Mercosur! Schon wieder hinter verschlossenen Türen!

in #deutsch7 years ago (edited)

Ihr habt noch nie von Mercosur gehört? Ehrlich gesagt, ich bisher auch nicht. Nicht einmal den Begriff, von Einzelheiten gar nicht zu reden. Und das ist kein Zufall! Vor allem, was die Einzelheiten angeht ist es offenbar so gewollt.

Aber der Reihe nach: Überblick


Mercosur ist der Gemeinsame Markt Südamerikas (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay). So wie die EU der gemeinsame der meisten europäischen Länder ist.

Zwischen diesen beiden Märkten steht der Abschluss eines Freihandelsabkommens kurz bevor. Uah! Freihandelsabkommen! Da war doch was, TTIP: USA-EU, CETA: Kanada-EU, JEFTA: Japan-EU? Ja ja, genau, um so etwas geht es hier auch.
Das Freihandelsabkommen mit Südamerika hat allerdings nicht so eine tolle Kurzform, das heißt tatsächlich so wie der südamerikanische gemeinsame Markt: Mercosur.

Also, Mercosur, Freihandelsabkommen, kurz vor dem Abschluss. Verantwortlich auf „unserer Seite“ ist die EU-Kommission.

Kurz zur Klarstellung
Die EU-Kommission ist die Exekutive der Europäischen Union. - Exekutive der EU? ???

OK. Die Exekutive Deutschlands ist die Bundesregierung. Die Chefin der Regierung ist die Kanzlerin (z. Zt. Frau Merkel). Die anderen Mitglieder der Bundesregierung sind die Minister.
Die Exekutive der EU ist die Europäische Kommission, heißt zwar nicht Regierung, ist aber eine. Einen Chef der Kommission gibt es natürlich auch, der ist aber nicht Kanzler, sondern Präsident (z. Zt. Herr Juncker). Auch die Minister heißen nicht Minister, sondern Kommissare.

Zuständig für die Mercosur-Verhandlungen ist die Kommissarin für Handel, eine Schwedin, die Cecilia Malmström heißt. Aber so ganz im verhandlungsfreien Raum bewegt sie sich ja nicht. Genauso verantwortlich für das Verhandlungsergebnis ist natürlich auch ihr Chef, ein Luxemburger. Ein Grund für mich ihn ebenfalls abzubilden.

Eine der ganz wichtigen Aufgaben von Frau Malmström ist die
Verfolgung einer ehrgeizigen Handelsagenda zum Nutzen der europäischen Bürger, der kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen und der Wirtschaft im weiteren Sinne. Das steht fast genauso auf einer Webseite der EU.(1)(2)

Was kann von Mercosur erwartet werden?


Die EU-Kommission selbst hat eine Studie zum Thema "Potenzielles Freihandelsabkommen EU-Mercosur: Folgenabschätzung" veröffentlicht. Hier ein kurzes, aber wesentliches Zitat, die Übersetzung aus dem Englischen und die Hervorhebungen sind von mir:

"Die Simulationsergebnisse zeigen, dass die wirtschaftlichen Verluste und der Anpassungsdruck, die sich aus einem bilateralen Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern ergeben, sich für die EU sehr stark auf den Agrarsektor auswirken würden. Die Gewinne für andere Sektoren wären weit gestreut und würden angesichts der sehr geringen Größenordnung dieser Gewinne im Verhältnis zur EU-Wirtschaft insgesamt leicht absorbiert, ohne dass eine Anpassungsbelastung entsteht. Die gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsänderungen für die EU wären gering. ... Das Mercosur-Abkommen hat einen viel größeren Einfluss auf die Landwirtschaft in der EU, während die zusätzlichen Gewinne an anderer Stelle (im Nicht-Lebensmittelsektor oder bei den Verbrauchern in der EU) relativ gering sind. "(3)

Zusammengefasst und ein ganz kleines Bisschen überspitzt heißt das wohl:

Mercosur: Die Bauern werden quietschen und für alle anderen ist es eigentlich egal.




Na, wenn das keine robuste Aufforderung ist, die Mercosur-Verhandlungen mit Ehrgeiz und Hochdruck zum Abschluss zu bringen („Zum Nutzen der europäischen Bürger … „), dann weiß ich auch nicht …

Ach ja, soweit ich weiß, wird bei den Mercosur-Verhandlungen Transparenz mal wieder ganz, ganz klein geschrieben. Das oben erwähnte „der Abschluss der Verhandlungen steht kurz bevor“ meint: Die Verhandlungen laufen schon seit Jahren hinter verschlossenen Türen. Erstaunlich, dass überhaupt ein paar Details nach außen gedrungen sind (weil sie geleakt wurden). Finde ich aber OK. Am Ende quatschen wir doch nur dumm herum. Außerdem, ist ja sowieso alles zu unserem Nutzen …

… oder zum Ausbaden? Stichwort "Investitionsschutz".

Obwohl jetzt alles sehr schnell gehen soll, ist der Abschluss noch nicht erfolgt. Der Versuch einer demokratischen Einflussnahme ist noch möglich. Dazu haben Campact und Foodwatch Kampagnen gestartet, an denen man sich noch beteiligen kann.

Campact richtet den Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
https://aktion.campact.de/mercosur/appell/teilnehmen

Foodwatch richtet den Appell an die Handels-Kommissarin Frau Cecilia Malmström
https://www.foodwatch.org/de/informieren/freihandelsabkommen/mercosur-das-neue-ttip-stoppen/#signerBottom



OK, Schluss für heute. Investitionsschutz, einige Details, Wieso und Warum kommen dann in einem meiner nächsten Artikel.



Quellen:
Bilder: pixabay.com, Google( Suchmodus lizenzfrei , auch für kommerzielle Zwecke)
(1) https://www.ifm-bonn.org/definitionen/kmu-definition-der-eu-kommission/
(2) https://ec.europa.eu/commission/commissioners/2014-2019/malmstrom_en
(3) http://ipts.jrc.ec.europa.eu/publications/pub.cfm?id=4819

Sort:  

Der Freihandel ist eigentlich der Urzustand, dazu braucht es kein Abkommen. Die Freihandelsabkommen sind leider nur dazu da die Großkonzerne noch größer und reicher zu machen und die kleinen Betriebe zu zerstören. Investitionsschutz ist dabei die größte Sauerei. Geht eine Firma in ein unterentwickeltes Land, hat sie zwar billige Arbeitskräfte, dafür aber schlechte Infrastruktur und das Risiko ihre Investition zu verlieren, wenn wieder mal eine Revolution ausbricht. Aber gerade dieses Risiko schafft einen fairen Wettbewerb zwischen den "teuren" Arbeitskräften im eigenen Land und den "billigen" Arbeitskräften im ärmeren Land. Durch den Investitionsschutz wird ihnen dieses Risiko abgenommen. Der Arbeiter im eigenen Land verliert seinen Arbeitsplatz und fällt dem Steuerzahler zur Last und der Großkonzern fährt die dicken Gewinne ein und sein Risiko wird durch den Steuerzahler getragen. Das hat mit Kapitalismus nichts zu tun. Kapitalismus heißt, wer Gewinne einfahren will, muss Risiken eingehen und seine Verluste selbst tragen. Was wir hier sehen ist Korporatismus und genau so abzulehnen, wie Sozialismus, Kommunismus und Faschismus.

Voll einverstanden,

und gleichzeitig wird durch den Investitionsschutz der Primat der Interessen der Großkonzerne gegenüber der nationalen Gesetzgebung faktisch festgeschrieben.

ohje, sehr interessant. Resteem

Südamerikanischer Agrarsektor klingt für mich eher nach indirekter Finanzerung unser Chemie und Pharmakonzerne. Mehr Abnahme von dem Agrar kram heißt indirekt mehr Abnahme der ganzen Gifte die bei uns keine Zulassung haben.

Das ganze ist eine Hydra, man schlägt ihr hier in Deutschland vielleicht die Köpfe ab, schränkt unsere Bauern für unser Gewissen ein aber dann werden sie so gleich mit der Öffnung der Märkte bestraft. Das schlimme ist dass es keine Alternative gibt. Es gibt nur Lügen und noch mehr Lügen die dann AfD oder die Linke oder Blockchain basierte Freiheit heißen.

Lügen, ja, auch die.

Viel schlimmer finde ich aber, dass diese Freihandelsabkommen eigentlich viel mehr sind, viel gefährlicher sind als die Bezeichnung suggeriert.

Ich werde mich noch ausführlich darüber auslassen.

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