenwertigen Lebenssituation zu sein. Kein Drang zu verspühren, etwas zu ändern. Hingabe.

Zum Weltschmerz: Mitleiden, wenn man nichts ändern kann, bringt niemanden was. Doch wenn ich auf die Probleme dieser Zeit schaue, sehe ich die Ignoranz (fehlende Empathie) des Grossteils der Weltgemeinschaft als Hauptursache. Sich zu fügen (z.B. indem dass man sich eingesteht, dass die Welt nunmal ungerecht ist), um den Weltschmerz zu vergessen, finde ich keine gute Lösung. Eine bessere wäre alternative, weniger Leid-verursachende Gemeinschaftsformen zu erforschen. Und genau das ist es, was ich mit "Utopien leben" gemeint habe. Du schreibst, dass du es für das klügste hälst, in der Realität zu leben. Was ist denn die Realität? Wenn für die Realität Ausbeutung und Zerstörung Voraussetzungen sind, nein, dann möchte ich nicht in der Realität leben.

Die Geschichte von deinem Jugendfreund, so wie ich sie lese, sagt mir, dass die Verzweiflung davon kam, dass er sich nicht mitteilen konnte (womöglich aus Angst verurteilt zu werden). Es ist enorm wichtig niemals einen Schlussstrich zu ziehen und seine Meinung stehts beweglich zu halten - man kann immer "des besseren" belehrt werden.

Fügen muss man sich nur dann, wenn man nicht ändern kann/will.

Vielen Dank für deine Anregungen und die spannende Diskussion!

Herzlichen Glückwunsch, dein Beitrag wurde von @ocd entdeckt und in unserer täglichen Zusammenstellung #117 vorgestellt!
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Ein wirklich schöner Beitrag.

Ich erlebe durch das Reisen so viel Gutes in der Welt, dass ich nie den Glauben an uns Menschen verliere :)

Toller Artikel, insbesondere

Nur wer im Frieden mit sich und der Umwelt lebt, kann bedingungslos glücklich sein.

hat mir gefallen und aus dem Herzen gesprochen.

Ich bin Patriarchatskritikerin und führe die meisten Probleme auf der Welt in meinem kleinen "Glaubenssystem" aufs Patriarchat zurück. Damit meine ich aber nicht männliche Eliten, sondern jeden, der einer Ideologie nachgeht, in der es darum geht, etwas Höheres/Besseres von etwas Niederem/Minderwertigerem zu unterscheiden.

Mir ist aber bewusst, dass ich letztendlich dieselben Dinge kritisiere wie viele andere auch.

Allerdings gab es Zeiten, in denen mir die theoretische Beschäftigung mit der Patriarchatskritik viel Kraft gegeben hat. Sie kam mir wie eine Ausgrabung an der eigenen Seele vor.

Danke für deinen Artikel.
Ich frage mich manchmal und auch dich jetzt,
woher weißt du, was die Wahrheit ist?
Ich finde das eine noch spannendere Frage, auf die ich noch keine Antwort gefunden habe.
Lieben Gruß, Monja

Hallo Monja

Das ist eine grosse Frage und es kommt sehr darauf an, was wir unter Wahrheit verstehen. Ich sehe das wie folgt:

Wissen was die eine Wahrheit (das was wirklich existiert) ist, scheint meiner Meinung nach unmöglich zu sein, weil sie nicht mit dem Verstand erfassbar ist. Der Verstand interpretiert und bewertet, er ist wie unsere Sinne lediglich ein Werkzeug, welches uns ermöglicht, uns ein Abbild der Wirklichkeit zu kreieren. Dieses Abbild ist die individuelle Realität, in der wir leben. Mit dem Begriff Wahrheit sollte also sehr vorsichtig umgegangen werden, weil es sich dabei um etwas absolutes handelt.

In unserem Sprachgebrauch wird das Wort "Wahrheit" aber auch dazu verwendet um einen Zustand zu bezeichnen, dessen Existenz faktisch nachweisbar ist. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Eine Banane ist in meiner Realität gelb, die Wissenschaft würde hier wohl nicht widersprechen. Jemand der blind ist und so einen sehr anderen Realitätsbezug hat, hat zwar wohl gelernt, dass eine Banane gelb ist, es jedoch nicht erfahren. In seinem Bewusstsein existieren keine Farben. Ich finde es lächerlich, davon auszugehen, dass "der gesunde Mensch" mit seinen "Welt-Interpretations-Werkzeugen" (Sinne/Verstand) fähig ist die Welt wahrzunehmen, wie sie wirklich ist.

Mannnn wie ich es liebe, mit solchen Gedanken meinen Verstand an seine Grenzen zu bringen! :)

hehe... ich sehe, wir sind da einer Meinung.
Wissen was Wahrheit ist können wir nicht.
😇😂

Hey!
Sehr schöner Post! Ich empfinde sehr ähnlich wie du und habe das in meinen Texten behandelt:
Besserung nicht erzwingbar
Realität ist nicht statisch, sie wird von uns allen erschaffen.
Was will Ich wirklich? Motivation
Ich würde mich sehr freuen wenn du mal vorbei schaust! Vor allem da ich denke, dass wir sehr ähnliche Erfahrungen / Gedanken gemacht haben.

Wenn ich mich jemandem vorstelle, tue ich das anhand meines Namen. Ich definiere mich durch meine stoffliche Identität – mein Körper und alle materiellen Erzeugnisse, die mit mir in Verbindung stehen, meine Geschichte, und durch gesellschaftliche Parameter wie Natiolität und Beruf. All diese Faktoren bilden meine Identität. Doch das bin nicht ich. Mir schwebt das Bild eines Kuchen vor: Wenn ich den Kuchen in Stücke schneide, bleibt der Kuchen erhalten. Es wird ihm lediglich eine neue Form gegeben. Der Kuchen ist das Universum, während meine Identität die Trennnung des Kuchenstücks ist. Ich manifestiere mich in diesem Stück des grenzenlosen Universums und vergesse was ich eigentlich bin: Das grenzenlose Universum selbst.

Wundervoller Vergleich! Sehr pantheistisch. So bin ich auch eingestellt. :)
Werde darüber auch noch einen Post machen. ;)
Grüße

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