[Usability Engineering] Menschliche Faktoren, Einflüsse und deren Folgen

in #deutsch6 years ago

Hallo Steem-Welt,

wie in meinem letzten Beitrag versprochen geht es heute ein wenig um die menschlichen Faktoren und Einflüsse und deren potentiellen Folgen.

Im Genaueren geht es um Ermüdung, Monotonie, Langeweile & "falsche Pausen".

Wer die letzten Posts verpasst hat, kann diese hier nachlesen:
[Usability Engineering] DIN, EN, ISO - selbst Ergonomie ist genormt
[Usability Engineering] Folgen von nicht vorhandener Usability



Ermüdung

Definition

„reversible Minderung der Leistungsfähigkeit eines Organismus als Folge von Aktivitäten“

Zu erst einmal ist zwischen 2 Arten der Ermüdung zu unterscheiden: Es gibt tatsächlich eine lokale und eine zentrale Ermüdung und wichtig zu wissen ist, dass die Ermüdungsverlauf einen exponentiell steigenden Verlauf hat.
Physiologische Indikatoren für Ermüdung ist eine Pulsbeschleunigung und eine flache Atmung, zusätzlich die Abnahme der Konzentration und die kognitiven Störungen als psychologische Indikatoren.

Ein subjektives Müdigkeitsgefühl ist jedoch nicht mit einer Ermüdung gleich zu setzen, sondern ergibt sich aus mehreren Faktoren, wie auch wahrgenommenen Monotonie, psychischer Sättigung oder Langeweile. Auf diese Begriffe werde ich im weiteren Verlauf eingehen.

Ganz klar führen alle diese Punkte jedoch zu einer Erholungsbedürftigkeit. Hier greift die Bildschirmarbeitsverordnung, in der regelmäßige Pausen und eine abwechslungsreiche Tätigkeit gefordert wird.

Die richtige Pause

Ja, tatsächlich kann man selbst bei der Pause etwas falsch machen.
Der Verlauf der Erholung folgt einer exponentiell fallendenen Funktion, wodurch nur kurze Pausen wirklich effektiv sind.

Kürzere Wechsel zwischen zwischen Arbeit und Pause sind wirksamer, als (in Summe gleiche) längere Tätigkeits- & Pausenphase. Meist sind sogar die selbstgewählten Pausen oft zu spät, da sie erst bei den ersten Ermüdungserscheinungen gemacht werden, und sind somit unter Umständen nur weniger wirksam.

Monotonie - was ist das eigentlich?

Zu erst möchte ich euch eine arbeitspsychologische Definition zeigen:

„Zustand herabgesetzter psycho-physischer Aktiviertheit in reizarmen Situationen bei länger andauernder Ausführung sich häufig wiederholender gleichartiger und einförmiger Arbeiten“

Wie so oft bei einer Definition, versteht man ersteinmal nur Bahnhof.
Gemeint ist unter anderem:

  • Dämmerzustand als Folge zu geringer psychischer Beanspruchung
  • Einengung der Aufmerksamkeit auf einförmige Tätigkeit
  • Gefühl, immer das gleiche tun zu müssen
  • von Außenstehenden schlecht zu beurteilen (Hinweise auf eher anfällige/resistente Personengruppen)

Mit den möglichen Folgen:

  • Leistungsstörungen (sinkende Arbeitsleistung)
  • Fördert Handlungsfehler (Arbeitssicherheit)
  • hemmt Persönlichkeitsentwicklung

Psychische Sättigung

„Zustand der nervös-unruhevollen, stark affektbetonten Ablehung einer sich wiederholenden Tätigkeit oder Situation, bei der das Erleben des Auf-der-Stelle-Tretens oder des Nicht-weiter-Kommens besteht“ (ISO 10075-1)

Tatsächlich ist die Psychische Sättigung auf Deutsch gesagt einfach nur Frust und die daraus entstehende Demotivation, wie sie wahrscheinlich jeder hier kennt. Aber natürlich brauchen wir auch dafür einen hochtrabendenen Begriff :D

Und da wir gerade bei den unverständlichen Psychologie Begriffen sind, kommt hier gleich der nächste:

Herabgesetzte Vigilanz

„Ein bei abwechslungsarmen Beobachtungstätigkeiten langsam entstehender Zustand mit herabgesetzter Signalentdeckungsleistung...“ [ISO 10075-1]

Im Endeffekt ist Vigilanz ein anderes Wort für Wachsamkeit oder Aufmerksamkeit, und beschreibt in diesem Falle Arbeitsfelder in der monotone Aktivitäten ausgeübt werden, die jedoch höchste Konzentration verlangen.

So zum Beispiel der Job eines Lok-Führers. Hier gibt es zur Bekämpfung dieser Ermüdungserscheinung einen sogenannten "Tot-Mann-Schalter", der den Lokführer dazu zwingt, alle paar Sekunden auf einen Knopf zu drücken, um zu bestätigen, dass er noch aktiv ist.
Und auch im Job eines Fluglotsen im Tower treten solche Probleme auf. Durch die starke Konzentration haben diese, nach meinen Informationen, lediglich eine Schicht von 2 Stunden und danach eine Pause.

Last but not least: Stress

Der Stress, der in Deutschland all zu gerne in aller Munde ist, darf natürlich nicht fehlen. Hier gibt es eine ganz interessante Beschreibung zu:

„Subjektiver Zustand ..., der aus der Befürchtung besteht, dass eine stark aversive, zeitlich nahe und subjektiv lang andauernde Situation nicht vermieden werden kann. Dabei erwartet die Person, dass sie nicht in der Lage ist ..., die Situation zu beeinflussen oder ... zu bewältigen“ (Greif, 1989, zitiert in Herczeg, 2009)

Im Klartext: Alleine der Gedanke an eine, auf uns zukommende Situation, kann uns unter Stress setzen. Und da jeder Mensch anders drauf ist, in für den Einen bereits ein Gespräch mit Fremden eine Stress-Situation, und für den Anderen vllt erst eine Herausforderung im Job oder Alltag, die nicht alltäglich ist.

Stress ist jedoch einer der gefährlichsten Faktoren in unserem Leben. Zu folgenden kurzfristigen Folgen kann Stress führen:

  • überzogener Kraftaufwand
  • Aufmerksamkeitsspaltung
  • Desorganisation
  • Übersteuerung von Handlungen (Hast)
  • Konfusion
  • Wahrnehmungsverzerrung
  • Gereiztheit, Nervosität
  • erhöhter Genussmittelverbrauch

Und um die Reihe zu vervollständigen, hier auch die Langzeitfolgen, die Stress in uns auslösen kann:

  • Verschiebung von Wertmaßstäben
  • dauernde Gereiztheit/Nervosität
  • psychosomatische Beschwerden
  • Anspruchsreduktion
  • Herzinfarkt

Um euch nun natürlich nicht nur Panik machen zu wollen und auch den Bogen zurück zur Software Ergonomie & Usability zurück zu spannen kommen hier die Möglichkeiten, wie man Stress vermeiden kann. Und da spielt die Entwicklung von "stress-freier" Software eine extrem wichtige Rolle:

  • hohes Maß selbst kontrollierter Arbeit
    • teilautonome Gruppenarbeit
    • Training (Situationen meistern üben)
  • Qualifikation (Kompetenzen erwerben/erweitern)
  • Individuelle und kollektive Selbstregulation:
  • Soziale Unterstützung: Hilfe, Teamarbeit
  • Technische Unterstützung: Werkzeuge, Hilfsmittel
  • Software Systeme werden idealerweise als stressreduzierend wahrgenommen.

So, genug geschrieben - eigentlich schon wieder viel zu viel ...
Wer trotzdem bis hier hin gekommen ist, dem sei ein großes Lob ausgesprochen! Einen fachlichen Text in dieser Länge zu lesen, ist tatsächlich ermüdend und beansprucht eine Menge Kraft des menschlichen Körpers.

Wenn ihr Fragen habt, immer her damit, ich versuche wie immer, diese zu beantworten.
Wenn es euch gefallen hat, und ihr mehr erfahren möchtet, lasst mir ein Vote da und folgt mir, falls ihr das nicht eh schon tut :)

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