Libertarismus für Einsteiger

in #philosophie7 years ago

Die Schule von Athen - Raffael 1511

Was ist Libertarismus?

Libertarismus ist die politische Philosophie der Freiheit.
Diese basiert auf 2 simplen Prinzipien:
Dem Nichtaggressionsprinzip, welches besagt, dass niemand das Recht haben sollte Gewalt über andere auszuüben und auf dem Selbsteigentum, welches besagt, dass jeder Mensch alleiniger Eigentümer seines eigenen Körpers ist und somit auch als einziger und uneingeschränkt über sich selbst bestimmen kann.

Wer diese beiden Ansichten und alle logischen Schlussfolgerungen, die sich daraus herleiten lassen verstanden und verinnerlicht hat und diese uneingeschränkt akzeptiert, der darf sich als Libertarist bezeichnen.

Um diese Schlussfolgerungen zu ziehen und zu verstehen, ist meistens nur simples Grundwissen in den Themengebieten Marktwirtschaft, Menschliches Handeln und Psychologie, gepaart mit einem Mindestmaß an logischem Denkvermögen (Intelligenz) notwendig.

Beispiel einer logischen Schlussfolgerung

Aus dem Selbsteigentum (du gehörst nur dir selber), lässt sich Schlussfolgern, dass auch alles, was du selber erschaffst, nur dir gehören kann, vorausgesetzt die Ressourcen, aus denen du etwas erschaffst, gehören auch dir.
Wenn dir also ein Stück Holz und Werkzeug gehört, aus denen du dann mit deiner eigenen Arbeitskraft einen Stuhl baust, dann gehört dieser Stuhl zu 100% dir.
Wenn du diesen Stuhl jetzt freiwillig mit einem anderen Menschen gegen Geld eintauschen solltest, dann gehört der Stuhl anschließend zu 100% dem anderen Menschen und das Geld, welches er dafür gezahlt hat gehört dann zu 100% dir.

Selbstverständlich hast du auch die Möglichkeit deine Arbeitszeit direkt gegen Geld einzutauschen.
Hierzu kannst du zum Beispiel mit einem Unternehmen (Arbeitgeber) aushandeln, wie viel Geld du für wie viele Stunden Arbeitszeit eintauchst und welche Leistungen in dieser Zeit von dir erbracht werden müssen.
Die Details werden dann in einem Arbeitsvertrag geklärt, den beide unterschreiben und somit den Bedingungen freiwillig zustimmen.
Aus den im vorherigem Abschnitt erklärten Schlussfolgerungen des Selbsteigentums, sollte jedem klar sein, dass das Geld, welches dir dein Arbeitgeber für deine Arbeitskraft bezahlt zu 100% dir gehört.

Das Problem mit dem Staat

Der Grund warum Libertaristen ein Problem mit dem Staat haben begründet sich darin, dass der Staat permanent gegen die 2 philosophischen Grundprinzipien Nichtaggressionsprinzip und Selbsteigentum verstößt.

So werden dir von dem Geld, welches wie im oben beschriebenen Beispiel zu 100% dir gehören sollte, über 70% vom Staat weggenommen. Dir bleiben also nur noch 30% von deinem Eigentum.
Dies kann der Staat nur, weil er das Gewaltmonopol hat.
Da du mit Androhung von Gewalt dazu gezwungen wirst, dein Eigentum an den Staat abzugeben, verstößt der Staat zusätzlich gegen das Nichtaggressionsprinzip.

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In meinem Beitrag "Warum ich Steuern grundsätzlich ablehne" bin ich darauf noch etwas tiefer eingegangen.

Libertarismus vs. Sozialismus

Der Libertaismus ist ein kompletter Gegenpol zu allen Formen des Sozialismus.

Sozialisten fordern einen totalitären Staat, der allen Bürgern durch starke Besteuerung so viel Geld wegnimmt wie möglich, um es dann für Dinge auszugeben, die nach Meinung der Sozialisten sinnvoll sind.
Dies basiert darauf, dass sich Sozialisten allen anderen Menschen moralisch überlegen fühlen und daher der Meinung sind, dass sie besser entscheiden können wie mit dem Geld anderer Menschen umgegangen wird, als die Menschen die dieses Geld erwirtschaftet haben.
Auch die öffentliche Meinung wird vom Staat diktiert, die Bürger werden überwacht und die Freiheit des einzelnen ist massiv eingeschränkt.

Was dann am Ende dabei rauskommt, haben wir an Fällen wie China unter der Herrschafft von Mao Zedong, der UDSSR oder der DDR gesehen, bzw. können es aktuell in Venezuela beobachten.

Libertaristen hingegen fordern individuelle Freiheit. Eine Gesellschaft, in der jeder Mensch frei und eigenverantwortlich leben kann. Kein Staat sollte das Recht dazu haben die Freiheit und die Rechte des einzelnen Individuums zu beschneiden.
Es gilt gleiches Recht für alle Menschen und Institutionen und es können auch keine Sonderrechte durch Mehrheitsbeschlüsse zu Lasten von Minderheiten vergeben werden.
Jeder Mensch ist sein eigener Herr und kann daher völlig eigenverantwortlich bestimmen was mit seinem erwirtschafteten Geld passiert.

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Der Libertarismus ist gegen eine Zentralisierung der Macht.
In sozialistischen Systemen liegt die Macht zentral beim Staat. Am Beispiel der EU können wir sehen, wie auch diese zentralisierten Mächte der einzelnen Nationalstaaten noch weiter zentralisiert werden. Es gibt auch bereits Bestrebungen für einen sozialistischen Weltstaat, bei dem die Macht zentral bei einer Weltregierung liegt.
Der Libertarismus hingegen fordert eine Dezentralisierung der Macht. Und zwar auf das kleinste Individuum: Den einzelnen Menschen.

Rechts oder Links?

Libertaristen sind politisch weder rechts, noch links einzuordnen.

In Deutschland wird "rechts" oft mit Nationalsozialismus in Zusammenhang gebracht und "links" mit Sozialismus oder Marxismus.
Da es sich dabei um totalitäre Systeme handelt, werden diese von Libertaristen grundsätzlich abgelehnt.

Unabhängig vom politischen Spektrum können einzelne Libertäre natürlich trotzdem Ansichten vertreten, die politisch eher links oder eher rechts einzuordnen wären, solange diese Ansichten nicht den libertären Grundsätzen entgegen stehen.

Kritik und kognitive Dissonanz

Der Libertarismus wird so gut wie nie wegen seinen philosophischen Grundsätzen kritisiert.
Die Kritik, die von Staatsbefürwortern kommt, meistens ohne sich auch nur ansatzweise mit dem Libertarismus beschäftigt zu haben, beschränkt sich in fast allen Fällen darauf, dass Libertarismus in der Praxis angeblich nicht funktionieren würde.

Diese Kritiker sind dann meistens der Ansicht, dass ohne einen großen Staat keine Straßen und Schulen mehr gebaut werden würden, es keine Regeln mehr geben würde und die Welt im Chaos versinken würde.
Nichts könnte falscher sein als das.
Aber was soll man auch schon großartig von jemandem erwarten, dem über Jahrzehnte durch staatliche Schulen und (teils staatliche) Medien gebetsmühlenartig eingetrichtert wurde, dass der Staat gut und unverzichtbar ist, Kapitalismus und der Mensch grundsätzlich böse sind und es deshalb einen starken Staat braucht, der diese angeblichen Bedrohungen durch sein Gewaltmonopol stoppt?

Mit logischen Argumenten kommt man bei Kritikern mit oftmals ideologischem, dogmatischem und teils sehr beschränktem Weltbild nicht weit.

Dies ist vor allem aber auch darin begründet, dass die meisten Menschen eher dazu tendieren einer bequemen Lüge zu glauben, als einer unbequemen Wahrheit.
Über dieses psychologische Phänomen (kognitive Dissonanz) werde ich demnächst noch einen gesonderten Artikel schreiben.

Diese Menschen sind letztendlich auch der Hauptgrund dafür, dass wir aktuell in einem Staat leben, der zunehmend immer weiter die individuellen Rechte des einzelnen einschränkt und immer totalitärer wird.

Libertarismus in der Praxis

Es gibt 2 libertäre Modelle: Den Minimalstaat und die Privatrechtsgesellschaft.
Der Minimalstaat ist ein Staat, der nur für die innere und äußere Sicherheit zuständig ist und nicht in die Marktwirtschaft eingreift.
In einer Privatrechtsgesellschaft gibt es gar keinen Staat mehr.

Über beide Modelle werde ich hier noch gesonderte Artikel schreiben.

Leider lassen sich natürlich nicht alle "was wäre wenn"-Fragen und Fallbeispiele in wenigen Sätzen zusammenfassend beantworten.
Aus diesem Grund gibt es ganze Bücher, die sich nur mit solchen Fragen und Fallbeispielen auseinandersetzen.
Ein kürzlich erschienenes Buch, welches sich fast ausschließlich damit befasst, wie eine Privatrechtsgesellschaft in der Praxis funktionieren würde, ist das Buch "Sicher ohne Staat" von Oliver Janich.
Ich kann dieses Buch jedem empfehlen, der praktische Fragen zur Privatrechtsordnung hat. Es wird nämlich darin genau beschrieben, wie und warum es auch ohne Staat Straßen, Schulen, Sicherheit, Kriminalitätsbekämpfung, neutrale Richter, Naturschutz und alle weiteren Dinge geben würde, die sich Staatsbefürworter ohne Staat nicht vorstellen können.

Wer den Libertarismus in den Theorie komplett verstanden hat, der kann jedoch ohnehin automatisch auch alle Fragen beantworten, die sich in der Praxis stellen würden.
Ich kann hier nur jedem die libertären Grundwerke von Hans-Hermann Hoppe, Ludwig von Mises, Roland Baader oder Murray Rothbard empfehlen.

Sort:  

So sieht's aus.

(Was soll man denn da noch kommentieren?)

sehe ich genau so 😊

Ja, dann haben wa's doch =)

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Super Artikel! Danke!

Ergänzen kann man Libertarismus noch mit etwas Subsidiarität! Auf Basis des Individuums aus Familien, Konzile oder dergleichen bildend, welche wiederum in direkt demokratischen Foren ihren Zusammenschluss finden und so auch überregionale Themen (Probleme sind nur Themen, welche es zu lösen glit) behandeln und auch Welthandel führen können.
https://de.wikipedia.org/wiki/Subsidiarit%C3%A4t

Für diesen Artikel verdienst du dir wirklich follow/upvote/resteem!
Herzliche Grüße, Markus

Der Libertarismus ist gegen die Zentralisierung...So man kann einfach sagen dass "Steemit" ein Libertarist ist.

Kann man nicht, da sich hier genau wie im Rest der Gesellschaft politische Gruppen trennen anstatt zusammenzukommen.

Sagt mal, ist das nur meine selektive Wahrnehmung oder wird das deutsche Steemit langsam zur freiheitlichen Hochburg?

In Relation zu anderen Social Media Plattformen könnte man das schon fast so sehen.
Liegt wahrscheinlich größtenteils daran, dass Menschen, die sich auf einer freien und dezentralen Plattform anmelden, auch aufgeschlossener für andere freiheitliche Themen sind.

Ich hänge in Diskussionen mit Leuten immer wieder an ihrer angeblichen Wahrheit fest, dass meine Ideen vieeel zu unrealistisch wären...
Realität ist nicht statisch, sie wird von uns allen erschaffen.

Es gibt leider nur wenige Menschen, die bereit dazu sind ihr eigenes Weltbild in Frage zu stellen oder zu überdenken.

Wie eine Diskussion mit diesem Menschenschlag aussieht, wurde sehr gut in dem Film "They Live" symbolisiert, als der Hauptdarsteller seinen Freund erst nach einem erbitterten Kampf dazu bringen konnte, die Brille aufzusetzen um die Wahrheit zu erkennen.

Als frei denkender Mensch ist man leider in der Minderheit und das wird sich wahrscheinlich auch niemals ändern. Die Frage ist halt wie man damit umgeht und was man daraus macht.

Danke für den tollen Kommentar und die Filmempfehlung! :)
Ja. Vor allem mit deinem letzten Satz habe ich innerlich etwas zu kämpfen.
Ich muss eben auch noch einiges lernen.

Danke für eine sehr informative Zusammenfassung.
Den Artikel kann man ja schon fast auf Flugblatt-Format bringen und austeilen...

Dies basiert darauf, dass sich Sozialisten allen anderen Menschen moralisch überlegen fühlen

Aus diesem Selbstverständnis und dem resultierenden Auftreten hat sich u.A. der nicht so liebevoll gemeinte Begriff des "Gutmenschen" entwickelt.

Libertaristen sind politisch weder rechts, noch links einzuordnen.

Da macht's sich die heutige Einheitsgesellschaft wenigstens leicht, damit die kognitiven Dissonanz nicht zu sehr schmerzt:

Libertäre müssen ja rechts sein, weil sie nicht auf "meiner" Seite stehen.

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Menschen die ein betimmtes Bewusstsein erreichen kooperieren miteinander da sie erkennen das es notwendig ist. Dazu braucht es keine Verträge (Vertrag kommt von vertragen). Gemeinsam nehmen sie den Raum ein den sie zum Leben brauchen, siehe sämtliche Naturverbundene Völker.
Welcher Grashalm kommt auf die Idee bevor er zu wachsen beginnt "Muss ich mir erstmal ein Grundstück kaufen oder eine Genehmigung einholen oder Miete zahlen wenn ich hier wachsen will?" Geld ist nur eine Illusion. Eigentum ist nur eine Illusion, der Körper den wir benutzen ist nur geliehen und wird eines Tages wieder Teil des Ganzen.
Dazu möchte ich euch noch einen Spielfilm namens "Der grüne Planet" vorstellen:

Schöne Grüße, Martin

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