Heilige Bastarde, Kapitel 29
"Heilige Bastarde" ist eine High-Fantasy Web Novel und wird Kapitel für Kapitel über das Netz veröffentlicht. Zum Inhalt:
Einstmals wandelte der Gottheld Cherus unter dem Volk der Merowa. Er sang mit ihnen, kämpfte mit ihnen, trank mit ihnen und wie jeder Mensch liebte er. Der menschgewordene Gott hatte viele Frauen und zeugte mehrere Töchter und Söhne. Einer dieser Söhne, Hartried, ist nun König und herrscht über das Reich, das sein göttlicher Vater geschaffen hatte. Doch nicht jedes Gotteskind und nicht jeder Füst ist zufrieden mit seiner Herrschaft. Und während das Reich droht, auseinanderzubrechen, zieht in der Ferne eine neue Gefahr heran. Können die heiligen Bastarde ihr Land retten oder werden sie es in einem Machtkampf zerstören?
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Heilige Bastarde, Kapitel 29, Simund
Zügig schritt Barutz durch die Höhlenwelt. In den kleinen, zu kurz geratenen Gliedern schien eine Menge Energie zu stecken; sie mussten sich beeilen, um mit dem Zwerg mithalten zu können. Er rief nur: „mir nach!“ und damit war für ihn alles besprochen. Mit dem leuchtenden Kristall in der Hand führte er sie durch die Dunkelheit.
Abgesehen von dem Namen des Zwerges wussten sie nichts von ihm. Simund fragte sich, ob das üblich bei den Zwergen war, nicht viel von sich zu erzählen. Oder ob ihm die Zustimmung des Meisters vollkommen ausreichte, die Reise anzutreten und er die Meinungen der Menschen nicht benötigte.
Schließlich war es Piasus, der sich an Barutz wandte: „Herr Zwerg. Barutz, wir haben uns noch nicht richtig vorgestellt.“
Barutz drehte sich beim Gehen um: „Barutz, ja, das ist mein Name. Sohn der Thurundre. Was noch?“
„Nun, dann vertrauen wir unsere Sicherheit und den Verlauf der Reise dem Sohn der Thurundre an, gut zu wissen.“ Piasus blickte die anderen an und zuckte mit den Schultern. „Ich bin Piasus, aus dem Stadtstaat Akleion und im Auftrag meines Herrn hier.“
„Aha“, gab der Zwerg von sich.
„Ja … wollt Ihr denn gar nicht wissen, wieso wir unterwegs sind?“
„Ich habe bereits gelauscht.“
„Gut, offen und ehrlich ist Barutz, Sohn der Thurundre, jedenfalls. Dann habt Ihr bestimmt kein Problem damit, uns zu erzählen, warum Ihr so erpicht darauf seid, uns zur Familie von Tiuz zu bringen.“
„Es heißt“, begann Barutz sogleich, „sie hätten sich komplett abgeschottet und Ihr Hort sei geradezu undurchdringlich. Nachdem sie davon erfahren hatten, dass einer ihrer Söhne erschlagen wurde, der andere verschollen war und jemand den Hort der beiden geplündert hatte, sperrten sie die Außenwelt so gut es nur ging aus und zogen sich komplett zurück. Niemand soll je wieder etwas von ihnen gehört haben. Dort hineinzukommen, das wäre ein Meisterstück!“
„Also seid Ihr ein Einbrecher oder so etwas in der Art?“
„Das Handwerk, in dem ich mich übe, besitzt eine lange Tradition bei uns Zwergen und es ist kein Verbrechen, solange man es richtig macht. Mögt ihr Menschen Geschichten?“
„Ja, bitte!“, rief Melinde, die sich bei Hedda untergehakt hatte. „Was auch immer dabei hilft, durch diese Dunkelheit zu kommen.“
„Ah, wie wunderbar! Denn bald werden wir Tiefen erreichen, in denen ich euch alle auffordern werde, leise zu sein. Denn dort unten kann man nie wissen, was auf einen lauert und da man nicht viel sehen kann, muss man sich auf sein Gehör verlassen. Jedenfalls war da mal der Zwerg Garmuth. Schon mal von dem gehört? Nein? Nicht schlimm. Dieser hatte einen enormen Schatz angesammelt. Er war nämlich Gemmenschneider und auch wenn er viele seiner Werke handelte und gegen die Arbeiten anderer Zwerge eintauschte, so war er doch sehr bemüht darum, seine kostbarsten Arbeiten für sich zu behalten. Daher ließ er Schleifer und Schürfer, Graber und Baumeister kommen, seine Behausung auszuweiten und zu sichern und mit geheimen Gängen auszustatten. Garmuth bezahlte die Arbeiter mit seinen Gemmen und ließ sie schwören, niemanden von den Gängen zu erzählen. Und dort wollte er alleine hausen und seinen Schatz sichern bis zum Ende seiner Tage.“
Melinde schüttelte den Kopf. „Auf was für Ideen ihr Zwerge kommt.“
„Thordstum, Sohn der Drodstinni, erfuhr von Garmuth und seinem Reichtum. Schon mal von Thordstum gehört? Nein? Auch wenn die Arbeiter kein Sterbenswort von sich gaben, so waren doch die Gemmen und die Handwerkskunst von Garmuth wohl bekannt. Jedenfalls machte sich Thordstum auf zum Hort von Garmuth und hier wird die Geschichte sehr lang und ausschweifend. Sie erzählt von Dingen, die euch wahrscheinlich unverständlich sein dürften, denn er musste sein ganzes Wissen über den Stein, die unterirdischen Wege und Fallen aufbringen. Schließlich fand Thordstum einen der geheimen Eingänge.“
„Dieser Garmuth war bestimmt nicht erfreut“, warf Piasus ein.
„Oh, es entwickelte sich alles zum besten! Thordstum stahl nicht, vergriff sich nicht an Garmuths Gemmen und Schätzen oder tat ihm irgendein Leid an. Er setzte sich in die Mitte der Halle und wartete dort, bis der Herr des Hortes zufällig vorbeikam. Als Garmuth den Eindringling sah und aus Grimm schon die Klingen zückte, da hob Thordstum die Hände …“
Barutz blieb stehen, drehte sich zu ihnen um und zeigte ihnen seine offenen Handflächen.
„… und er sprach: ‚Edler Garmuth, du kannst mich umbringen und hättest auch jedes Recht dazu. Nur wisse, ich fand Wege in deinen Hort, die auch jemand, der böse Absichten hegt, finden könnte. Und wenn du mich umbringst, dann wirst du nie erfahren, wie ich Eingang fand und diese Tür wird allen Schurken offenstehen.‘ Das waren die Worte von Thordstum. Und daraufhin ließ sich Garmuth zeigen, wo Thordstum hineinfand und nachdem er ihm den Schwur abnahm, niemandem von diesen Wegen zu erzählen, entlohnte der Gemmenschneider Thordstum. Und so entstand die Profession des Infiltrators.“
Piasus lachte laut auf, es hallte durch den Höhlengang. „Das heißt, Ihr brecht in die Behausungen anderer ein und erwartet dann, von ihnen bezahlt zu werden. Ha! Ich mag dieses Volk. Es steckt voller Überraschungen.“
Barutz schmollte beleidigt. „Es ist ein ehrenwertes Handwerk, die meisten Infiltratoren werden direkt von den Besitzern des Hortes angeworben und bekommen den Auftrag, jede Schwachstelle zu finden. Jemand muss diese Aufgabe übernehmen!“
„Aber ist es nicht gefährlich?“, fragte Melinde. „Ihr spracht von Fallen.“
„Lassen wir dieses Gehabe“, erwiderte Barutz brüsk. „Ich bin kein Herr, habe weder meinen eigenen Hort, noch eine Frau oder sonst etwas, das es verlangen würde, mit ,Ihr‘ angesprochen zu werden. Und ja, es ist gefährlich. Darum ist die Zahl der tatsächlich erfolgreichen Infiltratoren nicht besonders groß.“ Barutz lächelte. „Das bedeutet: weniger Konkurrenz.“
„Und was hast du dann beim Meister Svorgir getan? Er scheint mir eher wie ein Gelehrter.“
„Das ist er auch. Er kennt sich bestens mit dem Stein und den Elementen unterhalb der Erde aus. Für mein Handwerk braucht man ein helles Köpfchen und da sind Lehrstunden beim Meister Svorgir genau das richtige. Außerdem muss jeder Zwerg wissen, wie man einen Vertrag richtig abschließt, auch damit kennt sich der Meister bestens aus. Aber …“ Barutz breitete die Arme aus. „… Es tut gut, mal wieder durch die Höhlenwelt zu reisen und sich die Beine zu vertreten!“
„Das ist bestimmt nicht der einzige Grund“, meinte Simund. „Du willst unbedingt in diesen Hort einbre... eindringen, oder?“
„Es könnte mich berühmt machen!“, antwortete Barutz. „Oder für den Falle, dass die gesamte Familie bereits tot ist, kann ich mir greifen, so viel ich tragen kann und es den Verwandten verkaufen, sollten sie noch welche haben. Und wenn es die auch nicht gibt, dann gehört alles mir!“
Melinde schnappte nach Luft. „Das ist grausam! Wir sollten doch hoffen, dass sie alle noch am Leben und wohlauf sind!“
„Oh du zartes Menschlein“, sagte Barutz. „Das hier unten ist nicht deine Welt.“
Heilige Bastarde, Kapitel 29, Teil 2
Ihr Weg führte sie tiefer ins Erdinnere. Es wurde merklich wärmer, aber auch stickiger. Barutz händigte ihnen weitere leuchtende Kristalle aus, die an Ketten hingen. Ihr leichtes Schimmern half, mit den Füßen nicht im Dunkeln zu tappen.
Schwarzes Wasser verschluckte die Lichtstrahlen der Kristalle. Sie gingen einen schmalen Weg entlang, zu einer Seite eine Felswand, zur anderen ein unterirdischer See. Simund hatte Melinde an der Hand genommen, der Weg konnte jederzeit steil abfallen und geradewegs in den See führen. In einem Moment dachte Simund daran, was es für eine dumme Idee es gewesen war, seine Schwester mitzunehmen. Es bereitete ihm Schwierigkeiten, einen Fuß vor den anderen zu setzen und nicht Gefahr zu laufen, abzurutschen und in den See zu fallen. Dann dann musste er feststellen, wie sicher sie sich fortbewegte. Es hätte ihn nicht überraschen sollen; seine Schwester war es gewöhnt, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden.
„Davon werden wir uns eine Weile ernähren können“, sprach Barutz leise, da das Wasser die Stimmen weit tragen konnte. „In dem See sind Fische und andere essbare Tiere. Bei Gelegenheit werden wir auch unsere Wasservorräte auffüllen.“
„Wie groß ist dieser See?“, fragte Rodried, der sich fast schon an die Wand drückte. „Und wie tief ist er?“
„Ich bin kein Taucher“, antwortete Barutz, „aber bin schon mit dem Boot über manchen See gefahren. Welche Ausmaße dieser misst, kann ich nicht sagen. Es könnte sich um ein ganzes Meer handeln. Ich höre keine Wände, die das Echo meiner Stimme zurückwerfen. Aber schwimmen oder Bootfahren müssen wir wahrscheinlich nicht.“
„Ist das Nebel?“, fragte Hedda. „Steigt dahinten etwa Nebel auf?“
Sie alle standen still und starrten auf den See hinaus, soweit das Licht es ihnen erlaubte. Tatsächlich waberten einzelne Nebelschwaden an das Ufer. Simund spürte, wie es kälter wurde.
„Still“, sprach Barutz. „Geht leise weiter.“
„Was ist das?“, fragte Hedda.
„Leise!“
Es klang wie Trommeln. Ein rhythmisches Schlagen irgendwo auf dem Wasser. Der Nebel wurde dichter und verschluckte Die Trommelgeräusche, so dass es schwieriger wurde, die Entfernung genau einzuschätzen.
„Jetzt mal wirklich“, sagte Piasus mit gedämpfter Stimme. „Was soll das sein? Ist das normal? Womit haben wir es hier zu tun?“
„Geht einfach still weiter!“, antwortete Barutz barsch. „Wenn sie uns nicht hören, wird uns auch nichts passieren!“
Und da geschah es. Rodried rutschte am Stein ab, sein Fuß tauchte ins Wasser und er stieß einen kurzen, erschrockenen Schrei aus. Sofort war Hedda bei ihm und hielt ihn fest.
Ein Licht erschien auf dem See, das Trommeln wurde schneller und Simund konnte hören, wie sich etwas im Wasser bewegte.
„Lauft!“, rief Barutz.
Simund packte Melinde. Sie japste und hielt sich sogleich den Mund mit den Händen zu. Simund folgte den Lichtern, welche zu Barutz' und Piasus' Kristallen gehört haben mussten. Hinter ihm hörte er Rodried fluchen. Dann stolperte er über einen Stein, wäre selber beinahe hingefallen und mit Melinde in den See gestürzt.
Plötzlich waren die Lichter vor ihm verschwunden. Ein kurzer Blick nach hinten: Hedda und Rodried waren ihm dicht auf den Fersen. Er wusste nicht, was mit Barutz und Piasus war. Doch es war keine gute Idee, mit dem Laufen aufzuhören. Gerade als er glaubte, das Trommeln würde beängstigend nahe kommen, wurde er am Arm gezogen und hinunter gedrückt.
„Verdecke das Licht!“ Es war Piasus, der neben einem flachen Stein hockte. Hedda und Rodried folgten sogleich. Barutz bedeutete ihnen, sich ebenfalls in Deckung zu begeben.
Sie alle hielten den Atem an. Wegen der Beschaffenheit der Höhle und des den Klang verschlingenden Nebels erschien das Trommeln mal fern, mal nahe.
Ein Lichtstrahl leuchtete vom Wasser aus auf die gegenüberliegende Felswand. Er suchte nach ihnen, schien ihnen vor die Füße und um die Felsen herum, hinter denen sie sich verkrochen hatten. Fest an ihn gedrückt, spürte Simund den Herzschlag seiner Schwester. Als das Licht kurz verschwand, konnte er seine Neugierde nicht zügeln. Er wagte es, hinter dem Fels hervor zu spähen.
Ein Boot und eine Mannschaft aus Knochen. Es war, als hätten die Toten selbst das Schiff gebaut und befuhren nun die unterirdischen Gewässer. Mehrere Reihen von Skeletten bedienten die Ruder, am hinteren Ende des Bootes schlug ein Skelett die Trommeln. Als das Skelett vorne auf dem Boot mit der Lampe in seine Richtung leuchtete, zog sich Simund schnell wieder zurück.
Nach Minuten, die endlos schienen, verschwand der Nebel, das Trommeln wurde leiser.
„Ist es vorbei?“, fragte Rodried und lugte vorsichtig um den Felsen. „Es tut mir leid. Ich hätte besser aufpassen sollen.“
„Ist schon gut“, sagte Melinde. „Das hätte jedem passieren können.“
„Besser, es wäre nie passiert!“, schimpfte Barutz. Er stand auf und schaute auf den See. „Dankt euren Göttern, dass es vorbei ist. Sie sind weitergezogen.“
„Dürfen wir jetzt endlich erfahren“, sprach Piasus, „vor was wir da gerade panisch weggelaufen sind?“
„Die Toten“, sprach Simund. „Die Toten befahren diesen See.“
„Was? Junge, mache mir bitte nicht unnötig Angst.“
„Er hat recht“, sagte Barutz. „Wir sind hier dem Reich der Toten so nahe, wie ein Sterblicher ihm je nahe kommen könnte. Es heißt, diese Seen seien direkt mit dem Totenreich verbunden. Was sie hier wollen, das kann ich nicht sagen.“ Barutz strich sich über den Bart und blickte ernst auf den See hinaus. Dann leuchteten seine Augen auf und mit einem Grinsen sprach er: „Willkommen in meiner Welt!“
Vielen Dank fürs Lesen!
Dieser Text erschien zuerst auf Götterdunkel.de
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