[German] Ein Monat Zensurgesetz in Deutschland - Eine Zwischenbilanz

Am 30. Juni, also am letzten Tag der vergangenen Legislaturperiode, wurde das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken kurz NetzDG im deutschen Bundestag verabschiedet. Das geschah kurz nachdem die Ehe für alle beschlossen wurde und sich der Bundestag taumelnd vor Jubel selbst beglückwünscht hat. Aus diesem Grund waren auch nur 40 von insgesamt 630 Abgeordneten bei der Abstimmung anwesend. Das ganze Schauspiel kann man sich hier ansehen:

Das NetzDG verpflichtet Betreiber von sozialen Netzwerken mit mehr als 2 Mio. Benutzern eindeutig strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Ist eine Prüfung der Strafbarkeit notwendig gewährt das Gesetz eine Frist von 7 Tagen. Bei einer Zuwiderhandlung ist eine Geldstrafe je nach Größe des sozialen Netzwerks und Schwere des Vergehens in einer Höhe von 500.000 bis zu 40 Mio. Euro fällig. Bei wiederkehrenden Verstößen kann die Strafe sogar bis zu 50 Millionen Euro betragen.

Doch wie kam es überhaupt zum Gesetz bzw. zum Gesetzentwurf?

Zuvor wurde von Justizminister Heiko Maas die Taskforce “Gegen Hasskriminalität” gegründet. Neben Facebook, Twitter und Google (Youtube) waren auch “eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.”, die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), jugendschutz.net, klicksafe.de, die Amadeu-Antonio-Stiftung (Netz gegen Nazis, Belltower News) sowie der Verein “Gesicht zeigen!” beteiligt.

Ganz besonders herausstellen möchte ich hier die Amadeu Antonio Stiftung. Die AA-Stiftung ist ohne jeden Zweifel eine links-ideologisch motivierte Stiftung, die von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wird.
Sie hat eine Broschüre “Hetze gegen Flüchtlinge” herausgegeben, die ordentlich Kritik geerntet hat. So ist es laut der AA-Stiftung Hatespeech, wenn man sich auf seine Meinungsfreiheit beruft oder der Presse misstraut. Das Problem ist also die Vermengung vom undefinierten Begriff Hatespeech mit strafrechtlich relevanten Inhalten. Außerdem betreibt die AA-Stiftung eine Plattform namens Belltower News auf der Personen mit konservativeren Ansichten regelmäßig als Rechtsradikale oder Nazis verunglimpft werden.

Bei der Vorstellung der Zwischenergebnisse der Taskforce wurde berichtet, dass von 622 gemeldeten Inhalten der Großteil tatsächlich gelöscht wurde, wenn auch einige Zeit zwischen der Meldung des Inhaltes und der Löschung lag. Warum war dann also das NetzDG überhaupt noch nötig?

Den Verfassern des Gesetzes muss klar gewesen sein, dass Betreiber von sozialen Netzwerken maximal kosteneffektiv vorgehen werden, um den neuen Bestimmungen gerecht zu werden. Meine zugegebenermaßen gewagte These ist also, dass Overblocking nicht nur in Kauf genommen wird, sondern dass es gewünscht ist, um unliebsame Meinungen zu unterdrücken.

Wo hat das NetzDG bisher Anwendung gefunden?

Der prominenteste Fall ist wohl das Sperren des Twitter Accounts des Satiremagazins “Titanic” für diesen Tweet:

Viele fanden es lustig, weil es sich ja offensichtlich um Satire gehandelt hat, aber sie verkennen gleichzeitig, dass “Titanic” den Account nur wiederbekommen hat, weil sie in der Presselandschaft eine Institution darstellen. Wenn ein “normaler Nutzer” einen satirischen Tweet gepostet hätte und dessen Account daraufhin gesperrt worden wäre, hätte er seinen Account sicher nicht wiederbekommen, da es keinerlei Clearingstellen gibt, bei denen man gegen fälschlich identifizierte Inhalte vorgehen könnte.


Der Tweet von “Titanic” berief sich auf einen Tweet von Beatrix von Storch:

Dieser Tweet erfüllt möglicherweise tatsächlich den Tatbestand der Volksverhetzung. Da in diesem Fall Anzeige gegen Storch erhoben wurde, werden wir auch irgendwann wissen wie ein Richter das bewertet. Ich bin kein Rechtsexperte, aber ich gehe davon aus, dass es darauf ankommt, ob die Aussage für sich steht, oder ob darin Bezug auf die Silvesternacht in Köln genommen wird, wodurch dann nicht mehr alle Muslime gemeint wären sondern nur die Täter dieser Nacht. Es ist auf jeden Fall nicht so eindeutig wie es auf den ersten Blick scheint, da das Recht einem einen großen Spielraum für harsche Kritik einräumt.


Anders verhält es sich bei dem Tweet eines weiteren AfD Politikers: Jens Maier

Hier hat sich Herr Meier eindeutig herabwürdigend in einer Art und Weise gegenüber Noah Becker geäußert, die nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Aber hat es wirklich das NetzDG gebraucht, das Twitter diesen Post löscht?

Der Tweet eines weiteren Nutzers wurde wegen Kritik an der BILD-Zeitung (“17-jähriger Syrer hat Beziehung mit 14-jährigem Mädchen: BILD rastet tagelang aus”)
gelöscht.

Interessanterweise wurde auch dieser alte Tweet von Heiko Maas gelöscht:

Overblocking

Wir können also sehen, dass Overblocking tatsächlich stattfindet und bei weitem nicht alle Inhalte, die gelöscht werden zweifelsfrei widerrechtlich sind. Innerhalb von 8 Sekunden, die den Löschteams pro Post eingeräumt werden, kann ein noch so geschulter Mitarbeiter wohl auch kaum so eine Entscheidung treffen. Twitter Youtube und Co löschen dabei nicht nur die betroffenen Inhalte, sondern sperren auch oft gleich den Account, obwohl das im NetzDG so nicht vorgesehen ist. Scheinbar wollen sie damit vermeiden, dass sie sich in Zukunft noch einmal mit dem Nutzer auseinandersetzen und dessen Inhalte bewerten müssen.

Werden alle problematischen Inhalte gelöscht?

Nein. Aber das war auch nicht zu erwarten. Ich habe auf Twitter gezielt nach fremdenfeindlichen, sexistischen, rassistischen und deutschenfeindlichen Inhalten gesucht, die möglicherweise strafrechtlich relevant sind. Dabei fiel mir auf, dass deutschenfeindliche Inhalte nicht so hoch auf der Blockliste zu stehen scheinen.

Ausblick

Die Meinung der Presse zum NetzDG ist bis auf wenige Ausnahmen zum Glück eher ablehnend und es ist wohl das seit langem unpopulärste Gesetz, das in Deutschland erlassen wurde. Es besteht die Hoffnung, dass es bei den Koalitionsverhandlungen entschärft wird, oder dass es durch das Bundesverfassungsgericht gekippt wird. Wir können froh sein, dass es SteemIt gibt, wo eine Zensur nicht stattfinden kann. Bitte schreibt einen Kommentar, wenn euch weitere Fälle bekannt sind, indem das NetzDG Anwendung fand, oder wenn Ihr selbst betroffen seid.

Quellen:

Bild: Twitter sperrt harmlose Kritik an BILD https://archive.fo/90ruB

rbb - Wann Facebook Kommentare löscht und wann nicht http://www.freezepage.com/1517118054GGNFMASCOW

Netzpolitik.org Taskforce Zwischenbilanz
https://netzpolitik.org/2016/justizministerium-praesentiert-zwischenerfolge-der-hate-speech-taskforce/

BMJV Task Force Zwischenergebnisse
https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2015/12152015_ErgebnisrundeTaskForce.html

AA-Stiftung Broschüre:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/hetze-gegen-fluechtlinge.pdf

Tichy’s Einblick - Viel Petze und viel Hass
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/agente-provocatrice/netzdg-viel-petze-und-viel-hass/
http://www.freezepage.com/1517118668ESHEQMRBQV

Belltower News: Afd Twittert das Ende der Meinungsfreiheit
http://www.freezepage.com/1517119043GNNKYYFRYN

Beck Community: Bundesverfassungsgericht wird das NetzDG kippen
https://community.beck.de/2017/04/27/das-bundesverfassungsgericht-wird-das-netzwerkdurchsetzungsgesetz-kippen

Basic Thinking: NetzDG: So viel Geld müssen Facebook und Co. für Verstöße zahlen
https://www.basicthinking.de/blog/2017/10/23/netzdg-strafen/