Reisebericht Sibirien, Sommer 2004, 2005 und Winter 2006 Teil 4steemCreated with Sketch.

in #deutsch8 years ago

Gesangsunterricht und andere kleine Geschichten

Es gibt eine Pflicht, die ich fast vergesse - das Visum abstempeln lassen. Zur eigenen Sicherheit muss man sich registrieren sobald man am Bestimmungsort angekommen ist. Dann kann man nicht verloren gehen in diesem großen Land. Also gehen wir morgens um 8 Uhr los um der Strafe von 1500 Rubeln (40 Euro) gerade noch zu entgehen. Nach dem Ausfüllen von 3 Formularen, was so um die 40 Minuten dauert, zahlen wir 4 und 20 Rubel auf der Bank und kriegen danach den begehrten Stempel.



Den weiteren Tag verbringe ich mit der Suche nach den Obertonmusikern und mache mich allein auf den Weg. In einer Straße, ich nenne sie Schulstraße, gibt es jede Menge Schulen. Irgendwann finde ich die richtige Schule und marschiere einfach rein. Da keiner englisch kann warte ich beim Direktor, der sehr freundlich ist, bis Igor auftaucht. Er ist der Organisator des Usthu-hure Festivals, das in einer Woche beginnt. Ich bin hier um mich anzumelden, denn laut Internetseite kann jeder mitspielen der will. Mit Igor verlasse ich die Schule und wir schreiten zu nächsten. Dort werden wichtige Gespräche geführt, und sofort weiter zur nächsten Schule.



Am Hinterausgang bin ich dann mit einem Mal mitten unter tuwinischen Musikern. Ein Lehrer klimpert etwas auf einer Doschpulur (drei-seitiges Banjo ähnliches Instrument) herum, entgegen aller Ratschläge rauchen einige und ich schüttle viele Hände. Erst jetzt erkenne ich den Lehrer, es ist niemand anderes als Kangar-Ool, jener Musiker den ich vor einigen Jahren auf einem Konzert in Deutschland gesehen hatte. Shon, ein junger Amerikaner, der schon ein Jahr in Tuva lebt, fließend tuwinisch, russisch und of course american english spricht, freut sich genauso wie ich endlich mal wieder englisch zu reden. So erfahre ich viele Details des kommenden Festivals, lerne gleich jede Menge Musikanten kennen und fühle mich sofort integriert. Die Schule ist die staatliche Musikschule, das Kulturministerium ist im gleichen Haus untergebracht. Nach der Zigarettenpause geht der Unterricht weiter und ich werde eingeladen mitzukommen. Das nationale tuwinische Philharmonie-Orchester zu beschreiben fällt schwer. Der Sound noch viel mehr. Hackbretter, Querflöte, Bass, und dann die vielen Streichinstrumente, leicht chinesisch, die Melodien lassen mich reisen, eine wunderbare Stimmung entsteht. Da die Musiker den ganzen Tag hier sind gibt es auch etwas zu essen. Kartoffeln mit Gemüse und Fleisch, zubereitet zwischen den Stücken von den Musikern.




Nach dem Essen geht es zu dritt wieder weiter zur nächsten Schule. Dort trifft sich der neue Obertonchor, der von einem Musiker ins Leben gerufen wurde und die besten Nachwuchssänger Tuvas vereint. Das übertrifft alles bisher gehörte um Längen. Ein Sänger mit Instrumenten, oder zwei, das ist schon beeindruckend. Aber nun stehen 25 davon im Kreis und singen in verschiedenen Stimmen. Ein Beben der fühlbaren Stärke geht von diesem Klangkörper aus. Für morgen werde ich eingeladen mit Instrumenten wiederzukommen um zusammen zu spielen. Völlig gefüllt mit Musik mache ich mich auf den Heimweg. Am Abend findet der Videoabend vom Vortag seine Fortsetzung. Viele Dinge, die ich später im Museum sehe, werden mir erklärt und ich sauge alles begierig auf. In einem Film geht es um eine Konferenz verschiedener Wissenschaftler zum Thema Schamanenheilungen. Im nächsten um eine Versammlung von Schamanen an einem heiligen Platz. Stundenlang, ohne Pause. Dazwischen Musik von CD's, Pfannkuchen (Plini) mit Marmelade und Tee.




Heute ist die erste Obertonstunde. Der für mich geplante Lehrer hat keine Zeit, aber er vermittelt gleich an Ort und Stelle einen neuen. Wir suchen in zwei Schulen einen Raum, finden aber keinen und gehen zum Fluss. Am Ufer des Jenesei werde ich von Belek behutsam darauf hingewiesen den Atem durch den Mund kommen zu lassen, den Ton im Körper zu erzeugen und die Stelle in der Kehle, an der der Druck anzusetzen ist wird mir gezeigt. Dann gehen wir wieder in eine andere Schule und ich kriege eine Einführung in das Spiel auf der Igil. Das Instrument meiner Träume. Ich will dieses Instrument lernen, doch dazu brauche ich eines. Ab 100 Euro gibt es Instrumente, allerdings nur auf Bestellung. Also werden wir einen Meister besuchen und eines bestellen. Das klappt einige Tage später auch und ich werde in drei Wochen ein eigenes Instrument haben. Bis dahin quäle ich mich mit dem tuwinischen Oberton- und Baßgesang, lasse das aber später ganz sein. Unterricht auf tuwinisch ist noch ein paar Gedanken wert. Eine Stunde ist eine Lektion und die kann auch 2 Stunden dauern, oder drei. Bezahlt wird eine Lektion, der obligatorische Dolmetscher kostet extra und wird nach Stunden bezahlt. Der Dolmetscher ist notwendig, da die tuwinischen Musiker nur auf tuwinisch unterrichten. Lehrer findet man problemlos, da zu unterrichten, für die Musiker dort, eine der wenigen Möglichkeiten ist, überhaupt etwas Geld zu verdienen. Schade ist nur der Mangel an Instrumenten. Ich hatte Glück, den ich war fast sieben Wochen in Tuva, aber was, wenn jemand nur 4 Wochen dort ist?

Am Flughafen in Moskau hatte ich meine Bankkarte das erste mal benutzt um in den Besitz von Rubeln zu kommen. Nun gehen diese dem Ende zu und Nachschub ist notwendig. Banken mit Automaten gibt es wie bei uns, alles kein Problem. Bis ein Automat auftaucht, der kein englisch spricht. Und ich spreche kein russisch. Da ist guter Rat teuer, die Karte ist im Automat, irgendwas blinkt, die Frage Nummer oder Betrag ist die Frage des Tages, was tun? Nichts. Ein kleiner Junge, vielleicht 6 Jahre alt, schiebt sich vor mich drückt hier und da, und schwupp ist alles klar. Zum Dank gebe ich ihm 50 Rubel. Da beginnt dieses Kind förmlich zu fliegen, springt wie ein Gummiball aus der Bank zu einem Auto, winkt mit dem Schein zu seinen Geschwistern und kann sein Glück kaum fassen. Später wird mir gesagt dass 50 Rubel viel zu viel waren, ein großes schlechtes Gewissen habe ich aber nicht, denn die Freude dieses Kindes war riesengroß.

Schilder mit der Aufschrift Gastronom weisen nicht auf eine Gaststätte hin, sondern auf ein Schlaraffenland. Keine Schaufenster weisen den Weg, nur der Strom der Menschen verrät etwas besonderes. Also hinterher und schauen was es dort gibt. Eine Vielzahl von Geschäften mit Waren aller Art ist in einer Art Markthalle versammelt. Mein Urbayrisch und Handzeichen genügen um zwei Stück Kuchen und ein Eis zu erstehen. Nachdem nun auch das Einkaufsproblem erledigt ist schlendere ich noch eine Zeit lang durch die Straßen und fahre dann mit dem Bus heim. Da ich fast immer alleine unterwegs bin ist es sehr wichtig vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein.

Fortsetzung folgt!

Teil 1: https://steemit.com/travel/@schamangerbert/reisebericht-sibirien-sommer-2004-2005-und-winter-2006-teil-1
Teil 2: https://steemit.com/deutsch/@schamangerbert/reisebericht-sibirien-sommer-2004-2005-und-winter-2006-teil-2
Teil 3: https://steemit.com/deutsch/@schamangerbert/reisebericht-sibirien-sommer-2004-2005-und-winter-2006-teil-3
Erstveröffentlichung/Initial release by @schamangerbert feb/19/2017

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Nice posts though I did not understand what is written .

I am sorry for that, but my native language is German and in English I may not serve the points of humor I have :)

It is ok. I am indeed happy that you replied me.

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