Heilige Bastarde, Kapitel 35
"Heilige Bastarde" ist eine High-Fantasy Web Novel und wird Kapitel für Kapitel über das Netz veröffentlicht. Zum Inhalt:
Einstmals wandelte der Gottheld Cherus unter dem Volk der Merowa. Er sang mit ihnen, kämpfte mit ihnen, trank mit ihnen und wie jeder Mensch liebte er. Der menschgewordene Gott hatte viele Frauen und zeugte mehrere Töchter und Söhne. Einer dieser Söhne, Hartried, ist nun König und herrscht über das Reich, das sein göttlicher Vater geschaffen hatte. Doch nicht jedes Gotteskind und nicht jeder Füst ist zufrieden mit seiner Herrschaft. Und während das Reich droht, auseinanderzubrechen, zieht in der Ferne eine neue Gefahr heran. Können die heiligen Bastarde ihr Land retten oder werden sie es in einem Machtkampf zerstören?
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Was davor geschah:
Im Höhlenreich der Zwerge stießen Simund und seine Gefährten auf einen Tempel der Shaura, der Göttin der Unterwelt. Zuerst schien der Ort verlassen zu sein, bis der Nekromant den Tempel betrat. Der Totenbeschwörer erweckte die Untoten zum Leben und unsere Helden mussten sich in den hinteren Teil des Tempels retten.
Hier bewahrheitete sich die Vision von Melinde, dass Simund ertrinken würde. Die Toten selbst stiegen aus dem Wasser hervor und zogen ihn zu sich herunter.
Doch da war in Melindes Vision auch die Rede von einem Licht …
Heilige Bastarde, Kapitel 35, Simund
Simund wachte einem stechenden Gefühl im Brustkorb auf und glaubte, sich übergeben zu müssen. Etwas würgte sich seine Speiseröhre hoch und er spie Wasser. Seine Lunge verkrampfte sich und er erinnerte sich wieder an die Schmerzen, die er verspürte hatte, als er in die Tiefen des unterirdischen Sees gezogen wurde. Seine Kleidung war durchnässt, er hatte sich das Ertrinken nicht eingebildet.
Ich hätte ertrinken sollen. Ich müsste tot sein.
Doch fühlte er sich sehr lebendig. Sein Herz schlug noch immer heftig, die Pein in seiner Brust konnte nicht zu einem Toten gehören. Nein, er lebte noch. Nun musste Simund herausfinden, wo er sich überhaupt befand. Mit schwerem Kopf richtete er sich auf und sah sich um. Er schien sich noch immer unter der Erde zu befinden; es war dunkel, um ihn herum weite Leere, unter ihm ein fester, staubiger Boden. Neben sich ein Fluss, eher ein großer Strom, dessen anderes Ufer Simund nicht ausmachen konnte. War es dieser Strom, der ihn hierher getragen hatte?
Mit unsicheren Beinen richtete er sich auf, zupfte seine nasse Kleidung zurecht und überlegte, was er nur tun sollte. Hier gab es keinen Hinweis, wo er sich befand. Simund formte einen Trichter vor dem Mund, wollte um Hilfe rufen. Aber dann hielt er inne, es erschien ihn als keine gute Idee. Mehrmals drehte er sich um und spähte in die Weite. In diesem endlosen Nichts musste es doch irgendetwas geben, das nicht der Strom und das schwache Licht war, dessen Ursache Simund nicht ausfindig machen konnte. Einen klaren Sternenhimmel und Mondschein schloss er sofort aus, über seinem Kopf hing eine undurchdringliche Schwärze.
Verdammt! Simund erinnerte sich, was geschehen war, bevor er ertrank. Seine Schwester, seine Gefährten, sie wurden von einer Horde von Untoten bedrängt! Er musste sofort zu ihnen! Sie saßen in dem Tempel in der Falle. Aber wie sollte er nur zu ihnen gelangen?
Moment mal, der Strom. Es war kein stehendes Gewässer, sondern floss in eine bestimmte Richtung. Es musste ihn flussabwärts getrieben haben, oder? Wenn er also dem Fluss stromaufwärts folgte, sollte er wieder zu seinen Gefährten finden. So wirklich sicher war sich Simund nicht, aber gleichzeitig hatte er auch keine andere Möglichkeit. Irgendwo musste er mit der Suche anfangen. Also entschied sich Simund, dem Fluss zu folgen. Alles schien ihm besser, als hier zu warten.
So wanderte Simund für eine Weile neben dem schnellen Gewässer. Für wie lange, das konnte er nicht sagen. Ohne eine auf- oder absteigende Sonne fiel es ihm schwer, die Zeit einzuschätzen. Er wurde müde, das Wandern zehrte an seinen Kräften. Wie lange er schon dort am Ufer lag? Es machte ihn kirre, dass er nichts wusste, wo bei den Göttern er sich befand, wie weit er von seinen Gefährten und seiner Schwester entfernt war. Die Ungewissheit war es, welche gegen seine Müdigkeit ankämpfte und seine Glieder vorantrieb.
Simund sah etwas auf dem Fluss. Eine kleine Lampe hing am Bug und erhellte schwach die Umrisse eines Bootes. Simunds erster Reflex war es, sich auf den Boden zu werfen, um ja nicht von der Besatzung des Bootes entdeckt zu werden. Ihm war die Skelettmannschaft noch in Erinnerung, welche mit ihren Leuchten nach Simund und seinen Gefährten gesucht hatte.
Steuerte das Boot aufs Ufer zu? Hatte es ihn gesehen? Es gab hier nichts, wohinter er sich verstecken könnte. Ihm bliebe nur wegzulaufen. Während das Boot näherkam, konnte Simund es genauer ins Auge nehmen: Das Boot schien nicht aus Knochen gemacht zu sein, sondern war lediglich ein normales Boot aus Holz. Es besaß kein Segel, stattdessen stand ein einsamer Ruderer am Heck. Mal links, mal rechts stach er in das Gewässer. Das Boot hatte sich mittlerweile soweit gedreht, dass es nun direkt auf Simund zusteuerte. Kein Zweifel: Der Ruderer hatte ihn gesehen.
Simund stand auf. Was brachte es noch? Wenigstens fiel es ihm so leichter, sogleich wegzulaufen, sollte die Situation es verlangen.
Der Ruderer winkte ihm zu. Zögerlich erwiderte Simund den Gruß. Ein langer, dunkler Mantel verbarg das Gesicht des Ruderers.
„Heh!“, sprach die Gestalt. Eine kratzige, ältlich klingende Männerstimme. „Wir haben uns wohl verlaufen. Sag, wo willst du hin?“
„Ähm …“, brachte Simund hervor. „Ich will zurück. Weiß ehrlich gesagt gar nicht, wo ich mich hier befinde. Könnt Ihr mir sagen, wohin man gelangt, wenn man diesem Fluss gegen den Strom folgt?“
Das Boot war nun fast ans Ufer gekommen.
„Dieser Fluss entspringt den Wassern des Ursprunges“, antwortete der Ruderer. „Unmöglich, gegen den Strom ankämpfen zu wollen und bis zur ursprünglichen Quelle zu gelangen. Und wohin dich dein Weg führen würde.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Kann ich dir nicht sagen. Besser, du findest hier deinen Platz.“
Das Boot stieß gegen das Ufer. Der Mann ließ sein Ruder im Boot, nahm die Lampe vom Bug und sprang bis zu den Knöcheln ins Wasser.
„Die Wasser des Ursprungs?“, fragte Simund.
Der Mann schien unbewaffnet, überhaupt nicht gefährlich. Dennoch wich Simund einen Schritt zurück, als er aus dem Fluss stieg und vor Simund trat. Als er den Mantel lüftete, kam darunter ein Greis zum Vorschein mit tiefsitzenden Augen und einem langen, grauen Bart.
„Merowa, richtig?“, fragte der Greis. „Nenne mich Modgud. Sag, welchen Namen nanntest du zu Lebzeiten dein eigen?“ Der Alte lächelte.
„Simund“, gab er noch verwirrter von sich. „Wartet … zu Lebzeiten? Sagt mir nicht …“
Modgud seufzte. „Ja, du bist wohl gestorben. Und nicht richtig bestattet worden, wie es sich für dein Volk gehört. Deiner nassen Kleidung entnehme ich, dass du ertrunken bist, richtig? Kein schönes Ende, ganz und gar kein schönes Ende. Du brauchst wahrscheinlich eine Weile, um das zu verarbeiten. Komm, wir suchen dein Heim. Irgendwo hier sollte es sein. Der Ort deiner Ewigkeit.“
Modgud packte Simund an den Schultern und drehte ihn vom Fluss weg. Dann schob er ihn in Richtung der dunklen Weiten. Simund ließ das alles mit sich ergehen. Er begann erst jetzt zu realisieren, dass er wirklich gestorben war. Das war das Totenreich! Er war tatsächlich ertrunken. Und nun? Würde er hier die Ewigkeit verbringen? Was würde aus Melinde und den anderen werden?
Melinde!
Simund erinnerte sich an ihre Vision. Nachdem er ertrunken war, sollte er ins Licht. Erneut schaute er sich um, drehte sich auf der Stelle und blickte zur Decke. Kein Licht, nicht soweit er sehen konnte.
„Modgud!“, bestürmte er den Bootsmann. „Es gibt vielleicht einen Ausweg für mich! Sagt mir bitte, ob es hier irgendwo eine helle Lichtquelle gibt!“
Modgud hob die Augenbrauen und deutete mit einem Finger auf die Lampe.
„Nein“, meinte Simund. „Ich denke nicht, dass es das ist. Aber es muss hier irgendwo einen Ausweg für mich geben. Meine Schwester hat es in einer Vision gesehen. Und ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann.“
Der Alte runzelte die Stirn. „Hier gibt es kein helles Licht, nur einen dämmrigen Schein, gerade genug, um nicht in voller Schwärze zu versinken. Nein, keine Sonne hier unten. Selbst die Feuer sind dunkel. Es gibt hier keinen Ausweg, den du selber finden könntest. Nur Shaura kann dir den Weg zeigen, wie du wieder auf Erden wandeln kannst. Sie ist die Herrin über die Wege in und aus dem Totenreich. Du starbst beim Ertrinken, ohne dass die richtigen Rituale deine Seele auf dem Weg leiten konnten. Und auch noch beim Ertrinken in einem unterirdischen See, eines der Tore ins Reich der Toten. Ja, damit gelangst du direkt in Shauras Hände. Wenigstens wird deine Seele nicht gerichtet und bei einem schlechten Urteil nicht von einem Dämon verschlungen. Hier sind sie alle gleich. Auch die Mörder und Frevler verbringen hier eine trostlose Ewigkeit. Komm. Ich glaube, ich sehe da hinten etwas.“
„Shaura?“ Simund schüttelte den Kopf. „Nein, mit der will ich mich nicht einlassen. Ganz und gar nicht. Wir … haben nicht die beste Beziehung zueinander, für den Fall, dass sie wissen sollte, von wem ich abstamme.“
Modgud gluckste. „Du bist hier, sie weiß es bereits, Sohn des Cherus.“
Simund lief es eiskalt den Rücken hinunter. „Woher wisst Ihr …“
„Ach, mache dir keine Sorgen. Shaura nimmt es dir nicht krumm. Du hattest ja noch keine Gelegenheit, ihr wirklich zu schaden. Und hier unten zählt deine Abstammung nicht. Wie auch immer du zuvor über deine Natur als Halbgott gedacht hast, hier zeigt sich, dass du sterben kannst wie jeder andere Mensch auch.“
„Modgud, wer seid Ihr?“
„Da. Dein neues Heim verrät dich. Das ist doch deines, oder? Das Fürstenhaus … Das Feuer.“
Simund folgte dem Finger des Alten. Mitten in der Einöde erhob sich das Fürstenhaus, in dem er aufgewachsen war. Es befand sich in genau demselben Zustand, als er es damals zum letzten Mal sah: in Flammen. Der ganze Fürstenhof brannte und sogar gedämpfte Schreie drangen bis zu ihm. Alles wie damals, als Hartried und seine Bande das Fürstentum angegriffen hatten.
Modgud schob ihn vorwärts. „Na komm schon, du hast zwar noch eine Ewigkeit vor dir, aber hier draußen gibt es nichts für dich. Sehen wir uns dein Zuhause mal genauer an!“
Vielen Dank fürs Lesen!
Dieser Text erschien zuerst auf Götterdunkel.de
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