Dreizehnte Erfindung | Thirteenth inventionsteemCreated with Sketch.

in Deutsch Unplugged2 years ago (edited)

Dreizehnte Erfindung

Ich male mir aus: eine Weihnachtsfeier. Hohe Erwartungen seitens des Gastgebers, ich nenne ihn Schlöni oder Schönli. Unter den Gästen eine nicht unbedeutende Künstlerin, die nicht möchte, dass sie als Schauspielerin bezeichnet wird, ihr Name sei Heidemarie. Unter den Gästen ein im Kiez bekannter Trinker, angeblich einst unter vielen andern Dingen auch Kampfschwimmer, daher nenne ich ihn Belugus. Ebenfalls unter den Gästen eine Landschaftsarchitektin, Witscha. Weitere Gäste, aber nicht ich. Durch Augenzeugen erfahre ich wenige Tage später vom Eklat.

Beim weihnachtlichen Mahl oder kurz danach, jedenfalls mit angeschickerter Schickeria, hört Belugus nicht mehr auf zu quatschen, will unbedingt auch eigene Lyrik zu Gehör bringen, die Textlein vor allem durch Heidemarie gelesen und geschätzt wissen, und das nervt den Gastgeber zusehends. Schlöni will zwar ebenfalls unbedingt mehr von Heidemarie hören, will dabei aber sie im Mittelpunkt sehen, nichts von Belugus, sondern sie, die er abgöttisch verehrt. Also poltert er Richtung Belugus mit zitternder Zigarette in der Hand und durch den Rauch aller Beteiligten hindurch etwa die folgenden von Bedeutungsschattierungen nur so triefenden Wörter: Jetzt halte endlich mal undsoweiter.

Es gibt für alles ein erstes Mal, aber dies hier war kein erstes Mal. Allzu geübt und geschwind flogen die bösen Worte und Beleidigungen hin und her über den Tisch, allzu gekonnt wurde der weihnachtsfestlich erklärte Rauswurf („Geh zurück in deinen Stall, du Ochse!“) ignoriert, allzu freudig bereit sprangen die Hähne auf und hießen ihre Fäustchen gegen von Bier und Schnaps glasig gewordene Augen und die aufgerissenen Schnäbel fliegen. Belugus verlor den Hut, ohne den er nie gesehen wird. Ich habe es zwar nicht mit eigenen Tunnel-blickigen Lichtern gesehen, aber ganz genau so male ich es mir aus; immerhin kenne ich die beiden. Oder bilde es mir ein. Genau genommen lernte ich sie erst später nach und nach ein wenig, sagen wir: ausreichend, kennen.

Und dann gab es doch noch ein erstes Mal: der sonst so geschmeidig ausweichende und nicht zu fassende Kampfschwimmer Belugus ging zu Boden, während der schwankende Schlöni-Schönli noch stand! Die schöngeistige Heidemarie war längst fassungslos aus dem Festzimmer gegangen, nachdem ihre Aufrufe zur Mäßigung an den viel zu zahlreichen Kohlenwasserstoffmolekülen in den Blutbahnen und rauschenden Ohren ungehört abgeprallt waren. Witscha hingegen vermochte kaum zu fassen, was sie nun zu sehen und zu hören bekam – ich stelle sie mir nur leicht alkoholisiert vor, aber dennoch sollte sie gleich den Schaden davon tragen: Schönlis Fuß – mit oder ohne Hausschuh – nachdrücklich auf der Kehle des auf dem Rücken am Boden liegenden Belugus! Schönlis Schrei: ich bringe dich um!

Witscha springt hinzu, reißt Schlöni zurück, wird von der Verve des eigenen körperlichen Einsatzes und dem trotz seiner aufragenden Größe nur recht leichten Gewicht des Schönli überrascht: beide stürzen, Witscha zuunterst. Wadenbeinbruch, sagt später der Notarzt. Arbeitsausfall, knirscht Witscha. Versicherung, meine Versicherung, knoddert kleinlaut Schlöni. Und gibt schon mal einen baren Vorschuss auf die zu erwartende Summe. Belugus aber geht wie ein Sieger nach Hause, Heidemarie will nie wieder einen Fuß an den Beinahe-Tatort setzen, geschweige denn alle beide, und darüber ist Schlöni am meisten zerknirscht, nahezu völlig zerknirscht. Dass er den Belugus vielleicht getötet hätte, erzählt er mir wenige Tage danach eher mit Stolz als mit Reue, obgleich auch davon ein bisschen mit dabei ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben.

Jahre später will Witscha mir Geld in die Hand drücken, jenes Geld („Meine teuersten Unterhosen“, so Schlöni zu mir, denn solche hatte er von Witscha in weihnachtlicher Verpackung auf dem Gabentisch zu liegen), das sie vorab von Schönli-Schlöni angenommen und bei Erhalt der nach Widerspruch verdoppelten Versicherungssumme nicht zurück erstattet hatte. Dieses Geld soll ich jetzt dem Schlöni überbringen, acht Jahre später, weil Witscha und Schlöni danach zwar noch einige Zeit Kontakt hielten, diesen aber immer schlechter und schlechter. Ich bin nicht dagegen, aber auch nicht dafür, sondern will zuerst mit Schlöni reden, weil ich finde, dass es noch ganz ungeklärt ist, wer hier bei wem in der Schuld stehen mag – und da kommt Vivienne ins Spiel, der ich das alles berichte, um die Lage zu erörtern: denn als ich Witscha mitteile, zuerst mit Schlöni reden zu wollen, will diese mich auf einmal falsch eingeschätzt haben. Das ist zwar gewöhnlich für mich ein Lob, aber so meint Witscha es wohl gar nicht. Oder? Sie scheint es eher sogar rückwirkend zu meinen, sie erzählt meine Geschichte neu, verpasst mir damit plötzlich ein anderes Ich. Oder? Vivienne?

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artwork: unknown (claimed by Schlöni)
photo: ty-ty

Thirteenth invention

I imagine: a Christmas party. High expectations on the part of the host, I call him Schlöni or Schönli. Among the guests a not insignificant artist who does not want to be called an actress, her name be Heidemarie. Among the guests, a well-known drinker in the neighbourhood, allegedly once a combat swimmer among many other things, so I call him Belugus. Also among the guests a landscape architect, Witscha. Other guests, but not me. A few days later, I learn of the scandal from eyewitnesses.

During the Christmas meal or shortly afterwards, at any rate with a swanky chic crowd, Belugus never stops chattering, is desperate to have his own poetry read and appreciated, especially by Heidemarie, and this gets on the host's nerves. Schlöni also wants to hear more from Heidemarie, but he wants her to be the centre of attention, not Belugus, but her, whom he adores. So he rumbles towards Belugus with a trembling cigarette in his hand and through the smoke of all the participants the following words dripping with shades of meaning: Now finally stop and so on.

There is a first time for everything, but this was not a first time. The nasty words and insults flew to and fro across the table with all too much practice and speed, the Christmas-like declared expulsion ("Go back to your stable, you ox!") was ignored with all too much skill, the roosters jumped up with all too much glee and let their little paws fly against eyes glazed over by beer and brandy and against beaks torn open. Belugus lost the hat without which he is never seen. I didn't see it with my own tunnel-visioned lights, but that's exactly how I imagine it; after all, I know them both. Or imagine I do. Strictly speaking, I only got to know them a little bit, shall we say sufficiently, later on.

And then there was a first time after all: the usually so smoothly evasive and elusive combat swimmer Belugus went down while the swaying Schlöni-Schönli was still standing! The beautiful-minded Heidemarie had long since left the banqueting room, stunned, after her appeals for moderation had bounced unheard off the far too numerous hydrocarbon molecules in the bloodstream and rushing ears. Witscha, on the other hand, could hardly believe what she was now about to see and hear - I imagine her only slightly alcoholised, but nevertheless she was about to take the hit: Schönli's foot - with or without slipper - emphatically on the throat of Belugus, who was lying on his back on the floor! Schönli's cry: I'll kill you!

Witscha jumps in, pulls Schlöni back, is surprised by the verve of her own physical effort and Schönli's only rather light weight despite his towering height: both fall, Witscha at the bottom. Broken fibula, says the emergency doctor later. Loss of working days, Witscha grinds. Insurance, my insurance, grumbles Schlöni meekly. And gives a cash advance on the expected sum. Belugus, however, goes home like a winner, Heidemarie never wants to set foot at the near crime scene again, let alone both of them, and Schlöni is most contrite about that, almost completely contrite. That he might have killed the belugus, he tells me a few days later with pride rather than remorse, although there is a little of that too, to give the truth its due.

Years later, Witscha wants to put money in my hand, the money ("My most expensive pants", Schlöni says to me, because he had such from Witscha in Christmas wrapping on the gift table) that she had accepted in advance from Schönli-Schlöni and had not refunded on receipt of the insurance sum doubled after objecting to the first offer. I am now supposed to deliver this money to Schlöni, eight years later, because Witscha and Schlöni kept in contact for some time after that, but it became worse and worse. I'm not against it, but I'm not for it either, but I want to talk to Schlöni first, because I think it's still quite unclear who may be in debt to whom here - and that's where Vivienne comes in, to whom I report all this to discuss the situation: because when I tell Witscha that I want to talk to Schlöni first, she suddenly claims to have misjudged me. That is usually praise for me, but Witscha probably doesn't mean it that way. Does she? She even seems to mean it retroactively, she retells my story, suddenly gives me a different self. Doesn't she? Vivienne? What do you say to that?

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)

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