Medien 021 - Umgang mit Aussagen von Experten und Vereinsrepräsentanten - Ein Beispiel

in #deutsch6 years ago (edited)

08. September 2018

In medialen Publikationen werden nicht selten Experten oder Vertreter von Organisationen und Interessengemeinschaften zitiert, um einer These, einer Antithese oder einer Schlussfolgerung mehr Gewicht zu verleihen. Dem Leser, sofern er seine Aufgabe ernstlich und mit dem Ziel sich weiterzubilden erledigt, fällt dabei auch eine Aufgabe zu. Er sollte sich sofern möglich sowohl über den Stil und Gesinnung des Verfassers und des zu Wort gekommenen Experten oder Vereinigungsvertreter informieren. Darüber hinaus ist auch ein Elefantengedächtnis äusserst hilfreich.

Warum das für eine erwachsene Informationsverarbeitung mit dem Zweck der Wahrheitssuche wichtig ist, soll an einem aktuellen Beispiel kurz aufgezeigt werden.

Heute wurde mir über Facebook eine Aussage des Vorsitzenden eines der Römisch-Katholischen Kirche nahestehenden Vereins zugetragen mit Verweis auf zwei Medienerzeugnisse [1, 2]. Die Aussage lautete:

"Die AfD ist rechtsradikal!"

Soweit so gut, das ist eine Aussage, die aus meiner Sicht innerhalb der Grenzen des Sagbaren liegt. Das Recht auf freie Meinungsäusserung lässt es zu, eine politische Partei oder Bewegung als radikal zu bezeichnen. Das Verdikt rechtsradikal ist auch nicht das schlimmste, welches man sich vorstellen kann. Es bedeutet nämlich, dass man nahe an der Wurzel einer politisch rechten Positionierung steht (lat. radix bedeutet Wurzel). Radikal ist nicht dasselbe wie Extremismus. Politischer Extremismus bedeutet, eine Positionierung bis zum äussersten zu verteidigen und zu verbreiten versuchen.

Wenn das politische Spektrum tatsächlich in einer Dimension dargestellt werden soll, ergeben sich unweigerlich und unveränderlich Positionen von links bis rechts. Somit müssen auch rechte Positionen zulässig sein, klassischerweise sind das republikanische Positionen, bürgerlich, wertkonservativ und wirtschaftsliberal, auch marktwirtschaftlich oder kapitalistisch genannt. Im deutschsprachigen Raum werden gerne auch nationalsozialistische Vorstellungen rechts verortet. Diese unterscheiden sich von der zuvor genannten Position aber signifikant. Die sind nämlich weder bürgerlich, noch marktwirtschaftlich, noch sind sie konservativ, sie sind im Gegenteil revolutionär. Im deutschsprachigen Raum wird das trotzdem gerne vermischt, teilweise so sehr, dass man meinen könnte, dass die von der Stigmatisierung betroffenen teilweise selbst daran glauben. Solche Einschätzungen waren schon in vielen meiner Artikel zu lesen und darum soll es hier nicht mehr gehen.


Sondern es soll darum gehen, wer diese Aussage eigentlich getätigt hat und im Namen welcher Organisation. Das Gespräch, welches unter [1] gelesen werden kann, fand zwischen der Neuen Osnabrücker Zeitung und dem Vorsitzenden des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) [3], der promovierte Theologe Thomas Sternberg [4], statt. Das ZdK ist ein Verein, der der Römisch-Katholischen Kirche [5] verbunden ist. Er ist ein Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte, der katholischen Verbände und von Institutionen der Laienvertretung und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Der Verein ist Koordinationsgremium etwa für die Organisation von Kirchentagen anerkannt, stellt jedoch weder ein Organ der Kirche noch eine Vertretung aller katholischen Laien dar.

Obwohl der genannte Verein nicht mit der Kirche selbst identisch ist, noch in deren hierarchischer Gliederung erscheint, wird in der Einleitung zum Gespräch [1] geschrieben, dass der Präsident des ZdK rund 23 Millionen Katholiken vertrete. Auch steht nicht gegenüber wem diese Vertretung wahrgenommen wird.

Da es sich um eine politische Aussage handelt, sollte man auch überprüfen, ob vonseiten des Vereins oder des Präsidenten politische Positionen besetzt werden. Wer sich nur den Eintrag bei Wikipedia durchliest, erkennt schon, dass das ZdK sich nicht nur politisch äussert, sondern dass es auch 231 Delegierte gibt. Die Vollversammlung, die zu den halbjährlich stattfindenden Tagungen auch politische Erklärungen abgibt, besteht aus

  • Vertretern der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Organisationen Deutschlands (AGKOD), diese werden gewählt (97),
  • Mitgliedern der Laienvertretungen der deutschen Diözesen (Katholikenräte bzw. Diözesanräte), 3 aus jeder der 28 Diözesen (84),
  • hinzugewählten Einzelpersönlichkeiten, die meist der Politik oder dem öffentlichen Leben entstammen (45).

Die ZdK ist also in nicht unwesentlichem Masse eine politisch geprägte Vereinigung. Selbiges gilt auch für den Präsidenten Thomas Sternberg [4]. Dieser ist seit 1974 Mitglied der Partei Christlich Demokratische Union (CDU), war bei der Stadt Münster in verschiedenen Funktionen tätig - als Mitglied des Kulturausschusses und des Stadtrates. Weiter sass er für die CDU von 2005 bis 2017 im nordrhein-westfälischen Landtag und ist seit 2012 im Vorstand der CDU Nordrhein-Westfalen. Herr Sternberg ist also nicht allein ein Vertreter eines kirchennahen Vereins, sondern auch ein Akteur im politischen Wettbewerb. Thomas Sternberg ist auch Beisitzer im Vorstand der bundesweiten Kulturpolitischen Gesellschaft (KuPoGe) [6]. Für seine Verdienste wurde er 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse geehrt.

Es ist nicht so, dass man schlussfolgern sollte, dass Herr Sternberg keine sinnvollen Aussagen zur Politik beisteuern könnte. Sein Lebenslauf zeigt viele Leistungen, für die man sich nicht schämen muss. Aber ich halte es für problematisch, wenn jemand in einem Gespräch ausschliesslich als Präsident einer Organisation vorgestellt wird und dann Aussagen über einen Bereich folgen, der mit anderen Aktivitäten dieses Menschen viel enger verbunden sind. Das disqualifiziert aber weniger Herrn Sternberg als vielmehr das Medienerzeugnis, welches seine Leser nicht so informiert, dass sie sich einen vernünftigen Überblick über die Persönlichkeit und deren Leistungsausweis verschaffen können. Damit könnten sie besser nachvollziehen und verstehen, wie und warum es zur einen oder anderen Aussage kam. Auch wenn die politische Tätigkeit aus einer Nachlässigkeit heraus nicht erwähnt wird, halte ich sie für zu gross um sie nicht zu monieren.

Mir hat mein nicht immer einem Sieb ähnlich sehendes Gedächtnis hier geholfen, da ich mich an den Namen Sternberg zu erinnern glaubte. Thomas Sternberg erschien nämlich auch in der Reportage des Südwest-Rundfunks (SWR) Wahre Christen oder böse Hetzer [7], die ich im Herbst 2017 ausführlich analysierte [8]. Sternberg sagte dort, dass man nicht die Direktive herausgeben wolle, dass die AfD grundsätzlich unwählbar sei, sondern dass man schon argumentieren möchte. Auch damals wurde die Parteizugehörigkeit und politische Tätigkeit nicht erwähnt.

Um dem Artikel ein Titelbild zu geben, sei ein kurzes News-Video mit der Kurzzusammenfassung der Aussagen von Thomas Sternberg geteilt, welches aber nicht unbedingt angesehen werden muss [9].

In der Zwischenzeit ist von mir zum Thema auch ein Video erschienen [10], etwas wirklich neues findet man darin aber nicht. Einfach eine möglicherweise noch etwas anschaulichere Darstellung. Ein Klick auf das Bild führt direkt zu BitTube.

2018-09 - Medien Experten Vereinsrepräsentanten.jpg


[1] Interview mit Thomas Sternberg - Katholikenkomitee: AfD ist rechtsradikal. Neue Osnabrücker Zeitung, 08. September 2018 https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/1520017/katholikenkomitee-afd-ist-rechtsradikal
[2] Nach Chemnitz : Katholiken-Präsident stuft AfD als rechtsradikal ein. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08. September 2018 http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/nach-chemnitz-katholiken-praesident-stuft-afd-als-rechtsradikal-ein-15777609.html
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralkomitee_der_deutschen_Katholiken
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Sternberg
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Römisch-katholische_Kirche
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturpolitische_Gesellschaft
[7] Spaltet die AfD die Kirchen? Wahre Christen oder böse Hetzer? SWR.de, 15. September 2017 https://www.swrfernsehen.de/spaltet-die-afd-die-kirchen-wahre-christen-oder-boese-hetzer/-/id=2798/did=20289370/nid=2798/ofo7as/index.html
[8] Politik 047 - Verleumdung und Denunziation sind keine gültigen Argumente - Teil 4. @saamychristen, 10. Oktober 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-047-verleumdung-und-denunziation-sind-keine-gueltigen-argumente-teil-4
Politik 046 - Verleumdung und Denunziation sind keine gültigen Argumente - Teil 3. @saamychristen, 10. Oktober 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-046-verleumdung-und-denunziation-sind-keine-gueltigen-argumente-teil-3
[9] Katholiken-Präsident stuft AfD als rechtsradikal ein. Kostador News, 08. September 2018.
[10] BitTube 003 - Medien Experten Vereinsrepräsentanten. saamychristen bei BitTube, 09. September 2018 https://bit.tube/play?hash=Qma2syhCoNd7Y731f4zYTHK65Hmn24K8LRKR43SkDaM53S&channel=59664


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