Buchvorstellung: Werner Schüßler - Jaspers zur Einführung
Werner Schüßler - Jaspers zur Einführung
Werner Schüßler gibt in seinem Büchlein (150 Seiten Text, Kleinformat) eine knappe, aber doch umfassende Darstellung der Philosophie von Karl Jaspers.
Die referierenden Teile (ca. 95% des Inhalts) liefern einen fundierten Ein- und Überblick über die wichtigsten Publikationen von Jaspers. Allerdings ist das Büchlein für philosophische Neulinge oder für die Erst-Begegnung mit Jaspers weniger geeignet, da es keinen entsprechenden didaktischen Anspruch verfolgt. Wer mit Jaspers schon bekannt ist, findet hier aber eine sehr gute Zusammenfassung seiner Philosophie.
Die kritischen Passagen (die ca. 5% des Inhalts ausmachen), in denen Schüßler Jaspers' Philosophie ein wenig zu hinterfragen sucht, halte ich hingegen nicht für gelungen. Sie scheinen mir ihr Ziel zu verfehlen, weil Schüßler Jaspers an entscheidenden Stellen offenbar missverstanden hat. Vielleicht ist aber auch der Wunsch handlungsleitend, eine Brücke zu schlagen zwischen Philosophie und Theologie, zwischen dem konfessionslosen Philosophen Karl Jaspers und dem evangelischen Theologen Paul Tillich (dem Schüßlers Hauptaugenmerk gilt – nicht in diesem Bändchen, sondern überhaupt).
Die referierenden Teile machen eine Lektüre aber lohnend. Allerdings wäre mein Rat, zuvor von Jaspers die "Einführung in die Philosophie" zu lesen.
Wer sich damit schon befasst hat, möchte vielleicht wissen, warum ich die kritischen Passagen Schüßlers für weniger gelungen halte.
Aus mehreren verschossenen Pfeilen Schüßlers in den kritischen Passagen greife ich den heraus, den ich als den bedeutsamsten Fehlschuss ansehe. Doch zuvor hole ich ein wenig aus, um an einem andern Thema beispielhaft zu machen, inwiefern ich Schüßlers Einwand für einen Pfeil gegen die falsche Zielscheibe halte.
Wenn ich mich "der Musik" nähern möchte, muss ich irgendwo beginnen - mit konkreter Musik, mit mehr oder weniger geplanten Schritten. Ich kann mich jemand anvertrauen, dessen Musik oder dessen Hörweise mir entgegenkommt, mich anspricht. Ich kann mich beispielsweise auf den "Mikrokosmos" von Béla Bartók einlassen, kann mich an die Hand genommen glauben von einem Lehrer mit feinem Gehör jenseits bis dahin allgemein etablierter Rhythmik und Harmonik. So betrete ich die Welt "der Musik" auf einem Weg, der nicht zu den ausgetretenen gehört, sondern eher zu den besonderen Pfaden.
Andere Musiker, andere Lehrer führen mich andere Wege, andere Pfade. Sollten sie miteinander ausdiskutieren, welcher der beste sei, und sich dann auf diesen einigen? Oder ist es nicht vielmehr meine eigene Aufgabe, den für mich gangbaren Weg selbst zu finden, vielleicht auch mehrere Wege probierend, gar mehr als einen Weg für längere Zeit beschreitend? Vielleicht erklimme ich gleichzeitig durch die Begegnung mit Beethovens Oeuvre einen anderen Gipfel, halte andere Umschau.
Mit "der Philosophie" verhält es sich ganz ähnlich. Jaspers schlägt einen Weg vor, lehrt einen Pfad, "die Philosophie" zu beschreiten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Da gibt es nichts zu diskutieren: man beschreitet den Weg, oder man lässt es; man wird von Jaspers angesprochen, oder die innere Resonanz bleibt aus.
Schüßler zielt also in die falsche Richtung, wenn er schreibt (S. 69):
"Mit Jaspers' Methode der Philosophie eröffnet sich folgendes grundsätzliche[s] Problem: Die Darlegungen werden dadurch unangreifbar, aber nicht, weil sie so gut begründet wären, sondern weil ein Angriff sie nicht mehr trifft. Denn die Inhalte sind nicht diskutierbar und so gegen jedes gegnerische Argument immunisiert. Das haben Kritiker Jaspers immer wieder zu Recht vorgeworfen."
Hier schimmert durch die Poppersche Wissenschaftslogik, innerhalb derer Lösungsvorschläge diskutiert und deshalb gegen solche Diskutierbarkeit immunisierte Theorien abgelehnt werden. Jaspers unterbreitet aber keine Theorie der Philosophie, er ist erklärter Gegner von Systemen. Was Jaspers anbietet, ist eine philosophische Methode, herkömmliche Gegenstandsbereiche zu transzendieren. Keinesfalls steht damit eine (falsifizierbare oder gegen Falsizifizierbarkeit immune) Theorie des Seins im Raum.
Sondern es steht jedem frei, andere Weisen der philosophischen Existenzerhellung anzubieten. Es steht auch jedem frei, den Weg Jaspers' ergänzen, verbessern, auf neue Art rekonstruieren zu wollen. So wie es auch jenseits von Beethoven und Bartók andere Komponisten gibt, die "ihre Musik" vorlegen und vielleicht Lehrbücher der Instrumental- und Musikaneignung verfassen.
Allerdings kann ich mich "der Musik" nicht auf unmusikalische Weise nähern, ich kann sie nicht durch mechanisches Tun erreichen, nicht durch empfindungsloses Gehör. So ist es auch nicht möglich, "die Philosophie" auf unphilosophischem Wege zu betreten. Verhaftetsein an Gegenständlichkeit ist Kennzeichen von Wissenschaft, hat dort ihren Platz und erfüllt ihren Zweck innerhalb des Fortschreitens dieser Form von Erkenntnis, ist aber taub gegenüber der sokratischen Dimension des Nichtwissens und dem transzendierenden Erdenken von Freiheit.
Produktdetails zu Werner Schüßler "Jaspers zur Einführung":
ISBN: 3885069148
EAN: 9783885069140
'Zur Einführung'.
Junius Verlag GmbH
Oktober 1995 - kartoniert - 167 Seiten
Du liest aber auch immer Sachen... ;-)
Ich glaube, ich sollte mich auch mal an Jaspers heranwagen - sobald ich mich wieder etwas besser konzentrieren kann.
Danke für deine stets ganz schön anspruchsvollen Beiträge... :-))
Jetzt wollte ich deinen Kommentar voten - aber kann ich das noch, nach dem letzten Satz? Können wir für den Moment so tun, als sei der in einem anderen Comment, welchen ich NICHT vote?
Hä? Keine Ahnung - verliere den Überblick, was ich vote, kommentiere, gevotet oder kommentiert wurde, nicht raus ging oder doppelt raus geht... Codes sind seltsam und ich will sie gar nicht verstehen... 😁
Hihi , irgendwie hört sich so´n "Kram" für #Es immer vollverstrickt an ?
Hmm , eher so in die Richtung , ob es für #Es besser gewesen wäre garnix von sowas zu wissen , ich aber durch meine Bildung nicht davon verschont geblieben bin , so ähnlich ... .
Es scheint #Es sinnvoller zu sein die SpinnfÄden , die aus der VergAngEnhEit "einen" fest zu halten versuchen in BegriFfliChkeiTen , abp zu schnibbeln , statt !sie #Sich einmal genauer an zu schauen ??
So ähnlich ... .
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