Die Kehrseite hoher Zinsen

in #deutsch5 years ago

Liebe Steemitgemeinde,
liebe Freiheitsfreunde,
liebe Freiheitsfeinde,
liebe Zinskritiker,
liebe EZB-Kritiker,
liebe Geldsystemkritiker,

von Johann Philipp Freiherr von Bethmann stammt der Ausspruch:

Je höher der Zins desto schlechter das Geld

(Quelle: Die Zinskatastrophe)

Der FDP Politiker Frank Schäffler sagt:

"Billiges Geld gefährdet Demokratie und Freiheit“

Quelle

Wer hat nun recht?

Kurze Antwort:
Natürlich Bethmann, schließlich war er Praktiker und Schäffler ist eben nur Theoretiker, der ein paar Bücher von Mises, Hayek und Rothbard gelesen hat.

Lange Antwort:
Bethmanns Begründung:
Ein hoher Zins zeigt u.a. immer das Risiko an, dass die Schuldner nicht zahlen können.
Hohe Zinsen führen aber gerade dazu, dass manche Schuldner platzen, was zu noch höheren Zinsen führt.
Zinsgutschriften führen immer dazu, dass die Geldmenge steigt (die Zinszahlungen des Einen sind die Zinseinnahmen des Anderen).
Da aber bei hohen Zinsen immer mehr Schuldner wackeln, entsteht Geld, das möglicherweise nicht gedeckt ist und bei einem Schuldnerausfall von den Banken ausgebucht werden muss, was wiederum das Eigenkapital der Banken reduziert. Reicht das Eigenkapital der Banken nicht aus, gehen sie pleite und die Guthaben der Sparer, die nichts anderes sind als Forderungen gegenüber der Bank, sind auch verloren.

Schäfflers Begründung:
Der Staat manipuliert über die Zentralbank den Zins nach unten, dies schadet dem Sparer und zerstört vor allem das Geschäftsmodell der Banken, Sparkassen und Lebensversicherer.
Außerdem führt ein künstlich niedriger Zins, so die österreichische Geldtheorie, der Schäffler anhängt, zur Fehlallokation des Kapitals, was wiederum zu den Boom/Bust-Zyklen führt.

Dass die Zentralbanken auf den Zins keinen Einfluss haben, habe ich schon oft gezeigt (z.B. hier).

Aber darum soll es heute gar nicht gehen.
Vielmehr möchte ich Euch ein Beispiel zeigen, wo hohe Zinsen zu einer Fehlallokation von Kapital geführt haben und wahrscheinlich langfristig zu einer völligen Erlahmung der wirtschaftlichen Tätigkeit geführt hätten, wären die Zinsen nicht gefallen.

Gehen wir zurück in die frühen 80er Jahre.

Das Siemens Syndrom:

Der Begriff wurde von dem Autor Paul C. Martin in seinem 1984 erschienene Buch - Die Pleite verwendet, scheint aber kein feststehender Begriff in den Wirtschaftswissenschaften zu sein.

Aufgrund der weltweiten gigantischen Verschuldungsorgien der Staaten (es gab auch noch andere Gründe, z.B. die Gefahr eines Atomkrieges) waren die Zinsen in den frühen 80ern extrem hoch.

Die 10-jährigen US Staatsanleihen rentierten mit ca. 16% und die 10-jährigen Bundesanleihen mit etwa 11%.

In den Augen von Frank Schäffler und anderer Österreicher müsste doch damals alles in bester Ordnung gewesen sein. Natürlich hätten sie zu Recht die hohen Staatsschulden kritisiert, aber Fehlallokationen und Boom/Bust-Zyklen dürfte es wegen der hohen Zinsen ja wohl nicht gegeben haben.
Nun, der 1987 Crash hat sich bekanntlich trotzdem ereignet, aber das nur nebenbei.

Werfen wir einen Blick auf die Siemens-Bilanz aus dem Jahre 1983:
IMG_9085.jpeg
(Quelle: Paul C. Martin - Die Pleite)

Wie man sehen kann, hatte Siemens 16,5 Milliarden DM in Wertpapiere investiert. Hauptsächlich Staatsanleihen. Aufgrund der hohen Zinsen sicherlich keine dumme Idee.

Auf diese Staatsanleihen gab es im Jahr 1983 Zinserträge von 1,786 Milliarden DM. Abzüglich der eigenen Zinszahlungen hatte Siemens einen Nettozinsertrag von 948 Millionen DM. Der Bilanzgewinn lag aber nur bei 351 Millionen DM. Schließlich kann man ein Unternehmen nich umsonst betreiben. Man muss Löhne bezahlen, Neuinvestitionen, etc.

Aus unternehmerischer Sicht, vorausgesetzt man glaubt an anhaltend hohe oder sogar steigende Zinsen, wäre nun die richtige Entscheidung gewesen, den Produktionsbetrieb Siemens zu liquidieren und den Ertrag in zusätzliche Staatsanleihen zu investieren.
Wenn die Zinseinnahmen höher sind als das was man mit Produktion von Gütern und Dienstleistungen erwirtschaften kann, wird sich langfristig keiner mehr finden, der noch bereit ist zu produzieren.
Es findet sich nun keiner mehr, der die Zinszahlungen erwirtschaftet und dann gehen alle pleite.

Gott sei Dank war aber der Zinshöhepunkt 1981 erreicht und seit dieser Zeit gehen die Zinsen stetig nach unten.

Fairerweise muss man natürlich sagen, dass an dem Siemens-Syndrom die Staaten schuld waren.
Mit ihrer weltweiten gigantischen Verschuldungsorgie haben sie die Zinsen hoch getrieben und dafür gesorgt, dass viele Unternehmen, aber auch private Sparer lieber in vermeintlich sichere Staatsanleihen, statt in zukünftige Produktion investiert haben.
Wie sicher diese Anleihen waren, haben die vielen Staatspleiten, vor allem in Südamerika, während dieser Zeit gezeigt.

Schönes Wochenende,
Stephan Haller

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Hier, ein wenig of topic, nochmal eine kurze Geschichte des Goldes, ich finde für das Format "Artikel"ganz gut zusammengefasst.
https://www.goldseiten.de/artikel/424455--Torgny-Persson~-Die-Geschichte-der-Welt-ist-eine-Geschichte-des-Goldes.html?seite=1
BGvB!

Die Tontafeln in Babylon auf denen Schuld und Guthaben festgehalten wurde, also bereits Buchgeld) sind um mehrere tausend Jahre älter als die ersten Münzen.
Mehr braucht man eigentlich nicht zu wissen.

Die Sumerer, noch vor Alt-Babylon, um 5000 v. Ch. verwendeten standadisiertes Gerstengeld, also verderbliches Rohstoffgeld in der Einheit Sila (ca. 1 l) und sog. Zählsteine.
https://steemit.com/deutsch/@balte/wertstabiles-geld-gold-geldgeschichte-teil-1
Wir sprachen vor zwei Jahren darüber:))).

Ja, aber das Buchhaltungssystem beinhaltete ein Lieferversprechen, wie die heutigen Getreide Futures (z.B. /ZC, /ZS usw.).
Genau das ist Geld ‘promise to pay’, ‘IOU’, Gut-/Schuldschein...
Zur Zeit sehr günstig:
https://www.amazon.de/Money-Credit-Conversion-legacy-Mitchell-Innes/dp/9995982706/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&keywords=Alex+Kampa&qid=1573511439&sr=8-2

Ich verstehe die Zählsteine als Teil des Buchhaltungssystem, getrennt davon war Geld die standardisierte 1 l Sila, also Warengeld, das aber hier nicht wertstabil war, da verderblich.
Nachdem man Gold/EM seit Krösus als Münze standardisieren konnte hat sich dies irgendwie als sinnvoll für die meisten erwiesen, zeigt ja die lange Verwendung bis heute.
Und es wird auch wieder eine Rolle als Wertmaßstab/Teildeckung für kommenden Währungen/Currencies spielen, auch bei uns.
Warts ab:).
Ich schreib auch bald ein Buch:
"Der Unbelehrbare und das Geld"
oder nach Hemingway:
"For Whom the Gold Tolls"
oder dreh nen Film frei nach The good, the bad and the ugly:
"The Gold, the Balte and the money."
BGvB.

Ich denke, dass weiß der Stephan auch tief im Inneren. Der Bundesbank hat er ja auch schon bescheinigt, dass diese auch verstanden hat, was Geld ist. Und die Buba dürfte als Wertemaßstab am Ende sehr wahrscheinlich Gold verwenden, so denn die Allgemeinheit für den Alltag Silber einsetzen wird und als Kreditierungsmaß verwenden wird, sodenn gute Ideen die realisiert werden wollen einen Kreditgeber suchen.

Heb Dir noch ein bisschen was auf, bald kommt ein Artikel zur positiven Seite hoher Zinsen.

Das alles, wenn es denn stimmte, gälte allerdings nur, wenn der Zins sich über den freien Marktmechanismus bildete.

Das tut er auch, allerdings stört die Existenz eines Staates, der als Käufer von Leistungen auftritt, die der einzelne freiwillig meist nicht nachfragen würde, den freien Markt.

Posted using Partiko iOS

Wenn der größte Markteilnehmer eine Zentralbank ist, die in den freien Markt intervenieren muss, damit die Derivateblase nicht allen um die Ohren fliegt, dann ist das Sozialismus, Planwirtschaft und alles andere als frei.

Italiens Zinsen müssten mit Blick auf dessen Bonität eher bei 20 Prozent liegen anstatt nahe der Nullgrenze...

Wenn aber ein Marktteilnehmer auf Kosten der Bevölkerung und derkommenden Generationen diese unlimitierten Risiken wohlwissend, dass Bonität nicht in dem Ausmaß gegeben ist, in die Bilanz nimmt, dann ist das kriminell bis zum Anschlag...

Man darf aber nicht vergessen, dass die Anleihen immer erst von Privatbanken gekauft werden.
Der Zins, den die Staaten zahlen müssen, bildet sich in einem freien Auktionsverfahren.
Der niedrige Zins zeigt nur an, dass die Märkte keine Sorge haben, dass die Schulden bedient werden.
Von wem steht auf einem anderen Blatt (im Zweifelsfall von Deutschland).

Also spekulieren die Marktteilnehmer darauf, dass Deutschland zum Super-PiG wird und die Bürger dieses Landes als Bürgen mit allem was sie haben eines Tages die Hosen runterlassen müssen, sofern sie noch dazu in der Lage sind, weil ja bereits jetzt schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung am Limit lebt und eh nichts hat, womit sie bürgen könnte....

Die Banken würden ja nicht diese Risiken eingehen, wenn sie nicht wüssten, dass der Sozialismus der Zentralbank die Risiken solidarisiert und die Gewinne zu Gunsten der Banken privatisiert.

Das hat nichts mehr mit freien Märkten, als vielmehr mit krimineller Energie zu tun.

Das ist kurz gesagt korrupt - tief bis ins Mark. Jeder Privatmensch und Unternehmer muss die Risiken für sein Handeln tragen, wenn er Gewinn und Profite machen will - je nach Risikoneigung mal mehr mal weniger.

Für Banken und Politik gilt dies nicht. Riesenprofite einkassieren und die Risiken auf die Allgemeinheit abwälzen. Irgendwann geht dieses Ponzischema der Banken nach hinten los - und dann kracht es gewaltig...

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Ob der Zins hoch oder niedrig ist, Geld ist und bleibt so oder so schlecht.

Liebe Grüße
Peter

Wie kommst du darauf, dass Geld per se schlecht ist?

Weil Geld nichts weiter als ein Kontrollsystem ist.

Es teilt uns, es beherrscht uns und es behindert uns in unserer Entwicklung.

Wir Menschen sind die einzig Spezies auf diesem Planeten welche Geld zum leben braucht.

Denk mal drüber nach.

Liebe Grüße
Peter

Wir sind die einzige Spezies, welche die Zeit kennt/begreift. Dies macht es uns möglich, dass der Erwerb eines Gutes und die Bezahlung zeitlich auseinanderliegt. Diese Schuld auf der einen Seite und das Guthaben auf der anderen Seite nennt man Geld. Ohne diese Zeitkomponente kann es keine menschliche Entwicklung und Zusammenarbeit geben. Selbst ein Geschenk trägt immer eine Schuld in sich. Man erwartet zukünftiges Wohlverhalten, Freundschaft, etc.

Posted using Partiko iOS

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Das Geld als Ding, als Sache kann doch kein Eigenleben haben! Es ist ursprünglich erwiesenermaßen völlig frei, spontan und ungeplant im Rahmen des Marktgeschehens (Tausch) entstanden. Darüber schreibe ich noch.

Wie stellst du dir z. B. Produktion und Vertrieb von Smartphones und Windrädern ohne Geld vor??

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