RE: Warum ich gerne Steuern bezahle [1 SDB Steem Bounty]
Du tust den meisten Kommentatoren hier unrecht, wenn du ihnen eine Gefolgschaft der Chicago School unterstellst. Die meisten (wsl. sind es alle) werden "Österreicher" sein, d.h. Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Die Denker heißen dort nicht Milton Friedman, sondern Ludwig von Mises, Murray Rothbard und Hans-Hermann Hoppe.
Diese Unterscheidung ist nicht unwichtig, weil die Chicago Boys ein zentral geregeltes Geldsystem (á la FED, EZB) verteidigen, während die Österreicher das als wohl größtes Übel ansehen und Währungswettbewerb befürworten.
Hier habe ich einmal versucht, die Österreichische Schule (und die oft mit ihr kommenden politischen Ideen) vorzustellen (unter "Marktwirtschaft" dann): https://steemit.com/deutsch/@menckensgeist/wie-kommt-man-eigentlich-dazu-eigentuemlich-frei-zu-lesen
(oder dann sehr ausführlich hier)
ps: Dass man mit einem Sozialstaat "Dumme züchten will" ist sicherlich 1) nicht richtig und 2) ein sehr schlechtes Argument, da hast du wohl recht ;)
Ich unterstelle niemand per se einer Schule anzugehören ohne ihn zuvor gehört zu haben. Aber zumindest so in meinem Umfeld sind die Chicago Boys definitiv stark im Überhang und auch eher in der Weltpolitik zugegeben. Macht doch mal ein Experiment und frage den Bürger auf der Straße, was ein wichtiges liberales Element sei: "Der Markt wird es richten!". Und auch im universitären Umfeld überwiegen diese heutzutage in den Lehren definitiv. Sieht man eben mal von Haykes ab (ohne seine Rolle für die Neolibs wirklich zu definieren)
Verstehe mich nicht falsch, ich habe ja durchaus auch in dem Bereich studiert und bezeichne mich selbst als sozialliberal. Die Idee sind mir wirklich geläufig und sofern man sie nicht universell ansetzen will auch ihn vielen Punkten sicherlich richtig.
Aber aus meiner Sicht ist es gerade hier bei uns vor allem die elitäre Arroganz der Liberitären, die ihre Ideen so extrem unbeliebt machen. Ich habe durchaus bereits schon erlebt, wie 5 "Liberale" einem geistig behinderten Menschen erklären, dass er ein Parasite sei und nur arbeiten müsse, damit er mehr als 190€ im Monat hat. Eine Aktion die auf soviele Art und Weisen bereits widerlich ist, dass man gar nicht näher darauf eingehen mag. Und nein, ich unterstelle keinswegs jedem Liberalen, dass er so tickt.
Aber gerade diese Extremisten sind die Neolibs an der Seite, die mit einfachen Theorien versuchen eine komplexe Gesellschaft zu formen. Und nicht jede liberale Idee funktioniert uneingeschränkt und Bedarf wie jedes Wirtschafts- oder Gesellschaftsmodell ein korrektiv.
Eine elitäre Arroganz und das Verteufeln jedlichen Sozialstaates (und das wird gerne hier gemacht) hilft aber absolut nicht weiter. Vielmehr sollten sich gerade die Neolibs einmal fragen, wieso auf der Welt die Anzahl von demokratisch und liberitären Staaten zunehmend massiv abnimmt und man mit voller Kraft in ein autokratischen Alptraum abdriftet.
Schade eigentlich, dass sich die Liberalen vorwiegend in der Öffentlichkeit auf Marktwirtschaft und Steuersenkung berufen, anstatt eben gerade ihre ureigenste Position der Schwächung autokratischer Strukturen zu fokusieren. Das man nur die Märkte entfesseln muss, damit Wohlstand über alle Menschen hereinbricht, glaubt niemand mehr. Das schaffen die Chinesen bei sich auch... ohne freie Gesellschaft.
Und als jemand dem es in dieser Gesellschaft recht gut geht und auch einiges nebenher verdient, plagt mich nicht das Gefühl durch die Steuern in ein tristes Leben geführt zu werden. Solange jeder sich an diese Regeln hält, leiste ich gerne meinen Beitrag.
Und ja, natürlich wäre es mir lieber, wenn ich auf der Steuererklärung noch ein Kreuzchen beim Verwendungszweck machen könnte. Dann würde ich 5 Kreuze bei Bildung machen und einige andere staatliche Zweige gänzlich austrocken.
Vielleicht klärt sich damit mein ursprünglich hier vorstellte Position eher ein wenig. Und ja, mir wären einige Österreicher mehr wesentlich lieber. Gerade auch welche, die sich eben auch klar gegen die Neolibs positionieren und nicht mit ihnen paktieren. Eben gerade weil uns mit einer zunehmend autokratischeren Welt und immer stärkeren Überwachungsstaat einige wirklich große Herausforderungen entgegenstellen.
"Und auch im universitären Umfeld überwiegen diese heutzutage in den Lehren definitiv." Als jemand, der den einen oder anderen VWL-Kurs besuchen musste, kann ich dir sagen, dass das zumindest dort null-komma-gar-nicht gelehrt wird. Die haben sich dort so in ihren realitätsfernen Modellen verloren, dass dir in den meisten Fällen studierte Volkswirte nicht einmal sagen können, warum die Preise steigen. Die österr. Schule kommt dort nie zu Wort und wenn du dann mit diesen Leuten Debatten führst, merkst du, dass die alle ihre Argumente aus Zeitungen und TV holen müssen.. eben weil diese Modelle so weit weg vom gesunden Menschenverstand sind.
Nur ein Beispiel: Wenn du VWLer fragst, ob man durch eine Erhöhung der Geldmenge auf lange Sicht den Wohlstand eines Landes erhöhen kann, werden sie dir mit "Nein" antworten. Ist ja klar - Wenn das ginge, hätten wir ja alle menschlichen Probleme gelöst und müssten nur noch die Druckerpressen anwerfen.
Die gleichen Leute erklären dir dann aber, dass es enorm wichtig sei, kurzfristig durch die Zentralbank Zinsen und Geldmenge steuern (/steigern) zu können. Das ist ein logischer Widerspruch. Dann könnte man einfach nur immer das machen, was man kurzfristig als wohlstandssteigernd identifiziert hat, und wäre dann natürlich auch langfristig reicher.
Dieses Fach ist in meinen Augen (in seinem heutigen Zustand) eine totale Farce.
"Aber aus meiner Sicht ist es gerade hier bei uns vor allem die elitäre Arroganz der Liberitären, die ihre Ideen so extrem unbeliebt machen. Ich habe durchaus bereits schon erlebt, wie 5 "Liberale" einem geistig behinderten Menschen erklären, dass er ein Parasite sei und nur arbeiten müsse, damit er mehr als 190€ im Monat hat." Ja gut, dass das geschmacklos ist, muss ich hier wohl nicht weiter ausführen.
Aber vielleicht noch eins zu der libertären Position: Anstatt sich auf Symptome zu konzentrieren (Hohe Steuern, Überwachungsstaat, etc.) reden Libertäre fast ausschließlich auf philosophische / moralische Fragen. Über das Selbsteigentum am eigenen Körper & das NAP (Nicht-Aggressionsprinzip) - eben weil man so über eine Basis verfügt und alles andere logisch davon ableiten kann.
Genau das Gegenteil ist ja die FDP. Immer Steuersenkungen für Gutverdiener fordern, aber den Leuten niemals erklären, warum man das eigentlich als moralisch (!) betrachtet, ihnen die Früchte ihrer Arbeit zu lassen. Das sind für mich wirklich Verräter an der Idee des Liberalismus, gerade weil dessen Radikalität (wie sie beispielsweise in den Texten von Ludwig von Mises ausformuliert ist) dort nie zur Sprache gebracht wird.
Ich hab mich jahrelang brennend für diese Fragen interessiert und war - bedingt dadurch, dass ich über die Geldsystemkritik zur österr. Schule kam - erst mit 24 an einem Punkt, wo ich das Gefühl hatte, diese Dinge zu verstehen. Deswegen sehe es mir nach, wenn ich recht sauer auf meine linke Lehrer, unsere Medien, die das Thema "Fiatgeldsystem" einfach nicht anpacken, die irrlaufenden VWL-Professoren und alle anderen unfreiwilligen Gatekeeper bin, die mir die besseren Argumente über Jahrzehnte vorenthalten haben.
Schade. Weg isser.
Was hast Du denn erwartet? Argumente etwa? Ein paar Phrasen, ein paar Schubladen, und dann sind sie auch schon mit ihrem Latein am Ende, die Untertanen. Die sind wie so Pincher. Die bellen ein paar mal, aber das war's dann auch.