Warum wir in Deutschland und Europa wieder eine offene Diskussionskultur benötigen
Wer verfügt in einer offenen, freien Gesellschaft über das Beurteilungsmonopol darüber, welche Tatsachen wahr und welche Meinungen richtig sind? - Keiner!
Und dennoch beanspruchen heute viele in Medien, Politik und Gesellschaft, bewerten und entscheiden zu können, was zulässige Informationen oder zu unterdrückende fake News sind und was als zulässige (politisch korrekte) Meinungen verbreitet werden darf oder was als hatespeech zu verbieten und zu löschen ist.
Nachdem das Recht auf freie Meinungsäußerung seit der Zeit der Aufklärung unter großen Opfern von vielen aufeinanderfolgenden Generationen mühsam erkämpft wurde, besteht nun die Gefahr, dass sie in kleinen Schritten, aber einer schnellen Schrittfolge, leichtfertig verspielt wird. Und dies ungeachtet der verfassungsrechtlichen Garantien des Grundgesetzes, dass der Meinungsfreiheit als Grundlegend für unser Gemeinwesen ausweist.
Ich will daher die Bedeutung dieses Grundrechtes für unsere freiheitlich verfasste Gesellschaft bewusst zu machen:
I. Das Grund- und Menschenrecht auf Meinungsfreiheit ist konstitutiv für eine freie offene Gesellschaft
Eine Gesellschaft, in der der einzelne seine Gedanken und Gefühle, seine subjektive Bewertung von Lebenssachverhalten und eigenen Beobachtungen nicht zum Ausdruck bringen darf, ohne mit Repressionen oder Nachteilen rechnen zu müssen, wird nicht als eine freie Gesellschaft erfahren.
Insoweit ist das Recht, seine Meinung frei zu äußern, „schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Ordnung“ (BVerfGE 93,266/292f), da es erst die ständige geistige Auseinandersetzung ermöglicht. Es ist im gewissen Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt das in Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz geregelte Grundrecht auf Meinungsfreiheit „jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen.“… Der Grundrechtschutz besteht dabei „unabhängig davon, ob die Äußerung rational, emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Der Schutz bezieht sich nicht nur auf den Inhalt der Äußerung, sondern auch auf ihre Form. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts.“ (BVerfGE 93, 266-319, http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1995/10/rs19951010_1bvr147691.html ,vgl. Rz. 108) .
Dieses weite und umfassende Verständnis des Grundrechts der Meinungsfreiheit macht deutlich: Jeder soll frei sagen können, was er denkt!
Das dies in einer freiheitlichen Gesellschaft so sein soll und sein muss, wird im öffentlichen Leben unseres Landes vielfach und zunehmend missachtet.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, dass auf Initiative der Bundesregierung 2017 vom Deutsche Bundestag beschlossen wurde und seit dem 1. Januar 2018 in Kraft ist, bewirkt, dass die Anbieter sozialer Netzwerke unerwünschte Inhalte entfernen oder den Zugang zu ihnen sperren, auch wenn deren Rechtswidrigkeit rechtsstaatlich gar nicht festgestellt wurde.
Politisch unerwünschte Äußerungen werden in einem großen Teil der Medien schnell als Hassreden, Rassismus oder eine Form von Anti-ismus- Ideologie diskreditiert; Personen, die die politisch Unerwünschtes äußern, wahlweise als rechtsextrem abgestempelt oder eine Nähe zu Putin oder Trump unterstellt.
Das musste jüngst beispielsweise der JUSO-Vorsitzende Kevin Kühnert erleben, dem vorgeworfen wurde, er habe sich an einer aus Russland gesteuerten Internet-Kampagne gegen die Große Koalition interessiert gezeigt. http://meedia.de/2018/02/16/bild-enthuellung-ueber-kuehnert-und-die-russen-bots-juso-sprecher-nennt-beweis-mails-plumpe-faelschungen/ http://www.bildblog.de/96611/neue-schmutz-kampagne-bei-bild/
Zunehmend werden abweichende Meinungen mit Einschüchterung und Gewalt bekämpft, ohne dass dies in Medien oder Politik zu empörten Protesten führen würde. Das musste jüngst die Initiatorin der „Merkel-muss-weg“- Demo in Hamburg, Uta Ogilvie erfahren. Nachdem die Antifa sie massive bedrohte und mehrere Anschläge auf sie und ihre Familie ausübte, gab sie auf.
http://vera-lengsfeld.de/2018/02/16/die-antifa-pruegelt-fuer-merkel/
Ähnliche Erfahrungen musste die Teilnehmer der Frauen-Demo am Wochenende in Berlin machen. Dabei scheuten die Demonstrationsverhinderer auch nicht davor zurück sich selbst strafbar zu machen. Denn nach § 21 Versammlungsgesetz gilt: „Wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
https://philosophia-perennis.com/2018/02/19/berlin-polizei/
http://vera-lengsfeld.de/2018/02/18/2360/#more-2360
In einem solche Klima der Bekämpfung und Unterdrückung abweichender Meinungen stirbt eine freiheitlich-demokratische Ordnung. Wer dies befördert, will den Menschen als willenlos-hörigen Untertan, fördert zentralistisch- autoritäre Machtstrukturen und handelt verfassungswidrig.
II. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist für den Erfolg einer offenen Gesellschaft grundlegend
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist über seine Bedeutung als Menschenrecht hinaus auch grundlegend für die Organisation einer Gesellschaft und ihre nachhaltige Lebensfähigkeit. – Denn in jeder Gesellschaft wird um die Fragen gerungen, wie wollen wir in unserer Gesellschaft gemeinsam zusammenleben, was wollen wir als Mitglieder der Gesellschaft gemeinsam erreichen und wie wollen wir unsere gemeinsamen Ziele erreichen.
In einer offenen Gesellschaft werden die Antworten auf diese Fragen letztlich in einem Wettbewerb der Ideen gesucht und gefunden, der idealerweise die Vielfalt der Ideen und Erfahrungen der Gesellschaft zu nutzen versucht. Dieser Wettbewerb der Ideen ist ohne die rechtliche und auch tatsächliche Gewährung und Absicherung der Meinungsfreiheit nicht möglich. Daher ist die Meinungsfreiheit und der mit ihr verbundene Wettbewerb der Ideen und Meinungen für den Erfolg einer Gesellschaft so wichtig: Die Früchte eines solchen offenen Prozesses sind idealerweise besserer Sachlösungen, die auf ein hohes Maß an Akzeptanz stoßen, ein freiwilliges gemeinsames Hinarbeiten auf diese Lösung ermöglichen und so den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken.
Eine solche Fokussierung der Gesellschaft ist wichtig, ja überlebenswichtig, wenn unsere Gesellschaft vor großen Herausforderungen steht, wie dies gegenwärtig – von vielen nur zum Teil wahrgenommen – der Fall ist.
III. Zeitenwende – Bewusste Neuausrichtung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik erforderlich
Deutschland sieht sich – wie andere Länder auch – mit einer großen Zahl grundlegender Herausforderungen konfrontiert, die neue Weichenstellungen in vielen Bereichen der Politik erforderlich machen: ·
- Verschiebung der geopolitischen Gewichte vom Westen Richtung Asien: Unaufhaltsam haben sich in den letzten Jahren die wirtschaftlichen und demografischen Gewichte vom Westen nach Asien verlagert. Der Westen unter Führung der NATO und der USA will ungeachtet dessen an seinem Konzept einer unipolaren Welt unter Führung der USA festalten. Demgegenüber bestehen aufstrebende Mächte wie China, Russland, Indien auf eine multipolare Welt, die sie gleichberechtigt mitgestalten können. Eine Folge davon: Zunehmende wirtschaftliche und militärische Spannungen. ·
- Zunehmende Missachtung internationalen Rechts: Kriegerische Einmischung unter Missachtung der Charta der Vereinten Nationen, wie etwa heute in Syrien und zuvor in Libyen. ·
- Zunehmende militärische Spannungen und Konflikte durch bewusste Kriegsrhetorik und Kriegsvorbereitungen sowie militärische Drohung und Hochrüstung. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.sicherheitskonferenz-in-muenchen-sigmar-gabriel-sieht-die-welt-am-abgrund.74b079ce-08c4-448f-8602-90eb46b1c2a9.html ·
- Demografische Entwicklung: Die Alterung der Gesellschaft im Westen steht die Bevölkerungsexplosion in Afrika und Teilen Asiens gegenüber. Wie müssen sich die Gesellschaften in Deutschland und Europa aufstellen, um mit ihren Werten und ihren Kulturen eine Zukunft zu haben? ·
- Expansiver Islam, wehrloses Christentum? Wie kann die von Michel Houellebercq in seinem Roman „Unterwerfung“ beschriebene und prophezeite Islamisierung unserer modernen und freiheitlichen Gesellschaften verhindert werden? ·
- Überschuldungskrise und daraus folgendes Verarmungsrisiko durch drohende Implosion des Geld- und Bankensystems sowie der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere des Rentensystems: Die Überschuldung der Staaten, Unternehmen und Haushalte macht deutlich, dass die Menschen in Deutschland und Europa nicht mit wachsendem Wohlstand rechnen können, im Gegenteil. Wie bereiten sich die Staaten und Gesellschaften auf diesen Umbruch vor? http://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/felix-zulauf-dann-gibt-es-loecher-im-markt/20962702.html
- Rückgang des Energieerntefaktors EROI bei der Erschließung von Energiequellen: Moderne Gesellschaften mit ihren komplexen Strukturen und vielfaltigen Waren und Dienstleistungsangeboten lassen sich bei einem schrumpfenden EROI immer weniger aufrecht erhalten. Wie können sie umgebaut, an die neuen Realitäten angepasst werden, ohne ihre Stabilität zu verlieren? https://srsroccoreport.com/eroi-factor/
https://srsroccoreport.com/major-factor-for-owning-gold-the-collapse-of-golds-eroi/
- Die EU steckt in einer Sachgasse: Unrealistische Integrationsziele und fehlende Ressourcen in den überschuldeten Mitgliedsstaaten zerstören die EU und gute Nachbarschaft in Europa. Wie kann ein friedliches Zusammenleben und Zusammenwirken der Völker in Europa vor diesem Hintergrund gesichert werden? ·
- Der Westen als Leuchtturm der Freiheit, als Vorbild für Rechtsstaat, Demokratie und allgemeinen Wohlstand hat durch eigene Demontage an Attraktivität in der Welt verloren. Wie kann er kulturell wieder attraktiv werden, um global auf Dauer relevant zu bleiben? ·
- Digitalisierung der Gesellschaft, Blockchain und Bitcoin, Industrie 4.0 machen eine Neuausrichtung unserer Wirtschaft erforderlich. Welche Chancen und Risiken bietet diese Entwicklung und wie können wir die Chancen wirkungsvoll nutzen?
IV. Für das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eintreten
Ohne die tatsächliche Gewährleistung des Grundrechts der Meinungsfreiheit und des Grundrechts auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit verlieren die Bürger in Deutschland und in den anderen europäischen Ländern die Chance, in Freiheit zu leben und die gesellschaftlichen Herausforderungen in ihrem Sinne mitzugestalten. Sie laufen Gefahr, erneut zu Objekten und Opfern politischer Entwicklungen zu werden, aber nicht zu deren Teilhabern und Begünstigten. Deswegen ist das aktive Eintreten und Einfordern von Meinungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit die Voraussetzung dafür, dass wir morgen noch in einer freien demokratischen Gesellschaft leben können, die die politischen Herausforderungen im Interesse und im Sinne ihrer Bürger löst.
Hallo Friedrich,
ich sehe das genauso, deswegen habe ich hier auf Steemit einen Account erstellt und bereits einige Blogartikel zu dem Thema verfasst. Vielleicht hast du ja Lust, mal reinzuschnuppern. Würde mich jedenfalls freuen, so können wir us gegenseitig unterstützen und wachsen, um endlich positiven Einfluss auszuüben.
Danke, das will ich gerne tun.