Meine etwas andere Kindheit
„Sie sind ganz schön zäh dafür,
dass sie so viel negatives im Leben erlebt haben.“
„Hmmm... meinen Sie? Ich wünschte, ich wäre stärker.“
Ich besuche in letzter Zeit eine Psychologin, die mir hilft wieder auf die Beine zu kommen. Es tut ziemlich gut, aber oft auch sehr weh über alles mit ihr reden zu können. Ich bin schon ein recht offener Mensch, was mich und mein Leben betrifft aber es gibt manche Sachen, die behalte ich lieber für mich, Bzw. Gibt es auch Dinge, bei denen mir gar nicht auffällt wie schlimm sie eig. sind, bis man mich darauf aufmerksam macht. Damit sie mich besser einschätzen konnte, erzählte ich ihr, wie meine Kindheit verlief. Da meine Eltern damals selbstständig waren, arbeiteten sie rund um die Uhr. Auf mich passte also eine Oma auf, die aus Vietnam kam. Die vietnamesischen Erziehungsmethoden unterscheiden sich stark von der westlichen Welt. Zum Beispiel wird körperliche Gewalt als ganz normal angesehen. Meine Mum hat mich damals auch geschlagen aber nur mit Stäbchen oder einem Bambusstock, kam aber nicht oft vor. Sie war im Gegensatz zu anderen vietnamesischen Müttern eine wirklich liebevolle und verständnisvolle Frau. Nicht jedoch meine Nanny Oma die mich auf dem Weg zum Kindergarten immer als hässlich und stinkend beschimpfte und behauptete, meine Eltern würden mich gar nicht lieben und hätten mich niemals geliebt. Ich sagte dazu nie etwas und glaubte ihr auch nicht. Aber es machte mich wütend, das jeden Morgen mit anhören zu müssen. Ich erzählte es jedoch auch keinem.
Sie hatte damals eine sehr, sehr starke Verbindung zu der katholischen Kirche. Denn wir gingen jeden Tag in die Kirche und saßen dort ziemlich lange rum (ich war damals 4 oder 5 Jahre)
Ich fand das immer mega langweilig und fragte sie, warum wir so lange rumsitzen mussten. Aber egal wie oft ich sie darum bat endlich zu gehen, sie zischte mich immer an und flüsterte zynisch: "Wenn du nicht endlich still bist, dann schlag ich dich daheim mit einem Stock!"... Ja ich weiß! Sie sagte das tatsächlich in der Kirche!
Und immer bevor wir die Kirche verließen, füllte sie das Weihwasser in eine 0,5L Flasche ab.
Wenn wir daheim ankamen, fing sie an irgendwelche Gebete aufzusagen und verteilte mit einem kleinen Zweig an dem noch Blätter hingen das Weihwasser durch die Wohnung. Sie hat mich auch immer täglich damit bespritzt, weil ich laut ihr, ein böses Wesen sei. Eines Tages, ist irgendetwas vorgefallen, ich erinnere mich nicht mehr daran was ich getan habe, aber die Nanny war ziemlich wütend auf mich und meinte, sie müsse jetzt den Dämon aus mir austreiben. Sie schlug mich mit einem Ast, an dem noch paar Zweige hingen auf dem Po. Das tut echt weh, denkt man gar nicht. Und rieb Salz und Chili in meine Wunde. Der Schmerz hat sich so tief in mein Gedächtnis eingebrannt, ich krieg jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich konnte ziemlich lange nicht mehr sitzen, weil das so unglaublich weh tat. Ich weiß nicht, wieso ich als Kind das meinen Eltern nicht erzählt habe. Aber an irgendeinem Abend, wollte meine Mum mich baden und entdeckte die Wunde.
"Was ist da passiert?!", fragte sie mich schockiert.
Als ich ihr entsetztes Gesicht sah, fing ich an zu weinen und erzählte, dass ich ärger bekommen hätte.
Sie nahm mich in dem Arm und tröstete mich.
Seitdem hab ich die Nanny nie wieder mehr gesehen.
Meine Psychologin war außer sich als ich ihr das erzählte. "Dieser Frau hätte ich wirkliche eine links und Rechts gegeben! Ihre Mutter muss unglaubliche Schmerzen gespürt haben, als sie Ihre Wunde entdeckte"
"Hmmm... Ja... bestimmt... Ich will die Nanny nicht in Schutz nehmen, aber sie ist eben unter ganz anderen kulturellen Verhältnissen aufgewachsen.", sagte ich ruhig.
"Ich finde es erstaunlich wie ruhig Sie dabei noch bleiben können. Sie haben das ganz genau erkannt. Das rechtfertigt jedoch nicht ihre Tat. Eigentlich kann einem so eine Person nur leid tun. Man weiß ja nicht, was ihr schlimmes in der Kindheit passiert ist."
Ich möchte mich nochmal bedanken für eure Unterstützung und es tut mir wirklich leid, die Woche ist bei mir so stressig! Aber ich denke nächste Woche klingt das alles etwas ab. Habt eine schöne Restwoche :^)
Cheers
OnOffOn
Schön, dass du deine Geschichte mit uns teilst. Es ist unglaublich, wie viel Schmerzen Menschen einander zufügen können, nur um irgendwelchen Traditionen zu folgen. Ich finde es grausam, sein eigenes Kind zu schlagen. Ich glaube, dass wünscht sich niemand.
Meine Kindheit war auch nicht wirklich leicht und es gab oft Momente wo ich einfach nur weit weg wollte. Es ist wirklich schwer, die Eltern für ihre Taten nicht zu verurteilen. Ich habe daraus gelernt und weiß, dass ich meine Kinder nicht auf diese Weise erziehen möchte.
Alles Liebe von der steemflower
Schlimme Geschichte, das Ganze dann auch noch verwoben mit Kirche - die oberflächlich Nächstenliebe predigt. Unbegreiflich, was in solchen Köpfen vorgeht - vielleicht die eigenen Schatten, die im Außen bekämpft werden.
Ich wünsch dir eine weniger stressige Woche.