Wie geht es Ihnen Heute?

in #deutsch5 years ago

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Seit einigen Jahren fällt mir eine zunehmende "Traumatherapisierung" des öffentlichen Raumes und der öffentlichen Diskussion auf.

Das heißt: es gibt Verhaltensregeln, die innerhalb eines traumatherapeutischen Prozesses durchaus sinnvoll und gut sind, aber eben nur da.

Es ist zum Beispiel sehr sinnvoll, während einer Traumatherapie Situationen und Reize zu identifizieren, die den Betroffenen erneut traumatisieren würden, weil er noch nicht gelernt hat, diesen aktiv und eigenmächtig zu begegnen und sie so zu gestalten, dass sie ihn nicht erneut in einen Zustand der Ohnmacht und Angst versetzen. Ziel ist hier das Wiedererlangen der Eigenmacht.

Dafür ist es auch notwendig, sehr sensibel wahrzunehmen, welche Reize welche Reaktionen in ihm auslösen. Eine intensive Nabelschau ist hier also ein notwendiger Bestandteil des Heilungsprozesses, denn ständige Retraumatisierungen behindern eine Verarbeitung der traumatisierenden Situation und damit auch eine Linderung der Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Es kann auch sinnvoll sein, eine Zeit lang die subjektiven Wahrnehmungen von anderen Menschen oder von Situationen ohne Kritik ernst zu nehmen, weil das helfen kann, neue, konstruktivere Reaktionen und Verhaltensmuster zu erlernen und zu üben, und weil eine akute PTBS auch die Fähigkeit, überhaupt eine distanzierte kognitive Metaebene zu erreichen, sehr einschränken kann und der Betroffene zunächst eine Orientierung braucht, die ihm diese Fähigkeit nicht abverlangt.

"Es fühlt sich so an, also ist es auch so" kann also für eine Weile den Heilungsprozess fördern.

Wenn aber das Leben auf dem Campus, das Lehren an der Universität und zunehmend die öffentliche Diskussion insgesamt durch Triggerwarnungen, Safe Spaces und eine wildgewordene Political Correctness bestimmt werden, wenn das "Es fühlt sich so an, also ist es auch so" zur einer den empirisch gestützten Theorien gleichgestellten oder diesen sogar überlegenen Realität erklärt wird, werden diese Bereiche gleichsam pathologisiert.

Wenn Menschen ganz grundsätzlich von der Gesellschaft einfordern, vor bestimmten Reizen geschützt zu werden und davon ausgehen, dass diese Forderung für die Gesellschaft allgemein notwendig sei, dann erklären sie die Gesellschaft für psychisch instabil und jeden, der Wert darauf legt, zum Opfer, das es zu schützen gilt.

Dieser Schutz erfordert jedoch die radikale Zensur des öffentlichen Diskurses und die Tabuisierung aller Themen, Ansichten und Daten, die irgendjemand "nicht aushalten" kann.

Ist unsere Gesellschaft wirklich so labil, dass diese Radikalkur notwendig ist? Die Nebenwirkungen einer solchen "Therapie" kennen wir doch!

Foto: PXHERE pxhere.com/de/photo/1165925

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