Madrid weist Katalanen Schuld an Gewalt zu
Der spanische Ministerpräsident fordert die katalanische Regionalregierung auf, das Unabhängigkeitsreferendum zu beenden. Die spanische Polizei versucht derweil weiter, die Abstimmung zu verhindern.
Bei Einsätzen der spanischen Polizei gegen Unabhängigkeitsbefürworter in Katalonien sind nach Angaben der katalanischen Rettungskräfte mindestens 38 Menschen verletzt worden, die Regierung der Region spricht sogar von mehr als 300. Wie das spanische Innenministerium meldete, seien allerdings auch elf Polizisten verletzt worden. Die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy forderte die katalanische Regionalregierung auf, die vom Verfassungsgericht untersagte Abstimmung zu stoppen. Das Referendum sei eine „Farce“, sagte der Vertreter der spanischen Regierung für Katalonien, Enric Millo, am Sonntag. Puigdemont und seine Regierung seien „allein verantwortlich für alles, was heute passiert ist und was noch passieren könnte, wenn sie diese Farce nicht beenden“.
Hans-Christian Rößler
Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.
F.A.Z.
Die spanische Polizei ging am Sonntag nach Beginn eines von der spanischen Zentralregierung für illegal erklärten Unabhängigkeitsreferendums gewaltsam gegen Demonstranten vor, die Beamte am Betreten von Wahllokalen hindern und den Abtransport beschlagnahmter Wahlurnen verhindern wollten. Laut Augenzeugen setzte die Polizei dabei in der Regionalhauptstadt Barcelona auch Gummigeschosse ein.
Die ersten Schlangen vor den Wahllokalen hatten sich noch im Dunkel der Nacht gebildet. Von fünf Uhr morgens an versammelten sich die Menschen vor vielen Schulen im Zentrum von Barcelona. Um sechs Uhr setzte heftiger Regen ein, doch das schreckte die Wartenden nicht ab. Ihre Zahl wuchs, so dass sich die Beamten der katalanischen Regionalpolizei (Mossos) erst einen Weg zu den Eingängen bahnen mussten: Laut einer richterlichen Anordnung sollten die Schulen und Gemeindezentren, die als Wahllokale vorgesehen waren bis um sechs Uhr geräumt und versiegelt sein. Doch die Mossos taten nichts, um die Katalanen zu vertreiben, die die Nacht zum Sonntag in mehreren hundert Schulen verbracht hatten.
Seit Freitagabend veranstalteten Aktivisten in den Schulen Pyjama-Partie, Lesemarathons und Spielenachmittage. Dadurch wollten sie sicherstellen, dass sie offenblieben, bis dort um neun Uhr die Wahllokale öffneten. Das gelang offenbar nicht nur in den Schulen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Aber der katalanische Regierungssprecher Jordi Turull teilte am Vormittag mit, dass mehr als siebzig Prozent der geplanten 2300 Wahllokale geöffnet sind.
Spanische Polizei geht mit Gummigeschossen gegen Katalanen vor. BILDERSTRECKE
SPANISCHE POLIZEI GEHT MIT GUMMIGESCHOSSEN GEGEN KATALANEN VOR. :
Diese Zahl begann jedoch schon am Morgen zu sinken: Beamte der spanischen Policia Nacional begannen damit, mehrere Wahllokale zu stürmen, um Urnen und Stimmzettel zu beschlagnahmen. Dabei gab es nach katalanischen Presseberichten mehrere Verletzte. Auch zum katalanischen Bildungsministerium verschafften sich die Beamten gewaltsam Zugang. Nachdem das spanische Verfassungsgericht die Volkabstimmung über die katalanische Unabhängigkeit für illegal erklärt hatte, hat die Polizei den Auftrag das Referendum zu verhindern.
Anfangs schafften es Policia Nacional und Guardia Civil am Sonntag nur, den Ablauf zu erschweren. Das bekam auch Regionalpräsident Carles Puigdemont zu spüren. Das Wahllokal in seiner Heimatstadt Girona, in dem er seine Stimme abgeben wollte, hatte die Polizei geschlossen. Er wich in ein anderes aus. „Jedes Problem hat seine Lösung“, sagte Regierungssprecher Turull zuversichtlich.