Debattenkultur - Empathie, Aufmerksamkeit oder auch aktiv zuhören #2

in #deutsch7 years ago (edited)


Hallöchen! =)
Heute folgt mein zweiter Beitrag zu dem Thema Debattenkultur.
Für Interessierte Hier der erste Teil.



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Ich bin verabredet und beginne zu sprechen. Mein Gegenüber kann sehen das sich mein Mund bewegt, kann meine Stimme hören. In seinem Kopf ist er jedoch schon lange nicht mehr anwesend. In Gedanken hängt er bei dem vergangenen Arbeitstag, seinen aktuellen Problemen. Beschäftigt mit dem eigenen Stress.

Im Alltag begegne ich diesem Verhalten erschreckend oft. Häufig finde ich mich in Konflikten oder Diskussionen wieder, die mit dem ursprünglichen Thema nichts mehr zu tun haben. Warum? Häufig weil kaum oder zu wenig auf das Gegenüber geachtet wird und man hauptsächlich mit sich, seiner Meinung und seinen Gegenargumenten beschäftigt ist. Im Nachhinein bemerkt man , wie destruktiv man sich dadurch verhält.

Wenn ich dieses Verhalten, das mir neu erscheint, im Kontext der Debattenkultur über Politik betrachte, erscheinen mir die Folgen fatal. Fronten verhärten sich, keiner findet Kompromisse. Äußerst undemokratisch, so können keine Lösungen entstehen.

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50% / 50%

Zuhören – im Sinne von voller, aufrichtiger und echter Aufmerksamkeit für unser Gegenüber – sei eine Eigenschaft, die gerne unterschätzt wird, sagt der Anthropologe und Autor William Ury.

Mir erscheint es, als würden viele Menschen ein großes Defizit in ihrer Gesprächskultur aufzeigen: aktives zuhören.

Hierfür müssen wir uns vorab Folgendes bewusst machen: Ein Gespräch stellt insgesamt die 100% dar. Davon sollten, im Idealfall, 50% dem Sprechen und 50% dem Zuhören gewidmet werden. Sprich: 50% Informationen geben, 50% Informationen aufnehmen.

Bis hierhin also ganz simpel.

Spannender ist: Wie höre ich während dieser Zeit aktiv zu?

Während meiner Auseinandersetzung mit William Ury kam ich zu folgenden Ergebnissen:
Allem voran muss man sich mit sich selbst beschäftigen. Laut Ury soll man sich vor jedem Gespräch ein paar Minuten der Ruhe gönnen, in sich hinein hören und sich dabei seiner eigenen Gefühlswelt bewusst werden. In darauf folgenden Gesprächen könne man sich dann besser von eigenen Gefühlen und Problemen befreien. Es entsteht Platz für den Gesprächspartner.

Hier liegt der Schlüssel zu aktivem Zuhören: Man will verstehen, was das Gegenüber versucht mitzuteilen. Demnach Motive und Emotionen begreifen.
Vielleicht klingelt an dieser Stelle der Begriff "Empathie" bei dem ein oder anderen.

Zuhören ist nicht passiv

Die Voraussetzungen sind also eine offene Grundhaltung, authentisches Auftreten und den Standpunkt des Gegenübers zunächst als positiv zu betrachten.
Weitere wichtige Aspekte für das aktive Zuhören:

  • sich auf das Gegenüber einlassen, Konzentration auf das Gespräch richten
  • die eigene Meinung zurückhalten
  • Unklarheiten ansprechen
  • zuhören heißt nicht alles Gesagte gutheißen zu müssen
  • Gesprächspausen aushalten (sie können ein Anzeichen für Unklarheiten, Angst oder Ratlosigkeit sein)
  • auf die eigene Gefühlswelt achten
  • die Gefühle des Gegenübers erkennen und ansprechen
  • Gelegentlich in eigenen Worten wiedergeben, wie und was man bisher verstanden hat
  • Geduld haben und das Gegenüber ausreden lassen
  • sich innerlich in die aktuelle Situation des Sprechers versetzen

Es wird offensichtlich: Zuhören ist ein genauso aktiver Teil des Gesprächs, wie das Sprechen.

Der Zuhörer ist ein schweigender Schmeichler.“ – Immanuel Kant

Wie viele Streitsituationen habt ihr erlebt, die nur eskalierten, weil einer der Beteiligten dem Drang nicht widerstehen konnte, selbst laut und affektiert zu werden?
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Die von Ury aufgezeigte Strategie "aktives Zuhören" lässt sich auf beliebige solcher Situationen übertragen. Sowohl kleine Meinungsverschiedenheiten in der Beziehungen, berufliche Auseinandersetzungen und, für mich aktuell besonders spannend, politische Debatten.
Hinweis: Wie soll man in einer Diskussion Einfluss auf die Denkweise des Gegenübers nehmen können, wenn man nicht wirklich versteht, wie sie denken?
Wer aufrichtig zuhört, erfährt mehr und kann angemessenere Entscheidungen treffen.
Man gibt dem Gesprächspartner das Gefühl, respektiert und wertgeschätzt zu werden und helfen ihm, sich besser zu fokussieren.
Noch dazu helfen wir uns dabei, indem wir uns besser fokussieren und werden dadurch mehr respektiert und wertgeschätzt.
Bemerkenswert, wie logisch sich das eigentlich anhört, oder nicht?

Empathie ist eine Pflanze

Empathie fängt mit einer Entscheidung an:

"Ich muss unbequeme Situationen aushalten, aber ich möchte mich in mein Gegenüber hineinversetzen. Wie würde ich seine Situation wahrnehmen?"

Mit der Zeit baut sich unser Gehirn auf diese Weise immer stärker um, laut aktuellen Studien vieler Hirnforscher. Die neurologischen Bahnen, welche Einfluss auf unserem Einfühlungsvermögen nehmen, werden stärker. Empathie etabliert sich in dem gelebten Verhalten. Wir reagieren, wie wir es uns von uns wünschen würden.

Nicht überfordert fühlen und deshalb wegschauen, daher als Erinnerung:
Es gilt nicht die ganze Welt zu retten. Es reicht schon aus, wenn wir sie hier und da ein bisschen angenehmer gestalten.

Vielleicht lösen wir eine Revolution des Zuhörens aus?



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Eure @patze

Sort:  

Schöner Artikel! Ich habe dir gerne zugehört, glaube sogar zu 100%, und werde es wieder tun :) Hoffentlich erreicht es genau die Menschen, die es am Meisten brauchen. Upvoted & resteemed ;)

Vielen Dank für deine Unterstützung. Es lag mir doch sehr am Herzen, vermutlich auf Grund meines Einfühlungsvermögens. =D

EMPATHIE - ein Begriff, auf welchen Du auch beim letzten Post schon hingewiesen hattest.
Gefällt mir.

Bei dem Stichwort Empathie denke ich immer wieder an den Vortrag von Peter Kruse

Wir erleben, daß unsere "weltliche Orientierung" nicht zeigt wie Empathie funktioniert und stattdessen eher die Fronten mit Andersdenkenden verhärtet.
Und wenn das einstige "Vorbild" zeigt, daß das Einfühlen in die Mitmenschen unwichtig wird, brauchen wir uns nicht zu wundern, daß die Kinder von Mutti Merkel und Vater Staat diese Verhaltensweise kopieren.

Schauen wir mal, ob es uns gelingt von unseren alten Vorbildern loszulassen um zumindest selbst die Kurve zu kriegen.
Neben der physischen Reife sollten wir sie schließlich auch auf geistiger Ebene irgendwann einmal erlangen. ;)

Sehr hochwertiger Vortrag, nur zu empfehlen. Ich habe den Bogen zur Politik bewusst nur angedeutet. Allerdings bin ich völlig deiner Meinung. Empathie sollte wieder vorgelebt werden und Teil unseres Alltags werden. Auch im globalen Umgang.

Good post follow :)

Hi @patze, schöner Artikel :) eigentlich alles nicht wahnsinnig schwierig und wird doch nur selten angewandt :) Oft ist es schwierig aus den eigenen Gedanken herauszukommen um den anderen wirklich verstehen zu können.
Danke für den Post !

Ja das ist die größte Herrausforderung, ich übe selbst noch. :)
Danke dir für deine Unterstützung.

Interessanter Artikel, danke!

Danke dir.

Wieder ein wunderbarer Artikel von dir Liebes. Beim Zuhören finde ich gerade auch die Aspekte das wir alles Gehörte mit unserer eigenen Realität verknüpfen auch sehr wichtige. Was immer wir hören wird in die Resonanz mit unserer eigenen Vergangenheit gehen, wer ich dessen bewusst ist, kann sehr viel empathischer zuhören.
Ich selber darf da noch viel lernen :)

Das hast du genau richtig erkannt. Ich glaube das muss man immer wieder neu vertiefen, immerhin entwickelt man sich selbst auch weiter. Das wird spannend bleiben :)

@patze/Toll geschrieben, ich mag deinen Beitrag!

Danke dir =)

Resteemed your article. This article was resteemed because you are part of the New Steemians project. You can learn more about it here: https://steemit.com/introduceyourself/@gaman/new-steemians-project-launch

Wow thank you! =3

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