RE: Raubtierkapitalist vs. Sozialist, im Gespräch mit Rainer Zitelmann
Ein schönes Interview, ohne Zweifel. Doch stellt sich mir die Frage, von welchem Kapitalismus er denn spricht?
Ich mag eigentlich dieses Wort „Kapitalismus“ nicht, denn es ist aus einem Schmähwort entstanden. Ich spreche in diesem Sinne von einem "freien Markt“. Doch ist es eine Frechheit von einem freien Markt zu sprechen, der nicht frei ist. Er ist von Interventionen in allen Bereichen durchzogen.
Stellen Dir vor, Du lebst in einem System, in dem Du zum Autokauf verpflichtet bist. Allerdings bestimmt einseitig der Verkäufer Modell, Ausstattung, Motorisierung und sogar den Preis! Du als Käufer musst seine Wahl in jedem Fall akzeptieren. Abwegig?
Ersetze einfach die Worte «Verkäufer» durch «Regierung» und «Käufer» durch «Staatsbürger», und Du wirst merken, dass Du genau in einem solchen System befindest.
Als steuerzahlender Staatsbürger musst Du mitunter Subventionen für unwirtschaftliche Technologien mitfinanzieren, staatliche Fernsehsender, Lehrstühle für Gender-Studien und Theologie und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch militärische Auslandeinsätze, selbst wenn Du all dies ablehnst. Du wirst weiter gezwungen, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen zu vorgegebenen Konditionen abzuschliessen, egal, ob Du damit einverstanden bist oder nicht. Du darfst keine Glühbirnen, leistungsstarken Staubsauger, Plastiktüten oder Zigaretten ohne Warnhinweise erwerben. Mit anderen Worten: Du bist kein Kunde, sondern Untertan.
Ein solches System kann nie einen freien Markt etablieren, in welchem ausschließlich das freie Vertragsrecht Gültigkeit hat. Solange man am Konstrukt Staat festhält, wird es immer eine Form des Sozialismus geben. Ein freier Markt braucht freie Menschen.
Worin leben wir: In einem Kreditismus und Konsumismus, also in einer Form der Gedankenwelt des Frühsozialismus. Wer sich mit den Ideen eines "Claude-Henri de Rouvroy, Comte de - Graf von - Saint-Simon beschäftigt hat, oder mit den Wirkungsweisen der Geldgeschäfte Crédit mobilier und den Brüder Émile Péreire und Isaac Péreire, wird schnell feststellen, dass wir in keinem Fall von „Kapitalismus - freier Markt“ sprechen können.
Aber nun gut, wer kennt schon Saint Simon oder Péreire.
Ich benutze ich auch gerne das Wort Kapitalismus, weil das Wort einfach negativ besetzt ist. Damit kann man die Leute schön provozieren und vielleicht schaut dann der eine oder andere genauer hin. So hat Roland Baader das auch gesehen. Klar, sollte man seine Strategie je nach Gegenüber auch mal abwandeln ;-)
Hallo amigo zeitgedanken!
Interessant, was du hier mitteilst, deine Kritik ist durchaus nachvollziehbar. Aber ich bin der Ansicht, jedes wirtschaftlisches und politisches System ist kritisierbar, d.h. es ist immer möglich, praktisch alles zu kritisieren, im Sinne Schwachpunkte herauszufinden. Meine ich etwa, wir sollen nicht kritisieren? Ganz und gar nicht! Aber für mich macht eine Kritik Sinn erst, wenn zugleich Alternativen besprochen werden. Und genau diese vermisse ich bei deinem Beitrag.
Was meine ich mit Alternativen?
Hier können wir die Denkmethode der Dialektik zur Hilfe einbeziehen, und die bekanntlich auf drei Säulen fußt: These, Antithese und Synthese. Ich stelle fest, dass du bei deiner These geblieben bist. Eine Diskussion der Alternative(n) wird erst bei dem Schritten "Antithese" und "Synthese".
Gruß.
@homofaber