Das Käppi und der Duppe

in Deutsch Unplugged3 days ago (edited)

Der Mundartbegriff Duppe wird an dieser Stelle mit Doppel-P geschrieben, da die Schreibweise so eher der gesamthessischen Aussprache entspricht. Die kommt ein wenig grober daher als jene im lieblichen, mainhessischen Umfeld Frankfurts, wo das Wort mit blumigem Doppel-B ausgesprochen – um im Sprachmilieu zu bleiben – gebabbelt wird. Bitte nicht im Umkehrschluss gepappelt sprechen! Das wäre falsch. Der Begriff hat zwei Bedeutungen. Farbklecks oder Dachschaden (– psychisch nicht gebäudetechnisch). Dieser Artikel dreht sich nicht um einen Farbklecks. Du kannst einen Duppe auf dem Kleid haben oder im Kopf. Wo er sich befindet, ist kontextabhängig.

En Duppe haste, wann de im Oberstühbsche net mäh alles richtisch sortierd hasd. Zum besseren Verständnis: Einen Knall hast du, wenn in deinem Kopf nicht alles richtig sortiert ist. Narren haben einen Duppe. Da gehört er zum Berufsbild und im Prinzip hat jeder einen, was aber kaum jemanden kümmert. Einer meiner Duppe ist mir jüngst bewusst geworden und deshalb gehört das jetzt auch mal exemplarisch aufgeschrieben. Wenn es auch kaum spürbaren Mehrwert bringt – wie was kommt, ist trotzdem wichtig. Zum Beispiel mein Duppe und seine Bewusstwerdung. Übrigens Duppen – das geht im Plural auf keinen Fall. So sprechen Hochdeutsche, wenn sie sich Gott bewahre, des Hessischen bemächtigen oder umgekehrt.

Angesichts der Kombination ganz normaler, kaum erwähnenswerter Umstände wurde mir klar, dass ich einen richtigen Duppe habe. Hatte, muss ich fast sagen, denn Erkennen ist Beginn der Bewältigung und wie wir schon länger wissen, habe ich nicht nur einen Duppe. Dieser spezielle zeigte sich in strahlendem Sonnenlicht. Hinter einem Monitor öffnet sich vor meinem Arbeitsplatz ein Fenster nach Südsüdwest. Nein, eigentlich entsteht meine Richtung nicht durch das Fenster alleine. Ich schaue wegen leicht konkav geschwungenen Schreibtisch in mehr südlichen Himmel. Das Fenster schaut nach Westen. Ergonomisch ist die Konstellation auf keinen Fall. Sie führte dennoch zur gesunden Erkenntnis, dass ich einen ganz alten Duppe habe, der sich erst jetzt spät im Leben als solcher offenbart. Weil sich meine Gedanken um die Gesundheit des Hibiskus drehten, der neben mir steht.

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Ein freier Platz zwischen Schreibtisch und Fenster ist der einzige Ort im Hause, wo die Pflanze sich im Winter wohlfühlen kann. Hier treibt sie neue Blätter, wirft die vom Sommer ab und schickt sich sogar zur Blüte an. Die sie wieder abwirft, weil niemand aufpasst. All das macht ordentlich Sauerei, ist aber grundschön anzuschauen. Ja, rote Hibiskusblüten im Januar. Im Sommer steht er draußen und blüht auch. Die Blendung ist während der Sonnenstunden nicht einfach mit dem Rollladenvollschluss zu unterbinden, wie im Sommer. So beginnt sie am frühen Nachmittag und hält ca. 2 Stunden an. Die Pflanze lebt in einem Topf. Das ist schon Stress genug. Da gebe ich keine Vollbeschattung. Jeder Folterknecht ist einer zu viel. Daher stets im Reflex, hob ich Old Schattenhand über die Augenpartie. Tag für Tag Indianer im Fernblickmodus. So schaute ich auf einen besser lesbaren Monitor.

Kamen Tastatureingaben hinzu, führte das neben notwendigen Mausbewegungen zu einhändigem Krampf, während Old Schattenhand ermüdete. Ergonomie sieht anders aus. Ich kam mir vor wie eine Unke nach Schlaganfall. Derart behindert, habe ich immer wieder über Abhilfe nachgedacht. Als Frosch bist du nicht ausgeliefert. Pappendeckel, Eingraben bis die Sonne weg ist, Monitor verrücken, Tisch umstellen, kopfsenkend nach oben schielen und was weiß ich noch für idiotische Unmöglichkeiten fielen mir ein. Zum Glück erschien nichts davon attraktiv genug, bis plötzlich alberne Kappen auf dem Kopf meines Enkels vor einem der inneren Augen erschienen. Die einfachste Lösung! Sie brauchte eine Weile, bis sie aus der Schublade des meistgehassten Utensils nach der Herrenhandtasche in den strahlenden Bann meines Wollens gelangte. Ja, ich war ein Baseballkappenhasser. Es ist nicht mehr zu verheimlichen.

Daheim hat der Bub ein richtiges Schildkappenmuseum. Bestimmt so 50 Stück. Vom Kuratieren einer Sammlung ist er jedoch noch weit entfernt und deshalb mussten hier doch irgendwo so Dinger herum fliegen. Dem war aber nicht so. Weder in den Garderoben noch in seinen Kleiderdepots habe ich so eine Mütze gefunden. Doch nur, weil ich keinen blassen Dunst von der wandelbaren Morphologie dieses Dings hatte. Halbkugel mit Schild. So war ich programmiert. Schild hinten, Schild links oder Schild rechts macht immer nur Halbkugel mit Schild. Mehr Wandlungsfähigkeit traute ich der Mütze tatsächlich nicht zu. Dass Mützen in Form vom Stahlhelm über Klappzylinder bis hin zur Kippa in der Welt herum fliegen, kam mir beim Suchen nicht in den Sinn. Ich war voll auf Halbkugel mit Schild. Erst nach Befragen der lieben Frau, die meinte, ich solle gefälligst selbst suchen, anstatt sie für meine Schrullen zu mobilisieren, schaute ich gründlicher in seine Klamottendepos. Da ward sie gefunden! Ein praktisches, kleines, weißes Ding, das zusammengeklappt ganz flach im Stapel weißer Enkelunterhosen ruhte. Praktisch wie eine Unterhose.

Nie mochte ich die Dinger. Sie waren mir ein Gräuel und ihre Träger habe ich gerne ein wenig unernster genommen, als ernst zu nehmende Menschen. Ausgerechnet ich wünschte mir so eine Kappe herbei. Es war nicht leicht zu akzeptieren: Das war ein Duppe. Der Widerspruch kam mir beim Tragen der Kappe ganz von selbst. Die hatte damit ganz sicher nichts zu tun. Es war ein Gedanke, der nicht mehr verschwindet. Einer, an dem ich nagte. Als mir ein zutiefst verachtetes Utensil plötzlich nützlich wurde und ich mich fragte: Wie blöd kann man eigentlich sein?

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Es ist ein Klassiker des Sports. Ins Unsportliche haben es die GIs während der Freizeit getragen. Die Zahl der Kappenträger blieb lange Zeit überschaulich. Dann tauchten die Mützen massiv in einer Jugendgeneration der Achziger auf und sind seitdem nie wieder verschwunden. Vielleicht lag es an Boris Becker. Steffi Graf hatte eine auf und Agassi sogar in der Freizeit, weil er keine Frisur hatte. War das vielleicht die Generation, die mich grundsätzlich nicht mehr duzte? Bedeutete das eine Zäsur für mich? Eine, die ich über den Umweg militanten Kappenhassens ihren Trägern heimzahlte? Alles Spekulieren um einen Duppe herum lohnt nicht. Ich hake ihn ab. Denn es gibt die dümmsten Duppe und laufen tun sie um die wundersamsten Ecken unseres Unterbewusstseins, bevor sie sich in einer Falte des Herzens einnisten. Der Duppe ist jedenfalls weg.

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 2 days ago 

dupp, didupp... hehe wunderbar, noch bevor Du die Sichtproblem-Lösung geschrieben hast, bzw. ich sie gelesen hatte, schoß mir durch den mit einigen Duppe ausgestattenten Kopf, man soll er doch eine Baseballkapp nehmen so wie der Don !

Denn der hat Tag ein Tag aus das selbe Problem egal in welchem Büro oder welchem Raum des Domizils, von spätestens 9:00 Uhr an bis mindestens 18:00 im Winter und im Sommer sogar bis gut 20:30 scheint in irgend eine der Fenster oder Terrassenfronten die Sonne herein genau in Richtung der Monitore.
Und weil der Don die Sonnebrille im Büro irgendwie doch affig findet war die Mütze das einzge Mittel das Abhilfe schaffte.

Deinen Hibiskus musst du mal zurückstutzen und zwar ordentlich der wächst und blüht viel besser wenn du den mindestens um 50 Zentimeter zurückschneidest.
Hier bei mir blühen die Dinger das ganze Jahr über, na ist ja auch ebbes wärmer.

 2 days ago 

Danke fürs Lesen und deinen bemützten Käppikommentar, lieber Don. Die Mütze gehört nicht mir, wie auch der Hibiskus. Würde ich mich dem mit einer Gartenschere nähern, bekäme ich es mit meiner Frau zu tun in einer Weise, die in Anbetracht eines auskömmlichen Lebens stets zu vermeiden ist. Den Hibiskus hat sie vom Müll gezogen und zwar schon lange bevor ich in ihr Leben trat. Daran habe ich nichts zu schnippeln. Dankenswerterweise werde ihr aber berichten, dass mir jemand einen Hinweis zur Pflege der Pflanze gegeben hat. Keine Angst, ich sage nicht von wem. Außerdem weiß ich, was bei dir alles nicht blüht. Na ja, ist eh zu warm.

 2 days ago (edited)

Danke fürs Lesen und deinen bemützten Käppikommentar, lieber Don.

Bitte, gerne ;)

Würde ich mich dem mit einer Gartenschere nähern, bekäme ich es mit meiner Frau zu tun in einer Weise, die in Anbetracht eines auskömmlichen Lebens stets zu vermeiden ist.

oh, ja, Ärger mit der Liebsten das ist absolut zu vermeiden.

Den Hibiskus hat sie vom Müll gezogen und zwar schon lange bevor ich in ihr Leben trat.

ok, dann ist er ja schon ein wenig älter, wäre ein Erklärungsversuch für das etwas verrupfte Aussehen, obwohl er sich ja mit der Schere in den Dekaden hätte richten lassen sollen, er ist einfach zu hoch für eure Breitengrade, bei uns würde das nix ausmachen.

Keine Angst, ich sage nicht von wem

och das ist mir schnurz piep egal.

Außerdem weiß ich, was bei dir alles nicht blüht. Na ja, ist eh zu warm.

Na, hier blüht alles, von der Rose bis zum Drogenhandel und der Tourismusbranche, und warm ist es nur in der direkten Sonne, ansonsten ist es das perfekte Kontrastprogramm zur Arktis nur nicht ganz so heftige Abweichungen täglich wie in der gegenüber liegenden Sahara, eben kuschelig warm.

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 2 days ago (edited)

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