Mein Beitrag zum #de-poetryslam, powered by @joe.backpacker

Ich habe neulich das erste mal Kleidung im Waffenladen gekauft. Besser gesagt: in "meinem" Waffenladen. Da bin ich ja guter und gern gesehener Kunde, das ich denke, dass ich mein Weihnachtsgeschenk für 2018 charmant und aber auch bedenkenlos einfordern kann. Das weiss auch Freddy, der Chef. Naja klar, ablehnen kann er das ja nicht. Dann wäre er ja doof.

Aber wer wisse wie es bis dahin kommt. Schließlich will mich Jorge, mein persönlicher Lieblingsansprechpartner im Laden, auch mit seiner Tochter verkuppeln. Mit welcher von den Dreien ist ihm recht egal. Hauptsache ich werde Teil der Familie. Kann ich auch nachvollziehen, wenn man beinahe monatlich mehrere Monatsgehälter in den Laden bringt. Aber über was ich berichten will:

Meine Leidensgeschichte
-- oder --
Warum man keine Kleidung im Waffenladen kaufen darf. Zumindest nicht bei Jorge.

Eigentlich habe ich passende Unterkleidung für meinen Ghillie gesucht. Zur Erklärung: ein "Ghillie" ist praktisch ein Tarnumhang für beispielsweise Scharfschützen, um die menschlichen Konturen zu verwischen. In diesen Überwurf sind viele viele Fäden aus Jute eingeknotet. In besch, grün, braun, sieht man dann praktisch aus wie der Zottelyeti in Camouflage. Naja, und als ich da eh im Laden war, welch Schreck! Die Kleidungsecke ist verschwunden!

Jetzt läuft eigentlich alles in Sekundenschnelle; gefühlt waren es jedoch Stunden: mit rasendem Puls und Schweiss auf der Stirn blicke ich total verwirrt im Laden umher und spüre, wie die Ohnmacht aufkommt und versuche noch, mich mit den Händen am Regal festzuhalten... Kurz vor'm Hyperventilieren und im Ohnmachtsanfall merke ich, wie mich Jorge, scheinbar auch Rettungsassistent, wieder in die Welt zurückholt, indem er mich fest am Arm greift, mich behutsam in die stehende Seitenlage manövriert und flüstert: "Ofertas, ofertas! Muuuuy barato!" Was soviel heisst wie "Angebote, Angebote! Seeeehr günstig."

Schlagartig bin ich also wieder durch eben jene magische Zauberformal in der Realität angekommen! Ob der überquellende Speichelfluss, genauso wie mein Schub an Glückshormonen, sich während der Ohnmacht eingestellt hat, während dem zwischenzeitlichen epileptischen Anfall oder ob ich zu sabbern angefangen habe, als ich "Ofertas, ofertas!" gehört habe, kann ich rückblickend garnicht mehr sagen. Klar ist jedoch: vor Jorges Töchtern sah ich wahrscheinlich recht suboptimal aus. Aber ich denke mir, das sind sie eh auch schon von anderen Männern im Waffenladen gewöhnt und von daher...

Da sind sie nun! Obwohl in Naturfarben, strahlen sie mich golden an! Die Hemden, Hosen, T-Shirts, Jacken und Pullover. Dass es hier in Paraguay sowas von heiß ist, das ich mir nichts geileres vorstellen kann, als eingepackt in Pullover und Jacke im Dschungel zu sitzen, ist ja im Grunde nebensächlich. Immerhin: Realtree! Alles von der Marke Browning und in diversen Dekoren. (Intern läuft in solchen Momenten dann bei mir übrigends die Pinky-und-der-Brain-Melodie ab.)

Kurz zur Erklärung: "Realtree" heisst eine Auswahl an Designs, welche der Natur nachempfunden sind, und womit verschiedenste Artikel ausgestattet sind. Praktisch sieht das Realtree-Design aus, als hätte man den Wald auf der Hose oder auf dem T-Shirt. Oder wo auch immer: Schuhe, Klebeband, Waffen, Fahrzeuglackierungen usw. usw. Praktisch gibbet nix was nicht auch im Realtree-Dekor verfügbar wäre.

Da es aber nicht nur eine Art von Natur gibt, gibt es verschiedenste Designs des Realtree. Ob nun Steppenlandschaft, Eiswüste oder Sumpfland oder wie auch immer. Mit Realtree hat man praktisch die Möglichkeit, sich perfekt in die Umgebung einzupassen.

Kopfintern wird nun auch Jorge Purzelbäume geschlagen haben, der natürlich bei meiner Begeisterung ebenfalls aufblüht wie eine lila Osterglocke im Frühlingslicht, als ich ihm berichte, wie sehr ich auf das Realtree stehe. Worauf er natürlich gleich anfängt, mir alle Klamotten auf die Arme zu laden. Obwohl Jorge (und seine Töchter auch) wissen, das ich Single bin, packt er mir JEDE Kleidergröße auf die Arme. Das ich garkeine Kinder im Säuglingsalter habe und von daher die Verwendung so mancher T-Shirts jetzt nicht so richtig einordnen kann, ignoriert Jorge aber zielstrebig. Hauptsache verkaufen und der Kram kommt endlich aus dem Laden raus.

Zu bremsen war Jorge nur, das ich ihn stets darauf hinweisen musste, das dieses oder jenes Dekor, jetzt aber nicht mit diesem oder jenem Dekor zusammenpasst. Oder eben ich auch garkeine keine Kinder habe. Aber im Grunde waren alle Versuche eigentlich vergebens. Ich meine, das muss ja alles im Dekor zusammenpassen, weil: wenn schon, denn schon. Mein Dekor der Wahl: "Realtree Max-5".

Jorge kann, oder will(?), die verschiedenen Dekore aber irgendwie nicht unterscheiden, welche ja aber wirklich nur minimal voneinander abweichen. Kurios finde ich immer, wenn ich mich mit der Ware im Waffenladen besser auskenne als die Verkäufer und meine Hinweise, das die Dekorbezeichnungen aber auch überall auf dem Kleidungsstück aufgedruckt sind, ignoriert er gewissentlich. Jorges offensichtliches Gedanken: "Pablito, hauptsache du kaufst diesen Krempel jetzt."

Ja, aus irgendeinem Grund will ich mich vor Jorge beweisen und tue so, als ob ich übernatürliche Kräfte hätte und seine Gedanken lesen könne. Nachdem ich also mit meinem Handrücken der rechten Hand an der Stirn kurz etwas umhertaumelte, ergreife nun ich Jorge fast am Oberarm und sage (auf Spanisch natürlich): "Ok, Jorge. Abgemacht!" Jorge scheint aber sichtlich irritiert über meine paranormalen Fähigkeiten, nickt mir nur halb versteinert zu und bekommt den Kinnladen nicht mehr geschlossen.

Naja gut. Und weil mir Jorge dann doch irgendwie ärmlich vorgekommen ist (was er ja aber gar nicht ist! Jorge ist ein ganz korrekter und feiner Typ!), die Töchter irgendwie doch recht passabel sind und er auch irgendwie recht unverständlich was von seinem Hund, dem Tierheim und seiner Geschichte als Waisenkind erzählt hat, wollte ich ihn einfach nicht hängen lassen.

Fakt it in jedem Fall:

Muchacho Jorge hat mir dann doch eine Hose im Dekor "Realtree Xtra" untergejubelt. Zur Erinnerung: mein Dekor der Wahl war ja eigentlich "Realtree Max 5". Der Schuft! So, jetzt stehe ich da nun. Oben sehe ich aus wie eine Sumpflandschaft, unten wie Unterholz in Kanada. Stelle sich das einer mal vor!?

Nun, die Unterschiede sind jetzt zum Glück jetzt nicht sooooo riesig, wie es erstmal klingt. Aber glaubste nicht, dass die Tiere das checken? Die Lachen mich doch aus! Die sagen: "Guck mal! Der Spacko! Oben sieht er aus wie Sumpflandschaft und unten wie kanadisches Unterholz!".

Jagderfolg? Damit?

Und jetzt die schlimmen Fakten in dieser Geschichte.

Man könnte vermuten, das Rettungssanitäter Jorge hat es an den Augen (oder mir mutwillig?!?) ein "falsches" Dekor untergejubelt; in der Annahme "der Pablo kommt eh wieder und kauft folglich auch das komplette Xtra-Sortiment, nachdem er den kompletten Realtree-Max-5-Bestand ausgeräumt hat."

Also sach mal, so doof muss Paul erstmal sein! Aber um es vorweg zu greifen: er hat Recht. So doof ist der Paul.

Alle, wirklich alle Textilien, welche ich dort gekauft habe, wurden zuvor von Engeln getragen. Zumindest fühlen sie sich so an und noch viiiiel besser: sie riechen auch so! Kennst du diesen Duft der Liebe? Diesen Duft, welchen dein Partner umhüllt und dich zum dahinschmelzen bringt? Genau SO riechen diese Klamotten und du wirst sie niiiie wieder ablegen wollen...

Aber was bedeutet das?

Hast du damals deinem Lieblingsstar die Hand gegeben? Und wie lange danach hast du dir die Hand nicht mehr gewaschen? Also ich sach mal so: noch machen sich die Klamotten super! Der Duft ist nach wie vor vorhanden und ich habe das Gefühl, die zusätzlichen Dreck-, Schlodder-, und Schlammschichten machen (auf jeden Fall die Hosen) wesentlich robuster! Ich habe da jetzt so 'ne Art wie Knieschützer dran.

Und jetzt? Kann ich diese Klamotten nicht mehr ausziehen.

Die Nachbarn meiden mich nun schon seit Wochen und der Jagderfolg bleibt auch aus. Wahrscheinlich stinke ich doch mittlerweile wie ein Puma. Und das auf 13 Kilometer Entfernung. Gegen den Wind. Also, zumindest sagen das meine Nachbarn, welche 13 Kilometer von mir entfernt leben.

Kurz und knackig die Resultate der ganzen Geschichte

1.) Werde ich seither von den Enten gemobbt, weil ich oben aussehe wie Sumpflandschaft; an den Beinen aber wie Kanada höchstpersönlich.
2.) Stinke ich nun wie ein Puma, verfeinert mit Engelsduft! Wahrscheinlich wie ein ganzes Pudelruma, ääähm Rumaprudel, ääh Puma-Rudel. Also wenn Pumas überhaupt Rudeltiere wären!
3.) Muss ich jetzt neben der Realtree Max-5-Kollektion noch die komplette Xtra-Kollektion kaufen!
4.) Jorge wird wieder Verkäufer des Jahres.
5.) Werde ich jetzt wohl Jorges Tochter heiraten müssen! Wobei die Frage offen bleibt, welche Tochter und ob ich das so stinkend kann oder ob ich die Kleidung dazu ausziehen muss.
6.) Wird mich das alles wieder Millionen (an Guaraní) kosten! Kleidung, Hochzeit, Studium der Kinder usw. usw. Toll Paul, da hast du ja nun dein Singleleben erfolgreich gegen die Wand gefahren
7.) Wird sich dann wieder mein Frau von mir scheiden lassen, weil ich all mein Geld in Waffen und Realtree-Max-5 ("im Angebot") gesteckt habe und folglich total verarmt bin. Aber immerhin: wieder Single.
8.) Verarmt also nun, von Enten gemobbt, stinkend wie ein Pumarudel und von den Nachbarn ignoriert, geschieden und versklavt durch Unterhaltszahlungen irgendwo auf der Parkbank: Paul.

Aber hey, und jetzt kommt das Happy-End, da sitze ich nun, zwar stinkend, aber immernoch leicht duftend wie ein Engel und mit einer Waffensammlung wie ein Al Capone!

Kinder, was lernen wir daraus?

(P.S.: Bleibt sauber & sicher!)
(P.P.S.: Jetzt mal im Ernst: support your local (gun)store!)