Boxenstopp: Pedram Shahyar über die Geschichte der globalen Proteste
Erstveröffentlichung: 11.07.2017
Die Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg haben das Land erschüttert. Die Bilder von blinder Wut, Plünderungen, Vandalismus und Gewalt, der Gewalt wegen, gingen auch international durch die Presse und haben dem Image der Hansestadt und dem Bild des aufgeräumten Deutschlands schwer geschadet.
http://www.telegraph.co.uk/news/2017/...
Verband man Deutschland unlängst noch mit dem Begriff "Willkommens-Kultur", wird es aktuell eher im Zusammenhang mit Krawallen und Schwarzer Block gegoogelt.
Speziell über den sogenannten Schwarzen Block wird in diesen Tagen viel geschrieben, ohne dass dem Otto Normalbürger erklärt würde, was es mit dieser sehr aggressiven Form der Demonstration auf sich hat.
Pedram Shahyar ist Soziologe und Bewegungsforscher und hat sich über Jahre mit sozialen Bewegungen jeglicher Couleur befasst. Er war oft Beobachter an sozialen Hotspots.
Im Gespräch mit KenFM erklärt er die lange Geschichte sozialer Proteste und weist in diesem Zusammenhang auf ein Land hin, in dem gewalttätige Ausschreitungen gegen den Staat, Schwarze Blöcke bei Demonstrationen und die Bereitschaft, dem vorherrschenden Wirtschaftssystem auch mit roher Gewalt entgegenzutreten, eine lange Tradition hatten. Die USA.
https://www.washingtonpost.com/news/m...
Der globale Kampf gegen den Neoliberalismus hatte lange sein Epizentrum in Seattle und später in New York. Seinerzeit gab es eine breite Allianz aus Gewerkschaften, Linken, Konservativen, Kleinunternehmern und Verbänden gegen den Kurs des Raubtier-Kapitalismus, der vor allem von Wall-Street-Profiten getrieben wurde und wird.
Dieses Bündnis wurde spätestens mit dem 11. September 2001 zerschlagen. Die USA hatten über Nacht einen neuen Feind und der kam offiziell aus dem Ausland.
Wer nach den Anschlägen von New York weiter gegen die amerikanischen Global Player mobilmachen wollte, wird von der Konzernpresse seitdem als Verräter und Anti-Patriot dargestellt.
Wohin mit der Wut? Sie schwappt rund um den Globus, ähnlich wie das FIAT-Money keine Grenzen kennt. Auch Europa geriet so immer stärker in den Fokus. Wer heute Hamburg als Überraschung empfindet, kann sich wohl nicht mehr an die Occupy Wall Street-Proteste erinnern.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft...
Die Exzesse in der Hansestadt haben eine lange Geschichte. Es wird Zeit, dass diese Geschichte des sozialen Widerstands, auch mit roher Gewalt, in die Allgemeinbildung eingeht und verstanden wird. Nur wer seine brutale Vergangenheit kennt, kann die Zukunft friedlicher gestalten.
Hamburg ist Teil eines globalen Prozesses. Es geht um Macht, Machtverlust und den Preis, den dieser Kampf "Reich gegen Arm" kostet. Es geht darum, neue Methoden der politischen Auseinandersetzung zu erarbeiten. Auch hier haben wir es mit einem gesellschaftlichen Prozess zu tun. Die Medienrevolution beschleunigt, was wir global wissen, aber sie macht es umso schwerer, diese Informationsflut auch lokal in ein neues Verhalten umzusetzen. Lernen benötigt Zeit.
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