Eine Art Erfindung

in Deutsch Unplugged12 hours ago

Süßstoff? Eine Art Erfindung

Neulich erzählte Vivienne mir folgende Begebenheit bezüglich der Musik von Johann Sebastian Bach, welcher hier in der Nähe mal als Hofmusiker eine glückliche Zeit erlebt hatte (vor mehr als 300 Jahren…):

„Stell dir vor“, sagte sie, „da hat ein Kumpel von mir, der in der IT-Branche arbeitet, für die Mitarbeiter eines Kunden Kennwörter erfunden, die Mann und Frau sich leicht merken können sollten.“ - „Ach?“, meinte ich und zog die Brauen hoch.

„Ja, zum Beispiel so etwas wie LvB:KlaKo5, das steht für Ludwig van Beethoven, Klavierkonzert Nummer 5 und erfüllt die Richtlinien großer und kleiner Buchstaben sowie Verwendung von Sonderzeichen und Ziffern.“ - „Aha“, gab ich zu bedenken.

„Du kannst es sicher besser, aber das war vor zehn Jahren eine brauchbare Alternative zu solchen Kennwörtern, die sich die Leute nicht merken können und dann mit Zetteln an den Bildschirm kleben.“ - „Schon gut“, lenkte ich ein.

„Also, da erfindet mein Kumpel also ein Kennwort wie WAMDieZau!, das steht für Wolfgang Amadé Mozart, Die Zauberflöte. Und da sagt ihm die Empfängerin doch glattweg: ‚Och nö, nicht Mozart, dessen Musik ist so süßlich. Ich höre viel lieber Bach.‘ Das war für ihn eine hübsche Überraschung!“ - „Kann ich mir denken“, pflichtete ich Vivienne ganz ohne Ironie bei.

„Da ging mein Kumpel hin und machte der Kundin so etwas wie JoSeBaBrK6, also Johann Sebastian Bach, Brandenburgisches Konzert Nummer 6. Aber das eigentlich interessante, was er mir erzählte, war: dass er über den Satz nicht nur gestolpert ist, sondern sich mit Bach im Ohr Mozart anhörte und nachvollziehen konnte, was die Kundin gesagt hatte. Nämlich dass Mozart – zumindest in Vergleich zum alten Bach – etwas süßlich klingt, man könnte vielleicht auch sagen gefällig, leicht eingängig, schmeichelhaft.“

Okay, das wäre zu testen, dachte ich bei mir, und am folgenden Tag hörte ich versuchsweise unmittelbar nach dem c-moll-Orgelstück von Bach (BWV 537) die g-moll-Sinfonie (Nr. 40, KV 550) von Mozart an. Später probierte ich auch mal direkt nach dem Brandenburgischen Konzert Nr. 5 (BWV 1050) die Prager Sinfonie (Nr. 38, KV 504). Hm. Hm-hm. War da tatsächlich was dran an der vergleichsweisen Süßlichkeit Mozarts? Oder ist das doch eher eine sehr subjektive Einschätzung, wie so oft im Feld der Ästhetik? Oder noch anders: musste, sollte, könnte ich meine Testreihe systematisch aufbauen statt wie bisher in nahezu völliger Beliebigkeit?

Ich begann, genauer zu überlegen. Die von Mozart gepflegten Gattungen Sinfonie und Streichquartett gab es in dieser Weise noch nicht im Umfeld von J.S. Bach. Klavierkonzerte schon eher, besser vielleicht Violin-Konzerte - und wohl am überzeugendsten: Arien! Es sollte also vielleicht am ehesten sinnvoll sein, einer Bach-Arie eine Mozart-Arie hinterher zu schicken auf den Weg zum Ohr des Belauschers, um auf diese Weise das Auge des Betrachters zu schärfen, metaphoristisch gesprochen.

So kam ich also zu Konzert für Violine und Orchester E-dur (BWV1042) von Bach und Konzert für Violine und Orchester A-dur (KV 219) von Mozart. Wer hört mit, wer fragt mit?


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 3 hours ago 

Bisher erst das erste gehört - köstlich.
Mozartismen und Bachismen unverkennbar.
;-)

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