Buchprojekt: "Mit Aufwind aus der Angst" - Kapitel 1

in #deutsch4 years ago

Nach dem "Warum dieses Buch" kommt nun der Körper. Was passiert auf der körperlichen Ebene, wenn wir in Angst geraten. Darum soll es im ersten Kapitel gehen:

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Ja, wir sollten beim Gleitschirmfliegen bis nach der Landung handlungsfähig sein. Ja, die Angst kann dazu führen, dass wir uns hilflos fühlen und sie uns lähmt. Angst kann äußerst unangenehm sein. Wenn sich die Kehle zuschnürt, wenn das Herz bis zum Hals schlägt, wenn die Knie zittern und der Schweiß auf die Stirn tritt. Die Situation an sich ist oft schon bedrohlich genug, jetzt spielt auch noch der Körper verrückt. Viele entwickeln dadurch neben der Angst vor bestimmten Situationen noch eine zweite Angst, die Angst was mit dem Körper geschieht und das dies nicht kontrollierbar sei.
Die Botschaft hinter der angstauslösenden Situation ist, wie ein Warnschild. Das Vorfahrtachten-Schild an der Straße warnt uns vor dem Einfahren in eine größere Straße „Achtung! - Hier könnte von Links ein anderer Verkehrsteilnehmer kommen“. Die Angst warnt uns vor einer möglicherweise lebensbedrohlichen Situation und möchte uns schützen. Die Angst vor den körperlichen Reaktionen hat eine andere Botschaft, die nur schwer zu durchblicken ist. Vielleicht ist es hilfreich, wenn wir uns zunächst ansehen, was im Körper während einer Stresssituation passiert.

Das passiert im Körper unter Angst / Stress

In unserem Gehirn führt eine angstauslösende Situation zur Mobilisierung von sogenannten archaischen Notfallreaktionen. Diese Reaktionen werden ausgelöst durch einen speziellen Auslöser (wie bei einem Unfall) oder durch die subjektive Bewertung einer Situation. Der zweite Fall tritt viel häufiger auf und oft handelt es sich um eine Vorstellung darüber, was passieren könnte. Im Vorfeld werden alle möglichen Szenarien durchgespielt, die häufig viel schlimmer sind als das tatsächliche Ereignis an sich. Angst löst dabei weniger die Situation an sich aus, sondern eher die befürchteten Folgen. Beim Tandemfliegen ist dieses Phänomen immer wieder gut zu beobachten. Die Passagiere sind vor dem Start nervös. Die genauen Erklärungen des Ablaufes helfen zum Teil die Nervosität etwas zu senken. Nach dem Start heißt es dann „das war ja ganz leicht, viel weniger schlimm als befürchtet“.
Jede Angstreaktion beginnt bei einer Bewertung. Diese findet im Frontallappen des Gehirns statt. Der Frontallappen gilt als die komplexeste Region des menschlichen Gehirns. Wenn es zu einer Diskrepanz zwischen dem, was wir erwarten und dem, was wir tatsächlich erleben, kommt, entsteht eine unspezifische Erregung, die sich zu einer Übererregung aufschaukeln kann. Logisches Denken oder die Aktivierung von handlungsleitenden Mustern ist dann unter Umständen nicht mehr möglich. Tieferliegende, stabilere neuronale Netzwerke übernehmen das Kommando. So auch das tatsächliche Verhalten, das Fühlen und die körperlichen Reaktionen.
Die archaischen Notfallprogramme werden dann aktiv, wenn kein Ausweg aus einer Situation gefunden wird. Dann kommt es zu den bekannten Reaktionen „Flucht - Kampf - Erstarren“. Logisches Denken, die Folgen einer Handlung abschätzen oder konkrete Handlungen auf die bedrohliche Situation planen sind dann nicht mehr möglich.
Ein Notfallprogramm sichert das Überleben. Auf der körperlichen Ebene wird eine wahre Kettenreaktion ausgelöst. Das sogenannte sympathiko-adreanomedulläre System wird aktiviert und sorgt für eine vermehrte Ausschüttung von Noradrenalin im gesamten Körper. Dazu wird jede Menge Adrenalin aus dem Nebennierenmark in den Blutkreislauf freigesetzt. Der Körper wird auf maximale Leistungsbereitschaft vorbereitet. Der gesamte Stoffwechsel und die Funktion aller Körperorgane werden in einen Überlebensmodus umgestellt. So steigt beispielsweise der Blutdruck, das Herz schlägt schneller, periphere Energiereserven werden mobilisiert, erhöhte Muskelanspannung und die Darmentleerung wird vorangetrieben (deshalb müssen vielleicht so viele Piloten vor dem Start immer noch auf die Toilette…). Nach etwa zehn Minuten findet eine zweite Aktivierung statt, die des hypothalamo-hypophysen-adrenocortikalen Systems. Dieses zweiter Programm ist langsamer, hat aber eine nachhaltigere Wirkung. Es kommt zu einer starken Freisetzung von Cortisol. Dieses sorgt dafür, dass die auf den Körper schädlichen Folgeschäden von Noradreanalin und Adrenalin eingedämmt werden. So werden entzündliche Prozesse gehemmt. Am Ende der zweiten Kettenreaktion werden endogene Opiate durch die Hypophyse in den Blutkreislauf ausgeschüttet, die ähnlich wie Morphium wirken.
Stehen wir unter Dauerstress, ist der Cortisolspiegel im Blut dauerhaft erhöht, kann dies chronische körperliche Beschwerden zur Folge haben (unterdrücktes Immunsystem führt zu vermehrten Krankheiten, Impotenz, Krebs usw.).
Ist die (vermeintliche) Gefahr vorbei, erleben wir einen Zustand der Erschöpfung, welcher einige Stunden anhalten kann. steemit-linie.png

Im nächsten Abschnitt geht es dann darum, warum die körperlichen Reaktionen durchaus positiv sind, auch wenn sie sich nicht so gut anfühlen...

Ich wünsche dir ein aufwindreiches Wochenende!

Liebe Grüße

Yvonne

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wieder klasse beschrieben.....lg dir

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