Das Portemonnaie und das dicke Paar

in #deutsch6 years ago (edited)

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Als Bastian und Luise sich am Asia Buffet ausführlich bedient hatten, machten sie einen Spaziergang in die Gegend. “Schau mal.” Auf dem Bürgersteig an der Ecke einer Straße gegenüber einem Feld lag ein Portemonnaie. “Das Geld ist bestimmt schon weg.” sagte Bastian. Dem war auch so, aber es enthielt vieles andere. Personalausweis, EC-Karte, einen Implantat Pass der besagte, dass ein „Cage“ in seine Wirbelsäule eingebaut worden war. Die Visitenkarte eines Rechtsanwalts, eines Security Unternehmens, eine Karte vom Blauen Kreuz und ein Sozialticket. Entweder der Mann hatte ein sehr aufregendes Leben oder ein ganzes Paket ernsthafter Herausforderungen.

Sie machten sich daran, seine Adresse herauszufinden. Auf dem Implantat Pass wurden sie fündig. Nachdem sie im Restaurant noch etwas Nachtisch gegessen hatten, gingen sie mit den Jugendlichen zum Auto. Luises Sohn Richard hatte seinen Freund Arne mitgenommen.

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An der Adresse war sein Name nicht an der Klingel. Bastian klingelte überall und kurz darauf ertönte der Summer. Ein ovaler, mittelgroßer Mann mit wenigen, aber kurzen grauen Haaren auf dem Kopf stand im Eingang der Wohnung. Den Namen kannte er nicht, aber das Foto auf dem Ausweis erkannte er. „Der Micha! Ja, der hat hier mal gewohnt. Ich weiß aber nicht wo er jetzt wohnt.“ „Können Sie die Straße auf dem Perso erkennen?“ „Ne, kann ich nicht, aber kommense mal rein. Ich hab eine Lupe.“ Wir gingen einen kurzen Flur rechts in ein Zimmer. Auf der anderen Seite des Flures war auf einem Bett eine kolossale Frau zu sehen. Sie lag auf der Seite und sah tatsächlich wie ein Gebirge aus. Obwohl sie lag schien sie immer noch eine Höhe von fast einem Meter zu haben. Ein liegender Meter quasi. Sie hatte blonde, fast schulterlange Haare, die ihr Kinn umflossen und schaute Bastian erstaunt an.

Der Mann nahm die Lupe und hielt sie vor den Perso. An den Wänden waren riesige BVB-Fahnen. Auf dem PC lief ein Spiel, es sah nach den Sims aus. In einem Wohnzimmer stand ein Mann und spielte Gitarre, vor dem Bildschirm stand ein offenes Bier. Eine rot gefleckte Katze kam lächelnd auf Bastian zu. Er gab ihr die Hand und sie roch interessiert daran.

„Ich kann das auch nicht erkennen.“ „Egal, dann bringe ich das Portemonnaie zur Polizei. Versucht hab ich es.“ Die Frau saß mittlerweile, schaute aber nicht weniger verdutzt. Eher mehr.

„Machen Sie‘s gut!“ „Jau, Sie auch.“

Sie fuhren weiter die Hauptstraße in Wattenscheid runter, die der Länge nach aufgerissen war wegen Bauarbeiten. Sie parkten vor dem Haus weil alle aufs Klo wollten, bevor es in die Stadt zum Musiksommer ging. Bastian fragte Richard und Arne nochmal, ob sie den fast verriebenen Straßennamen auf dem Perso entziffern konnten. Die Adresse war aufgeklebt, offensichtlich weil er umgezogen war. Arne machte gute Vorarbeit und Richard schaffte es dann. Bastian schaut auf Google Maps nach, der Ort war gerade 100m von der Stelle entfernt, an der sie das Portemonnaie gefunden hatten.

Am nächsten Tag haben Bastian und Luise sich eine Paarmassage gegönnt. Danach war neben etwas Umräumen primär Erholung angesagt. Aber Bastian wusste, dass es einen nicht ruhen lässt, wenn man so etwas wichtiges verloren hat. Die Sonne klebte fröhlich am blauen Firmament, er drehte den Schlüssel um und fuhr wieder Richtung Wattenscheid. Er fragte sich ob er diesen Micha sehen würde und ob er sich freuen würde. Im war nicht ganz wohl bei der Sache, denn er hatte dieses Cage-Implantat gegooglet. Anscheinend haben sie ihm damit die Bandscheibe in seiner Halswirbelsäule damit ersetzt. Das Beispielvideo einer Operation war sehr bildhaft, aber die Information selber war ihm etwas zu persönlich. Etwas Detektiv spielen macht Spaß, das erinnerte ihn an Kindeszeiten. Aber die Karte vom Blauen Kreuz bedeutet, dass der Mann wahrscheinlich Alkoholiker war. Das Sozialticket lässt eher nicht darauf schließen, dass es ihm finanziell gut geht.

Er bog an der Ecke nach rechts und sah einen Mann mit einem Fahrrad in seine Richtung fahren. Der sah wie auf dem Foto aus. Hinter ihm fuhr ein kleiner Junge und eine blonde Frau. “Micha?” fragte er durch das geöffnete Fenster? “Ja” sagte er und seine geweiteten Augen zeigten deutlich seine Überraschung. “Ich habe etwas für Sie.” Bastian hielt mitten auf der Straße an, zog die Handbremse und stieg aus. “Ihr Portemonnaie.” “Oh Mann, krass, vielen Dank! Wir sind gerade losgefahren um es zu suchen. Wo haben Sie es gefunden?” “Da vorne an der Ecke, meine Freundin und ich waren im Asia Imbiss essen und waren danach spazieren. Da haben wir es gefunden.” “Asia Imbiss?” “Ja, so ein All-You-Can-Eat.Buffet, da hinten ist das Restaurant.” “Ach ja, das. Auf jeden Fall vielen Dank, ich hatte das Sozialticket gerade erst gestern gekauft.” Micha stand da im dunkelblauen Trainingsanzug und bemühte sich, den Mund nicht zu weit auf zu machen. Wenn er es doch tat, dann sah man, dass er nicht viele Zähne hatte. Aber er macht einen sehr sympathischen Eindruck. Auch die Frau lächelte erleichtert und es schien, als wäre der Sonntag gerettet.

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“Alles Gute noch!” “Ihnen auch, danke!”. Bastian stieg wieder ein, wendete und grüßte die kleine Familie im Vorbeifahren. Auf dem Rückweg schaute er sich die Menschen an, die an diesem warmen Spätsommertag in Eppendorf unterwegs waren. Manchmal hält man sich für etwas besseres, dachte sich Bastian, aber jeder einzelne von uns versucht sein Glück auf seine Weise zu machen. Eine junge Frau schlenderte vor einer anderen her, die einen Kinderwagen schob. Sie schien eine Melodie zu summen, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.

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