Wie versprochen...: das Buch, das noch geschrieben werden muß - geht weiter! / As promised...: the book that still has to be written - continues!

in Deutsch Unpluggedlast month

english below...

Nun, ich fühle mich definitiv willkommen mit meinem Versuch - so lange Ihr mich darin bestärkt, probiere ich aus, wie weit ich komme auf diesem Weg. Vorwort und Einleitung verlinke ich noch einmal, für Nachzügler und Quereinsteiger ;-))

https://steemit.com/hive-146118/@weisser-rabe/ein-moeglicher-anfang-das-buch-das-noch-geschrieben-werden-muss-a-possible-beginning-the-book-that-has-yet-to-be-written

Kindheit?

Wie nennt man etwas, wo man selber klein und ahnungslos und relativ unbedarft durch das Leben hoppelt? Kindheit wäre schon ein schönes Wort dafür – wenn es sich denn auch so angefühlt hätte. In Wirklichkeit war es einfach eine kalte Weile, in der es alles gab, was ich zum Existieren brauchte: ich hatte genug zu Essen, Kleidung, Lehrer… Nicht unbedingt leckeres Essen (und wenn doch, hat es die Haushälterin gekocht statt meiner Mutter), nicht unbedingt die Klamotten, die ich mir gewünscht hätte (mehr so, was unserem Status „angemessen“ erschien) und die Lehrer… Nun ja, an denen kann ich überhaupt gar nichts aussetzen. Ich habe unglaublich viel gelernt, mehr als die meisten Kinder in meinem Alter.

Das war mir allerdings nicht klar – ich besuchte keine Schule. Mir fehlte also der Vergleich; mit meinen Privatlehrern konnte ich wie eine Erwachsene auf Augenhöhe reden und war dadurch sehr früh viel zu reif, um das Ganze eben als Kindheit abzuhaken. Alle erdenklichen Bücher dieser Welt standen mir zu Verfügung, alle Reisen durch diese Welt konnte ich unternehmen (auch hier war mir bis ins Erwachsenenalter nicht bewußt, wie besonders das war und daß die meisten unserer (DDR-)Bürger nicht groß aus dem Land kamen…) und ich hatte keinen Ärger. Keinen Streß. Nie Streit. Dazu hätte mich nämlich jemand zur Kenntnis nehmen müssen. Als Mensch, als Person, als Gegenüber. Aber da war nichts. Ich wurde versorgt und verwaltet. Mit Sicherheit war da keine Liebe spürbar und keine gefühlsmäßige Basis wie Vertrauen, Zugehörigkeit oder Bindung.

Wir, mein Vater und ich, waren wie Zigeuner, ständig unterwegs. Meine Mutter spielte in meiner Wahrnehmung höchst zufrieden die ihr zugedachte Rolle als bildschöne Frau, die treu und kommentarlos auf die Rückkehr des hochwichtigen Gatten wartete. Ja, und der Tochter. Wenn schon. Das Warten ist hier mehr mit Zeit totschlagen gleichzusetzen denn mit Sehnsucht. Es gab schlicht nichts für sie zu tun, während wir auf Tour waren. Sie hatte keinen Beruf, keine Freunde, keine Interessen. Sie war… atemberaubend schön. Ein bißchen erinnerte sie mich immer an Greta Garbo, vor allem auf Fotos. Kennt hier noch jemand Greta Garbo…?

All das fühlt sich heute so bizarr und unwirklich an – damals war es ganz normal für mich und ich hinterfragte zunächst nichts. Auch nicht, warum mein sehr viel älterer Bruder ausgezogen ist, nachdem ich geboren war. Ein geschwisterliches Verhältnis zu ihm war nicht möglich – aber er schien ein sehr netter Onkel zu sein. Leider habe ich aus den frühen Jahren nicht so arg viele Erinnerungen. Beziehungsweise ich habe welche, die von großen, dunklen Lücken durchsetzt sind. Unter anderem deshalb fällt es mir so schwer, das hier aufzuschreiben. Es ist teilweise kaum nachvollziehbar, weil ich es selbst nicht verstehe. Neben den wenigen klaren Eindrücken von damals nehmen verschwommene und verzerrte Bilder zu viel Platz ein in meinem Gedächtnis…

Bevor derartige Vermutungen aufkommen – ich wurde nie hart angefaßt, es gab keine Gewalt bei uns. Ich kenne heute etliche Menschen, denen dieses Glück in ihrer Jugend versagt blieb. Ich fühle ehrlichen Herzens mit ihnen. Aber nur, um ihnen im nächsten Satz zu erklären, daß es eine Art mentalen oder psychischen Mißbrauch gibt, der unter Umständen schwerer wiegt und verheerendere Folgen haben kann. Davon bleibt einiges zu berichten…

Zusammengefaßt war ich ein großes, dünnes, blasses Mädchen mit großen Augen und noch größerem Durst nach Erlebnissen. Ich durfte so viele Eindrücke sammeln, daß sie unmöglich alle zu verarbeiten waren. Ein Grund zur Dankbarkeit. Vielleicht. Was ich nicht hatte – Freunde, Gleichaltrige. Einen eigenen Willen. Echte Erfahrungen statt der verfälschten unter einer rosaroten Käseglocke, die ich nicht einmal erahnte.

Mit meinem Vater reiste ich etliche Jahre durch verschiedene Länder, wo wir jeweils einige Monate lebten. Es wunderte mich noch nicht, daß wir ständig andere Namen trugen, daß ich stets neue Familiengeschichten (Legenden) auswendig lernen mußte, daß wir manchmal arg überstürzt irgendwo abreisten, daß zeitweise mir unbekannte Frauen an der Seite meines Vaters so taten, als wären sie meine Mütter… Ich war noch nicht verstört, weil ich es nicht anders kannte. Von der Wiege auf ist dieses Leben meins gewesen – eine einzige große Täuschung und ein Versteckspiel (auf dem höchsten vorstellbaren Niveau). Je älter ich wurde, desto mehr kam ich in Versuchung, „aber“ zu sagen. Das war noch kein „Nein“ zu den Dingen, die wir taten, aber ein immer deutlicheres „Warum?“ Das mir nie beantwortet wurde. Als meine Fragen und die damit einhergehende Verstocktheit Überhand nahmen, verbrachte ich meine Zeit fast nur noch bei meinen Großeltern...

Fortsetzung folgt

download(5).png
Photo by Bernhard Kilian, alienated by me with little artifical help ;-))

english version:

Well, I definitely feel welcome with my attempt - as long as you encourage me, I'll see how far I can get on this path. I'll link the foreword and introduction again, for latecomers and lateral entrants ;-))

https://steemit.com/hive-146118/@weisser-rabe/ein-moeglicher-anfang-das-buch-das-noch-geschrieben-werden-muss-a-possible-beginning-the-book-that-has-yet-to-be-written

Childhood?

What do you call something when you yourself are small, clueless and relatively naive as you hop through life? Childhood would be a nice word for it - if it had felt like that. In reality, it was just a cold time in which I had everything I needed to exist: I had enough to eat, clothes, teachers... Not necessarily delicious food (and when it was, the housekeeper cooked it instead of my mum), not necessarily the clothes I would have liked (more like what seemed "appropriate" for our status) and the teachers... Well, I can't fault them at all. I learnt an incredible amount, more than most children my age.

But I didn't realise that - I didn't go to school. So I didn't have anything to compare it to; I was able to talk to my private teachers like an adult on an equal footing and was therefore far too mature at a very early age to tick the whole thing off as childhood. I had all the books in the world at my disposal, I could travel the world (again, I didn't realise until I was an adult how special that was and that most of our (GDR) citizens didn't come out of the country...) and I had no trouble. No stress. Never an argument. Because someone would have had to take notice of me for that. As a human being, as a person, as a counterpart. But there was nothing. I was looked after and managed. There was certainly no love and no emotional basis such as trust, belonging or attachment.

We, my father and I, were like gypsies, constantly on the move. In my perception, my mother played her role as a beautiful woman who waited faithfully and without comment for her highly important husband to return. Yes, and the daughter. If only. Waiting here is more like killing time than longing. There was simply nothing for her to do while we were on tour. She had no job, no friends, no interests. She was... breathtakingly beautiful. She always reminded me a bit of Greta Garbo, especially in photos. Does anyone here remember Greta Garbo...?

All of this feels so bizarre and unreal today - back then it was completely normal for me and I didn't question anything at first. Not even why my much older brother moved out after I was born. A sibling relationship with him was not possible - but he seemed to be a very nice uncle. Unfortunately, I don't have that many memories from those early years. Or rather, I have some that are interspersed with large, dark gaps. That's one of the reasons why it's so difficult for me to write this down. It's sometimes hard to comprehend because I don't understand it myself. In addition to the few clear impressions from back then, blurred and distorted images take up too much space in my memory...

Before such presumptions arise - I was never touched hard, there was no violence in our home. I know quite a few people today who were denied this happiness in their youth. I honestly sympathise with them. But only to explain to them in the next sentence that there is a kind of mental or psychological abuse that can be more serious and have more devastating consequences. There is a lot of that to report...

To summarise, I was a tall, thin, pale girl with big eyes and an even greater thirst for experiences. I was allowed to gather so many impressions that it was impossible to process them all. A reason to be grateful. Perhaps. What I didn't have - friends, peers. A will of my own. Real experiences instead of the falsified ones under a rose-coloured cheese bell that I didn't even suspect.

I travelled with my father for several years through different countries, where we lived for a few months at a time. I was not yet disturbed that we constantly had different names, that I always had to learn new family stories (legends) by heart, that we sometimes left somewhere in a hurry, that at times women I didn't know at my father's side pretended to be my mothers... I was not yet distraught because I didn't know any different. From the cradle on, this life has been mine - one big deception and a game of hide-and-seek (on the highest imaginable level). The older I got, the more I was tempted to say "but". It wasn't yet a "no" to the things we were doing, but an increasingly clear "why?" Which was never answered. When my questions and the accompanying obduracy got out of hand, I spent most of my time with my grandparents...

To be continued

Sort:  

I guess it will be difficult for anyone to comment here. I'm doing it to show that I'm still reading, as I said last time.
I think when one reads such things one always filters them through the funnel of one's own life, sees them, perceives them and tries to judge them from one's own point of view, one's own experience. However, there are things that cannot be filtered in this way because they are completely unknown and have no analogue in one's own experience.
Some rudiments of a crime story are starting to form for me here, even though you say it isn't exactly the case.
Anyway - we'll be looking forward to the sequel.

 last month 

That's perfectly okay for me. I had to deal with psychologists who told me they have no idea how to work with me...

When it comes to psychologists, I always force myself not to forget that they are human too, that they too, despite their education, would judge from their own perspective, that a large number of them entered psychology in an attempt to solve their own problems, often unsuccessfully.
By the way, this post about your childhood almost coincided with children's day to show in a vivid way that childhood is not necessarily the happiest part of a person's life, that not all people are capable of being parents and that not every child is loved endlessly as they try to convince us (I watched some crap on TV about this holiday yesterday and was appalled again by the hypocrisy of people).

 last month 

Ah, you're right. I hadn't thought about Children's Day.

In fact, I'm determined not to do anything, absolutely nothing, like my parents with my children. Today I can confirm that I have stayed true to that! We didn't live in such ‘marvellous’ circumstances, but we are a FAMILY!

 last month 

Okay, dann ich jetzt... 😎

Dein großer Vorteil: Du kannst schreiben. Du kannst sogar einen Spannungsbogen aufbauen und mitreißend schreiben.
Extrem gute Bedingungen für die Planung einer Biographie...
Weiter ist dein Leben ja auch recht spannend. Ist. Und war es definitiv auch.

Ich erwarte nun eine Stasi-(Merde, hättest du nach der "Einleitung" nicht mit den Akten weitermachen können?)-Doppelagenten-Familiensaga ohne Happy End.

Jo, so etwas kann ich durchaus mal lesen, erst recht, wenn ich die Person hinter der Biographie kenne. Aber: Wenn's denn schon ein Buch/Roman wird, dann bitte am Stück bzw. mit den (Lese)pausen, die ich selbst bestimme.

So etwas in der Art habe ich dir schon einmal geschrieben.
Ich kann dir also nicht versprechen, dass ich hier weiterlese (nee, eher sogar nicht, jedenfalls nicht gründlich, sondern überfliegend), wohl aber, dass ich das Buch kaufe... 😁

 last month (edited)

Auch das ist völlig in Ordnung für mich. Ich habe es, wie gesagt, nicht fertig in der Schublade liegen, ich komme bislang nicht über das dritte Kapitel hinaus... Ob es mir hier leichter fällt oder sich eine natürliche Fortsetzung ergibt - keine Ahnung. Ich versuch's. Ich freu' mich über jeden einzelnen Käufer meiner Bücher; ganz besonders über die Erste ;-)) Aber Du scheinst es eh schon zu kennen...

 last month 

Spannend. Ich bitte dich, hier unbedingt weiter zu schreiben. Hab eben beide Teile verschlungen und warte gespannt auf die Fortsetzung...

 last month 

Mach ich. So weit ich komme... Wie wird das hier eigentlich mit Triggerwarnungen gehandhabt? Ich schreibe immer einfach so drauf los...

 last month 

Trigger Warnung hab hier höchstens mal bei NSFW Content gesehen. Sonst nie.
Du schreibt großartig. Lass es einfach fließen...

 last month 

Danke! Und danke ;-))

I have read it!
I will be reading it again...

I'm curious!

Right now I am travelling, but I just wanted you to know that I read you!

 last month 

I know my Dear! Go, go, go! Have a great time travelling!

Now I finally understand why you always love been on your own and why you don’t like to socialize too much in person… but if we look at the bright side of it, you are a very good writer today, is thanks to your parents that decided to buy you so many books to equip you with knowledge.

Well… I’m with this story till the end.

 last month 

You are right. Despite everything that my parents weren't for me, they also made me who I am today. Including all the advantages and quirks... Knowing that doesn't make it any easier ;-))

 last month 

Deine Kindheit, immer beschützt aber abgekapselt, kaum Kontakte zu Gleichaltrigen, das erklärt wohl deine, wie du selbst sagst, Sozialphobie. Menschenansammlungen sind überhaupt nicht das was du suchst. Deine vielseitigen Aktivitäten erfordern mit vielen Menschen klar zu kommen und das gelingt dir ja bestens. Ich bin gespannt wie es weiter geht.

 last month 

Das ist ein interessanter Punkt: wir konnten nie herausfinden, ob meine Sozialphobie aus dieser Abschottung resultiert oder ob ich so isoliert wurde, weil ich damals schon soziophobe Anzeichen erkennen ließ...

TEAM 5

Congratulations! This post has been upvoted through steemcuratorXX We support quality posts, good comments anywhere, and any tags.



Curated by : @soulfuldreamer

Coin Marketplace

STEEM 0.18
TRX 0.14
JST 0.030
BTC 59238.58
ETH 3176.28
USDT 1.00
SBD 2.45