Hunderte Kilometer zu Fuß in Richtung Westen

Alle meine Großeltern haben den zweiten Weltkrieg mitten in Deutschland miterleben müssen. Sie sind teilweise zu Fuß über hunderte Kilometer geflohen, und Teile der Familie sind versehentlich über Jahrzehnte hinweg in der DDR eingesperrt gewesen. Erst in den 70ern konnten wir als Westdeutsche Familie in den Osten fahren, um die Familie in der DDR-Diktatur zu besuchen. Mir kommt ein Schauer über den Rücken wenn ich an die stundenlangen Geschichten denke, die meine Oma oder mein Opa mir erzählt haben.

Westkind mit halbem Herzen in der DDR

Ich wurde dank der waghalsigen Flucht meiner Großeltern in Richtung Westdeutschland 1978 in Viersen geboren und bin eines der wenigen West-Kinder, welches viel Zeit in der DDR verbracht hat. Wir hatten aufgrund der im Krieg verloren gegangenen Familie eine Erlaubnis, in das "zweite Deutschland" innerhalb von Deutschland einzureisen. An der Grenze wurden alle Autos komplett auseinandergenommen. Manche Überfahrten haben ganze Tage gedauert und es wurden auch Dinge beschlagnahmt.

STASI Kontrollstaat - In 2020 hört es sich nur noch wie ein Witz an

Man muss sich das jetzt rund 30 Jahre zurück vorstellen. Nahezu jeder Bürger wurde überwacht und als potenziell "kriminell" gesehen. Auch wir als Familienangehörige aus dem Westen, wurden besonders überwacht. Schließlich wollten viele Menschen damals aus der Diktatur in die Freiheit flüchten. Viele haben dies auch mit dem Leben bezahlt. Die Menschen haben sich sehr gefährliche Dinge einfallen lassen, nur um ein "besseres Leben" zu haben. Eine Familie hat es sogar mit einem selbstgebauten Heißluftballon mitten in der Nacht über die Grenze geschafft.

Michael Jackson im Westen, Sandmännchen im Osten

Und das MITTEN IN DEUTSCHLAND, zu einer Zeit, wo wir im glorreichen Westen bereits Baywatch geschaut und mit David Hasselhoff "I've been looking for freedom" gesungen haben. Als ich mir mein erstes Michael Jackson Album auf Vinyl gekauft habe.

Herzliche Menschen und tolle Erinnerungen

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie ich dort Freunde hatte, die mir sehr viel bedeuteten. Die hatten all diese Dinge nicht. Kein US-Fernsehen, kein Hollywood-Blockbuster, keine Schweizer Schokolade oder Pizzeria. Schon zu diesen frühen Zeiten wurde mir klar, dass der übermäßige Konsum und die verschwenderische Lebensweise der sogenannten "westlichen Welt" nicht wirklich alles im Leben ist. Die Menschen in der DDR waren für mich keineswegs unglücklicher. Eher hatte ich genau den gegenteiligen Eindruck.

Wenn ich heute Bilder von Korea sehe, erinnert mich das total an die DDR. Es sah dort fast genauso aus. Sauber, simpel, einheitlich und penibel geordnet.

Kein Überfluss

Und damals hatten wir keine Smartphones, kein Internet, keine Computer. Das war in den 70ern bis 90ern. Im Westen war gerade erst der Nintendo Gameboy veröffentlicht worden, und ich erinnere ich, wie meine Freunde in Niederpöllnitz mich fragten, ob ich einen hätte. Aber ich hatte schon damals nicht immer die neuesten Trends und auch nicht so viel Interesse an Technik und Computern. Also habe ich sie mit Schweizer Schokolade und ein paar Musikkasetten erfreut.

Ossis ticken anders als Wessis!

Die Menschen die in der DDR aufgewachsen sind und auch immer noch dort leben, ticken anders. Sie sind nicht im Konsumüberfluss aufgewachsen und haben eine grundsätzlich stärkere Bindung zu ihrer Heimat. Sie sind, wie viele Menschen anderer Länder auch, Heimatverbunden, da sie auch nicht von Kind auf reisen und andere Teile der Welt entdecken konnten. Sie haben sich stattdessen mehr auf ihre Familie und die Gemeinschaft konzentriert. Aus dem einfachsten das Beste machen, dass ist für mich die DDR-Mentalität mit einfachen Worten beschrieben. Das macht aus meiner Sicht einen großen Unterschied in der Mentalität aus. Ich sehe das auch hier in Panama, wo ich seit 5 Jahren lebe. Die Menschen reisen im allgemeinen eher im Inland und lieben ihre Heimat sehr, was sie auch oft zum Ausdruck bringen.

Ostdeutsche sind Heimatverbunden, sonst nichts

Deshalb kann ich mich nicht in die Massen der Westdeutschen einreihen, die ständig über Menschen aus dem Osten herziehen und diesen vorwerfen ihre Heimatliebe sei rassistisch oder übertrieben. Ich kann das absolut verstehen. Die Menschen waren glücklich mit dem was sie hatten. Jeder hatte einen Job, genug zu essen und 2 Fernsehsender. Manche hatten sogar ein Auto, auf das man bis zu 15 Jahre warten musste, nach Bestellung. Jeder wurde überwacht und sämtliche Bewegungen in einer Akte vermerkt. Die sogenannte STASI-Akte.

Damals und heute

Angesichts der aktuellen Ereignisse auf der Welt, denke ich oft darüber nach, was ich damals gelernt habe. Es ist nicht gut, wenn Menschen in einer Diktatur und unter ständiger Kontrolle leben. Oder vielleicht doch? Ist es vielleicht die Lösung vieler Probleme, mit denen die Menschheit aktuell zu kämpfen hat? Ist es vielleicht notwendig, dass jetzt die Weichen neu gestellt werden, um einen Neuanfang zu wagen? Oder drohen uns totalitäre Strukturen und Diktaturen die uns unglücklich machen werden?

Sind wir überhaupt glücklich? Ich meine sind die MEISTEN VON UNS glücklich und haben erreicht, was sie erreichen wollten?

Was bedeutet Glücklich sein für dich?
Wenn du es weißt, brauchst du nichts zu fürchten.