Heilige Bastarde, Kapitel 33
"Heilige Bastarde" ist eine High-Fantasy Web Novel und wird Kapitel für Kapitel über das Netz veröffentlicht. Zum Inhalt:
Einstmals wandelte der Gottheld Cherus unter dem Volk der Merowa. Er sang mit ihnen, kämpfte mit ihnen, trank mit ihnen und wie jeder Mensch liebte er. Der menschgewordene Gott hatte viele Frauen und zeugte mehrere Töchter und Söhne. Einer dieser Söhne, Hartried, ist nun König und herrscht über das Reich, das sein göttlicher Vater geschaffen hatte. Doch nicht jedes Gotteskind und nicht jeder Füst ist zufrieden mit seiner Herrschaft. Und während das Reich droht, auseinanderzubrechen, zieht in der Ferne eine neue Gefahr heran. Können die heiligen Bastarde ihr Land retten oder werden sie es in einem Machtkampf zerstören?
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Was davor geschah: Gunlaug, der König Hartried, seine Frau Hedwinna und ihr Sohn Gartmund reisen mit ihrem Gefolge zum Königs-Thing. Sie fahren gemeinsam mit Fürsten von Bärensturz, Pattmar, mit dem sie zuvor über die Verteidigung des Landes gegen die einfallenden Orks gesprochen hatten. Sartur ist der älteste Sohn des Cherus. Der verstieß ihn, nachdem Sartur seine Kräfte gegen Unschuldige eingesetzt hatte, was zu mehreren Toten führte. Sartur kann mit der Macht seiner Stimme anderen seinen Willen aufzwingen. In der Verbannung hat er sich mit unbekannten Entitäten eingelassen und verfolgt nun seine eigenen Pläne.
Heilige Bastarde, Kapitel 33, Gunlaug
„Hau!“, rief ein Gefolgsmann.
„Ruck“, stimmten sie mit ein.
Vorne zog das Gefolge am Zaumzeug der Pferde, während die Königin Hedwinna mit ihrem Sohn auf dem Kutschbock saß. Hinten stemmte das gefolge sich mit ihren eigenen Körpern gegen den Wagen. Bis zu den Hüften reichte ihnen der Sumpf. Die Räder steckten im brackigen Wasser fest, weswegen der ganze Zug zum Stillstand gekommen war.
„Wir mussten ja durch den Sumpf“, monierte Gunlaug, etwas abseits vom Geschehen.
Hartried sah ihn von der Seite an.
„Was? Ich war dagegen. Aus gutem Grund. Sieh dir das an! Wir verlieren unnötig Zeit.“
Beide saßen auf ihren mächtigen Schlachthirschen, zum Glück nicht mit den Füßen in der stinkigen Pfütze. Dennoch dampfte der Morast Gunlaug tief in die Nase. Es würde Tage dauern, bis er diesen Gestank los war.
„Wir sparen trotzdem Zeit“, meinte der König. „Der Umweg um den Sumpf hätte Wochen gedauert. So sind wir wesentlich schneller beim Königs-Thing. Ich will nicht der letzte sein, der sein Zelt aufbaut.“
Ein kurzer Freudenschrei, der Wagen hüpfte einen Meter nach vorne. Die folgenden Versuche, die Räder in Bewegung zu setzen, scheiterten und das Gefährt steckte erneut fest.
„Wenn das so weitergeht, werden wir im Morast nächtigen müssen“, sprach Pattmar, der Fürst von Bärenschlucht, von seinem Hirsch aus, während das Tier durch den Sumpf auf sie zu watete. „Es wird langsam dunkel und wir haben noch keinen festen Platz zum Schlafen gefunden. Die Männer kommen um, wenn sie die Nacht im Dreck verbringen müssen.“
„Ihr habt mir zugesichert, meinen Weisungen zu folgen“, sprach Hartried. „Und mit der Durchquerung des Sumpfes wart ihr einverstanden. Stellt lieber sicher, dass Ihr jederzeit bereit seid, weiterzureisen. Wir haben das hier gleich erledigt.“
„Wir sind bereit, mein König. Und warten auf Euch dort, wo unser Lager nicht im Schlamm versinkt. Wenn Ihr Hilfe benötigt, sagt Bescheid.“
Damit drehte der Fürst von Bärenschlucht seinen Hirsch und lenkte es in Richtung seines Trecks. Beide Gruppen reisten in einem gebührenden Abstand, aber zusammen. So, wie die beiden es miteinander ausgemacht hatten. Die Entscheidung war gefallen, bevor Hartried und die Feuerpriester aneinandergeraten waren. Pattmars Sohn Hermann und dessen Frau Fryda, Tochter von Hartried, blieben auf dem Fürstentum zurück und verwalteten es, bis das Königs-Thing vorbei war.
Gunlaug sah auf seinen Halbbruder. Mit versteinerter Miene schaute Hartried dabei zu, wie die Männer noch immer am Wagen zogen und schoben.
„Du wirst ihn nicht um Hilfe bitten, richtig?“, fragte Gunlaug.
„Wir haben es gleich geschafft.“
„Woher weißt du das?“
Keine Antwort. Der Blick des Königs wanderte über das Moor.
Nach einer Weile sprach er: „Wie das wohl war, als einer dieser Nekromanten Tausende von im Moor bestatteten Toten hat auferstehen lassen. Ob es davon noch immer welche gibt?“
„Nekromanten oder Moorleichen?“
„Ich schätze mal beides. Ob sie die Moore entleert haben, werden wir wohl nie erfahren. Ob es noch immer Diener der Shaura gibt … Ich habe noch einen Einfall für das Königs-Thing.“
„Ach ja, was denn?“
„Ich setze ein Preisgeld darauf auf, mir Hinweise über die Nekromanten zu bringen. Ob sie komplett ausgelöscht wurden oder sich noch immer welche herumtreiben. Ob in den Mooren oder in der Unterwelt, den Gebirgen oder Wäldern. Das Preisgeld wird aus eigener Tasche bezahlt. Ich stelle selber die Gelder zur Verfügung oder entlohne sie mit Geschmeiden, Stoffen, Edelsteinen. Damit wir, falls die Gefahr noch immer besteht, sie frühzeitig unterbinden können.“
„Eigene Mittel?“ Gunlaug beugte sich auf seinem Hirsch nach vorne und schaute den König mit erhobenen Augenbrauen an. „Musst du das nicht erst mit deiner Gemahlin Königin absprechen?“
Ja, es mochten die Gelder des Königs sein. Doch wie die Frau eines einfachen freien Merowa den Haushalt pflegte und die Herrin und Gemahlin des Merowa-Fürsten das Gut überwachte, so oblagen der Königin Angelegenheiten, die das Geld betrafen.
„Sie wird das verstehen“, sagte Hartried nur knapp und damit war die Sache beendet.
Eine Weile schauten sie dem vergeblichen Ziehen und Schieben noch zu. Die Sonne senkte sich über dem Moor, es wurde merklich kühler.
„Jetzt reicht es“, sagte Hartried und setzte seinen Hirsch in Bewegung. „Weg da! Aus dem Weg!“
Er deutete auf die Gefolgsmänner, die hinter dem Wagen im Sumpf versanken. Erleichtert wateten sie davon und machten Hartrieds Hirsch Platz.
„Wird er den Wagen nicht beschädigen?“, fragte seine Frau Königin.
„Halte Gartmund fest“, erwiderte Hartried nur. „Und dich am besten auch.“
Hartried ließ seinen Hirsch den den Kopf senken und trieb ihn mit Bedacht vorwärts.
„Bereit?“, rief er nach vorne. „Los!“
Sie zogen an den Pferden, Hartried schob mit dem Hirsch. Widerwillig begann der Wagen sich in Bewegung zu setzen. Der Schlamm schmatzte, die Räder rollten.
„Nicht aufhören!“
Die Räder bekamen Halt, der Wagen fuhr und wurde noch einige Meter von den Pferden gezogen, ohne dass Hartried die Kraft seines Hirsches anbieten musste. Ein erleichtertes Lachen ging durch die Reihen der Gefolgsmänner und der ganze Treck setzte sich in Bewegung.
Unweit von Hartried brodelte eine Schlammpfütze. Anders konnte sich Gunlaug das Phänomen nicht erklären. Irgendetwas baute sich im Sumpf auf, bewegte sich unter der Oberfläche und kam dem König immer näher. Er wollte Hartried zurufen, da wirbelte der Schlamm plötzlich auf. Ein Schrei ging durch das Gefolge.
Der Schlamm sprudelte in einer Fontäne hoch.
Der Hirsch fiel und mit ihm der König. Beide versanken beinahe im Sumpf. Als ihm das Gefolge zur Hilfe eilen wollte, beugte sich ein riesiger Mann mit einem Hirschschädel über den König. Die Gestalt erhob sich, das Gefolge erstarrte vor Schreck. Das Ding — es konnte sich nicht um einen Menschen handeln, das war unmöglich — musste bis zu drei Metern gemessen haben. Das riesige Geweih auf dem blanken Hirschschädel nicht mit einbezogen. Das Wesen war von drahtiger, schlanker Statur mit langen Armen und mit einem grauem Fell. Der augenlose Schädel schaute durch die Reihen der Gefolgsmänner. Der bloße Anblick ließ sie zurückweichen.
„Hartried!“, rief seine Frau Hedwinna.
Der Schrei riss Gunlaug aus der Fassungslosigkeit. Er drückte seine Fersen in die Seite des Hirsches und zog sein Schwert. Was auch immer das Ding war, Gunlaug zögerte nicht mehr, ihm die Stirn zu bieten.
„Halt!“, rief Hartried.
Der König stand leicht gebeugt, sonst schien es ihm aber gut zu gehen. Er zog sein Schwert und deutete mit der anderen Hand auf Gunlaug und sein Gefolge.
„Mir geht es gut! Mir geht es gut … Keiner rührt sich. Es gehört mir.“
Hartried trat über den Körper seines Hirsches. Das Tier bemühte sich, mit wilden Bewegungen wieder auf die Beine zu kommen. Der König griff das Schwert beidhändig und hielt es über dem Kopf. Das Wesen jedoch senkte den Oberkörper, als wäre es zum Sprung bereit.
Für ein paar Sekunden verharrten sie in dieser Position. Im Sumpf war es vollkommen ruhig.
„HA!“, stieß Hartried aus und schlug zu.
Im selben Moment schnellte das Ding nach vorne. Hartried verfing sich in den Sprossen des Geweihs und wurde mitgerissen, als der Hirschmann über den Sumpf fegte. Beide schossen an ihnen vorbei, zehn, zwanzig Meter und noch weiter in den Sumpf hinein. Und das Gefolge hinterher, zu Fuß oder zu Pferd. Auch Gunlaug spornte seinen Hirsch an, ihnen zu folgen.
Da stand der Hirschmann und fasste seinen Schädel an beiden Händen so, als drohte er jederzeit auseinanderzuklaffen. Ein tiefer Riss zog sich durch den Knochen. Hartried wälzte sich durch den Schlamm und kam keuchend auf die Beine.
Das Wesen war verletzt! Nicht nur Gunlaug schöpfte aus der Erkenntnis Mut, auch das ganze Gefolge war nun wild entbrannt, es diesem Hirschmann heimzuzahlen. Sie stießen einen Kampfschrei aus und eilten ihrem König zur Seite.
Das Wesen setzte zur Flucht an. Ungeachtet des sumpfigen Unterbodens verschwand es in der Dunkelheit, schneller, als sie ihm folgen hätten folgen können. Das Gefolge jagte ihm nicht hinterher und beließ es bei Jubelschreien und Spott, den das Wesen wahrscheinlich nicht mehr hören würde.
Gunlaug lenkte seinen Hirsch neben Hartried und sprang ab.
„Ist alles bei dir in Ordnung?“
Die Kleider des Königs waren stark in Mitleidenschaft gezogen. Aber an Wunden und Blut war nichts zu erkennen. Hartried wischte sich den Modder aus dem Gesicht.
„Mir geht es gut, keine Kratzer. Aber gepikst hat es dennoch. Meinen Hirsch wird es schwerer getroffen haben. Wir sollten zu ihm. Und auch meiner Frau und …“
Seine Frau kam bereits angeritten. Als sie bei ihm war, sprang sie vom Pferd in den Sumpf und umarmte ihren Gemahl.
„Ich bin unverletzt“, sprach ihr Hartried zu. „Es war nur ein Geweih. So etwas kann mir nichts anhaben. Das weißt du doch.“
„Das war aber kein normales … was auch immer das war! Mir blieb das Herz stehen, als es dich erwischt hatte! Es hat dir auch nichts getan? Wir müssen zu Gartmund, der Junge kommt noch um vor Sorge um dich. Er sitzt auf dem Wagen und weint.“
„Wir wollten ihn doch zu einem tapferen Königssohn erziehen. Da macht sich das gar nicht gut. Lass uns zurückgehen.“
Der Jubel hielt noch eine Weile an, während das Königspaar zu den Wagen zurückkehrte. Und flammte wieder auf, als sie auf das Lager von Pattmar stießen, welches von dem Vorfall nichts mitbekommen hatte. So gut Gunlaug ihnen die Geschichte auch erzählte, viele glaubten sie ihm nicht.
Vielen Dank fürs Lesen!
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