Kreislaufwirtschaft | Circular economy
Kreislaufwirtschaft
– think twice[more English words below]
„Ich verkleinere meinen CO2-Fußabdruck“, sage ich zu Vivienne. Keine Antwort. Hatte sie nicht gehört? „Ich verkleinere meinen CO2-Fußabdruck!“, sagte ich noch einmal lauter. Keine Antwort. War sie taub geworden? Kopfhörer oder Hörstöpsel sah ich jedenfalls keine auf oder in ihren Ohren. „Vivienne?“, quengelte ich hinterher.
„Du verkleinerst deinen CO2-Fußabdruck“, wiederholte sie und klang desinteressiert. „Das habe ich schon verstanden, aber ich dachte, da kommt noch etwas wirklich Interessantes.“ Ich machte eins meiner dummen Gesichter. „Wie du das machen willst, ist mir im Moment noch egal“, fuhr Vivienne fort, „mich interessiert zuvor zweierlei: was soll das sein, dein persönlicher Fußabdruck? Und: überdenkst du bei deinem Vorhaben auch Nebeneffekte? Du kannst ja nicht immer noch so naiv sein zu meinen, es gebe keine Kollateralschäden dabei.“
Ich machte mein allerdümmstes Gesicht. Daran hatte ich tatsächlich keinen Augenblick gedacht! Muss man denn, überlegte ich, muss man denn auch bei einer guten Tat die Nebenwirkungen mit bedenken? Reicht es nicht, das Gute oder wenigstens etwas Gutes zu tun? Als hätte Vivienne meine Gedanken mit protokolliert, zitierte sie Kant: „‚Gut ist allein der gute Wille.‘“ Ja, das hatte ich auch irgendwo gelesen.
„Heißt das denn, dass es egal ist, was bei einer Handlung, die in guter Absicht getan wird, hinten heraus kommt?“, fragte ich in witzelnder Anspielung auf eine berühmt-berüchtigte BRD-Kanzler-Formulierung der Neunziger. Der Kanzler hatte es zwar genau anders gesagt, nämlich es sei „entscheidend, was hinten raus kommt“, aber was denn nun? Meine Verwirrung schien das einzige zu sein, was immer noch wachsen und wachsen konnte.
„So einfach kannst du es dir nicht machen wollen, oder?“ Rhetorische Frage von Vivienne. Ich schwieg in Erwartung weiterer Einlassungen von ihrer Seite. Da kam aber nichts. Okay, ich hatte mich wohl verrechnet und sollte selber denken, nicht auf ihre Gedanken warten. Tja, bequem ist anders, aber irgendwie auch so Sechziger. Dickes Plüschsofa und andere Erfindungen noch früherer Jahrhunderte. Das war bequem! Und zum Denken zu bequem, das war und ist Teil der selbst verschuldeten Unmündigkeit, ja-ja, schon wieder Kant…
Ich überlegte und schlug vor oder fragte: „Du denkst an die ‚Auferbietung aller Kräfte‘? Also erst, wenn ich diejenigen Nebenfolgen bedacht und überdacht habe, die zu erkennen mir möglich sind, erst dann sollte ich bereit sein, sozusagen das Rest-Risiko einzugehen und meine Handlung zu wagen?“ Die Unlust gegenüber dieser erwarteten Anstrengung stand in meinem Gesicht geschrieben, offenbar in riesengroßen Zeichen. Denn Vivienne grinste.
Diese Gelegenheit nutzte ich rasch, um zur Seite auszubüchsen und mit einem Sprung medias in res zur Schilderung meines ach-so-guten Vorhabens zu kommen, ohne weiter auf diese KI-Sache von Kant einzugehen. „Ich weiß gar nicht, wie das mit diesem ollen CO2-Fußabdruck ist“, gab ich zu und schloss ohne Luft zu holen an: „Aber ich schließe mich der Kreislaufwirtschaft an, weißt du, ‚cradle to cradle‘, von der Wiege zur nächsten Wiege statt von der Wiege zur Bahre oder zum Grab, also immer schön darauf achten, dass die verwendeten Rohstoffe stets noch weiter in einem nächsten und wieder nächsten Zyklus eingesetzt werden können, statt Müll zu produzieren und damit den Kreislauf zu unterbrechen.“ Das musste ihr doch einleuchten, dass das eine gute Sache ist, der ich mich da anschließen will, und mir schien das auch ganz ohne unerwünschte Nebenwirkungen zu sein, wie eine Impfung zum Beispiel. Ach nee, kein so gutes Beispiel, sagen wir: wie Contergan außerhalb der Schwangerschaft. Stotter. Es muss doch irgendein nebenwirkungsfreies Beispiel geben! Wo war nochmal diese Packungsbeilage?
„Kreislaufwirtschaft ist eine gute Sache“, ließ Vivienne sich vernehmen, „zumindest was den materiellen Aspekt betrifft. Wie steht es aber mit der Energie-Bilanz? Hast du dich damit beschäftigt? Es gibt keine Energie-Kreisläufe, das weißt du doch sicherlich noch? Stichwort Entropiezunahme?“ Darauf war ich vorbereitet: „Die Energie kann in lokalen Bereichen durchaus gleich bleiben oder sogar zunehmen. Dann verliert nur das benachbarte oder übergeordnete System Energie. Und bei einer gut organisierten Kreislaufwirtschaft“, schob ich ganz schnell nach, „wird das von Anfang an mit eingeplant, also die Stoffe werden so gewonnen oder miteinander verbunden, dass eine Auflösung der Verbindungen für neue wirtschaftliche Zwecke möglichst wenig Energie-aufwendig ist und dass die Neugewinnung von Rohstoffen am besten ganz unterbleiben kann, weil schon genug Rohstoffe erbeutet worden sind.“
Hatte ich damit die Nebenwirkungen im Griff? War Kant wieder auf meiner Seite? Vivienne jedenfalls nicht, denn sie fragte trocken: „Die Abbaugebiete für Seltene Erden werden also geschlossen und die dort bisher arbeitenden Leute nach Hause geschickt?“ - „Ja, aber natürlich!“, ereiferte ich mich jetzt. „Die Jobs dort sind doch fast immer ausbeuterisch und grausam ungesund, und die Leute bekommen innerhalb der Kreislaufwirtschaft viel bessere Aufgaben und Arbeiten als beim linearen Verbrauchen und Wegwerfen! Das ist doch nicht wie beim Suchen auf Müllhalden nach alten Elektronik-Bauteilen“ – ich hatte Bilder aus Afrika im Kopf, wo europäischer Schrott mit aberwitzigen Mitteln nach verwertbaren Materialien durchkämmt wird, oft von Kindern, die sich der Gefahr nicht bewusst waren oder werden wollten – „sondern geschieht in eigens gebauten Verwertungsstätten unter humanen und gesundheitlich vertretbaren Bedingungen!“
„Die ausgedienten Solar-Anlagen und die kaputten Flügel der Windräder werden also nicht irgenwohin verschifft, wo keiner sich mehr wirklich kümmert, was dann damit passiert? Wir machen zum Beispiel hier in Deutschland hübsche andere Stoffe und Sachen daraus? Aus denen dann abermals neue Stoffe und Dinge gemacht werden können? Findet dann die Kreislaufwirtschaft nur regional statt, nicht global?“ Diese Frau war ja offenbar überhaupt nicht zufrieden zu stellen! „Irgendwo und irgendwie muss doch damit begonnen werden“, sagte ich kleinlaut. „Meine Mutter hat früher einen zu klein gewordenen Pullover, den sie gestrickt hatte, wieder aufgetrennt und aus der zurück gewonnenen Wolle einen Schal oder Socken oder aus zwei kleinen einen großen Pullover gestrickt“, seufzte ich, „und so stelle ich mir die Kreislaufwirtschaft auch vor, nur größer, umfangreicher, ausgefuchster und – äh – mit mehr Stoffen als nur mit Wolle oder Holz und Metall.“ Warum musste ich jetzt an das Spiel „Die Siedler von Catan“ denken? Dabei fiel mir ein, dass jemand einen Roman dazu geschrieben hatte, den ich mal lesen und verschenken wollte, aber das bestellte Buch kam nie bei mir an. - Doch ich schweifte damit ab in meinen Gedanken und fragte schließlich leise und bescheiden: „Was schlägst du denn vor?“
„Kreislaufwirtschaft“, kam Viviennes Antwort, „denn irgendwo müssen wir ja anfangen.“
photo: @weisser-rabe
Circular economy
- think twice‘I'm reducing my carbon footprint,’ I say to Vivienne. No answer. Hadn't she heard me? ‘I'm reducing my carbon footprint!’ I said again, louder. No reply. Had she gone deaf? I certainly didn't see any headphones or earplugs on or in her ears. ‘Vivienne?’ I whined after her.
‘You're reducing your carbon footprint,’ she repeated, sounding disinterested. ‘I got that, but I thought there was something really interesting coming up.’ I made one of my stupid faces. ‘I don't care how you want to do it at the moment,’ Vivienne continued, ’I'm interested in two things first: what's it going to be, your personal footprint? And: are you also considering the side effects of your plan? You can't still be so naive as to think there's no collateral damage.’
I made my stupidest face. I hadn't even thought about that for a moment! Do you have to, I thought, do you have to consider the side effects of a good deed? Isn't it enough to do good or at least something good? As if Vivienne had recorded my thoughts, she quoted Kant: ‘“Good is only the good will”.’ Yes, I had read that somewhere too.
‘Does that mean that it doesn't matter what comes out of an action that is done with good intentions?’ I asked, jokingly alluding to a notorious formulation used by the Chancellor of the Federal Republic of Germany in the 1990s. The chancellor had said it exactly the other way round, namely that it was ‘decisive what comes out at the end’, but what then? My confusion seemed to be the only thing that could still grow and grow.
‘You can't want to make it that easy for yourself, can you?’ Rhetorical question from Vivienne. I remained silent, expecting more answers from her. But nothing came. Okay, I had probably miscalculated and should think for myself, not wait for her thoughts. Well, comfortable is different, but somehow also so sixties. Thick plush sofas and other inventions from earlier centuries. That was comfortable! And too comfortable to think, that was and is part of self-inflicted immaturity, yes-yes, Kant again...
I thought about it and suggested or asked: ‘You're thinking of “mustering all your strength”? So only when I have considered and thought about the side effects that I am able to recognise, only then should I be prepared to take the remaining risk, so to speak, and dare to act?’The reluctance to make this expected effort was written all over my face, obviously in huge letters. Because Vivienne grinned.
I quickly took this opportunity to slip to the side and jump medias in res to the description of my oh-so-good plan, without going any further into this KI thing from Kant. ‘I don't even know what it's like with this silly carbon footprint,’ I admitted and added without taking a breath: ‘But I do subscribe to the circular economy, you know, “cradle to cradle”, from the cradle to the next cradle instead of from the cradle to the grave, so always make sure that the raw materials used can still be used in the next cycle and the next cycle again instead of producing waste and thus breaking the cycle.’ It had to make sense to her that this was a good thing that I wanted to join, and it also seemed to me to be without any undesirable side effects, like a vaccination, for example. Oh no, not such a good example, let's say: like thalidomide outside of pregnancy. Stutter. There must be some example without side effects! Where was that package instruction leaflet to be found again?
‘The circular economy is a good thing,’ said Vivienne, ’at least as far as the material aspect is concerned. But what about the energy balance? Have you looked into it? There are no energy cycles, surely you remember that? Keyword entropy increase?’ I was prepared for this: ‘The energy can remain the same or even increase in localised areas. Then only the neighbouring or higher-level system loses energy. And in a well-organised circular economy,’ I quickly added, ’this is taken into account from the outset, i.e. the materials are extracted or combined in such a way that breaking down the compounds for new economic purposes requires as little energy as possible and that the extraction of new raw materials can be avoided altogether because enough raw materials have already been extracted by exploitation.’
Did I have the side effects under control? Was Kant on my side again?Vivienne certainly wasn't, because she asked dryly: ‘So the mining areas for rare earths are being closed and the people who used to work there are being sent home?’- ‘Yes, but of course!’ I was now getting angry.‘The jobs there are almost always exploitative and cruelly unhealthy, and people are given much better tasks and work within the circular economy than in linear consumption and disposal! It's not like searching rubbish dumps for old electronic components’ - I had images in my head from Africa, where European scrap is combed through for recyclable materials using ludicrous means, often by children who weren't aware of the danger or didn't want to be - ’but happens in specially built recycling centres under humane and healthy conditions!’
‘So the disused solar panels and broken wind turbine blades aren't shipped somewhere where nobody really cares what happens to them? Here in Germany, for example, we make nice other materials and things out of them?Which can then be used to make new materials and things? Does the circular economy then only take place regionally, not globally?’ This woman was obviously not at all to be satisfied!‘ It has to start somewhere and somehow,’ I said meekly.‘My mother used to unravel a jumper she had knitted that had become too small and knit a scarf or socks from the recovered wool or a large jumper from two small ones,’ I sighed, ’and that's how I imagine the circular economy, only bigger, more extensive, more sophisticated and - er - with more materials than just wool or wood and metal.’ Why did I now have to think of the game ‘The Settlers of Catan’? I remembered that someone had written a novel about it, which I wanted to read and give as a gift, but the book I ordered never arrived. - But my mind wandered and I finally asked quietly and modestly: ‘What would you suggest?’
‘Circular economy,’ came Vivienne's reply, ’because we have to start somewhere.’
Translated with DeepL.com (free version)
Ich komme mit den Rollen immer mehr durcheinander ;-)) Dein Erzähler-Ich und Vivienne kreuzen und queren sich... Multipolare Persönlichkeit?
Und im übrigen melde ich schärfsten Protest an!
Florestan und Eusebio?
Wo lese ich den angemeldeten Protest?
Orgh... Geh 'mal in Dich! Ich bleibe diskret. Oder verklage Dich ;-)))
Hoppala. Wie konnte das passierien - so fern von Ostsibirien?
Ordnung ist eben das halbe Leben. Die andere Hälfte halt ;-))))
@tipu curate
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