Alfons - Das große Feuerwerk.

in #deutsch7 years ago

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Das große Feuerwerk.

Der Morgen brach an. Die Sonne strahlte schon früh durch das Plexiglasfenster des Wohnwagens und Alfons teilweise ins Gesicht. Langsam und mit verzogenem Gesicht wachte er auf, öffnete die die Augen, drehte sich nochmals auf dem Campingbett und als ihm die Decke wegrutschte, setzte er sich endgültig genervt auf. Ihn fröstelte leicht und er hatte ein leicht verkatertes Gefühl. Scheiß Plörre. Er starrte orientierungslos nach vorne in Richtung des Klapptisches, an welchem er heute früh noch zusammen mit seiner Mutter Tee trinkend gesessen hatte und beobachtete wie die winzigen Staubkörnchen im Sonnenschein schimmernd in der Luft schwebten. Er hatte nicht gut geschlafen. Müde gähnend, fasste er sich ins Gesicht und rieb sich die Augen, fuhr sich durch das dunkelbraune Haar und stützte sein Gesicht dann auf seine Hände. Es war acht Uhr morgens… etwa sieben Stunden Schlaf.

Er erhob sich langsam und schwerfällig und zog als aller erstes die Frontjalousien bei der Fahrerkabine zu und dann nach und nach diejenigen an den anderen Fenstern, auf welche die Sonne knallte. Als das geschafft war, überlegte sich Alfons, ob er sich nicht nochmals hinlegen sollte. Keine gute Idee. Es würde bald sehr warm werden und dann wäre es ohnehin vorbei. Also machte er sich daran, Kaffee aufzubrühen und kurz nach draußen zu gehen. Dort kam ihm auch schon relativ munter seine Mutter entgegen, die von der Schlafkabine unterm Dach des Wohnwagens heruntergeklettert und wohl entweder vor ihm wach gewesen war oder aber es durch das Herunterziehen der Rollos wurde.

Guten Morgen“, grüßte sie ihn fast frisch und ging in den Wohnwagen hinein. Alfons drehte sich um und folgte ihr. Die Kaffeemaschine gurgelte. Er setzte sich ihr gegenüber, während sie für sich und ihn ein Marmeladenbrot beschmierte und ihn anschließend fragte: „Hast Du Dich wieder etwas beruhigt?
Alfons zuckte mit den Schultern, schaute sie an und nickte. Ein „Ja, denk schon.“, war alles, was er momentan herausbrachte, während sich die Kaffeekanne allmählich füllte. Er nahm das ihm angebotene Marmeladenbrot dankbar entgegen und kurze Zeit darauf erschien auch Alfons Vater im Wohnwagen zusammen mit der Lokalzeitung und setzte sich ebenfalls hin. Das Familientriumvirat war vollzählig, nachdem sich jeder einen guten Morgen gewünscht hatte und der Kaffee endlich fertig war, konnte der Tag beginnen.
Alfons durchbrach mit seiner etwas heißer klingenden Stimme wieder das Schweigen, welches nur durch das leise Klappern des Geschirrs und die Blättergeräusche der Lokalzeitung etwas an Leben gewann. „Wann geht‘s heut eigentlich wieder los?“, fragte er neugierig, da ihm zwischenzeitlich eine Idee gekommen war: Die Arbeit am Karussell war letztendlich doch nicht so schlecht, da ja immerhin die reelle Chance bestand, dass die junge Frau bei ihm vorbei kommen würde. Wenn das passierte, hätte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Dieser Gedanke ermutigte ihn ziemlich.
Um ungefähr 10 Uhr oder so geht‘s wieder los, jedenfalls beginnt da der Frühschoppen für die älteren Leute.“, antwortete Alfons Vater ruhig ohne von der Zeitung aufzusehen.
Alfons lächelte „Gut. Dann richt‘ ich mich soweit jetzt.“

Der restliche Tag verlief für Alfons trotz seiner Vorfreude ziemlich ereignislos. Auch wenn er etwas bessere Laune hatte als gestern Nacht und auch ein paar schöne Frauen während der Arbeit sah, die brünette junge Frau von gestern war dennoch nicht dabei. Und obwohl er wieder erschöpft zum Wohnwagen zurückkehrte und hundemüde ins Bett fiel, aufgeben wollte er trotzdem noch nicht.
Er schloss die Augen und als er sie wieder öffnete, war das auch nur dank des nervigen Surrens seines Weckers, das sich aufgrund der hölzernen Verkleidung im Wohnwagen noch ausbreitete. Es kam ihm so vor, als habe er gar nicht wirklich geschlafen. Das Gefühl kannte er lediglich noch aus Kindertagen. Merkwürdig, dass eine jener unendlich kurzen Nächte plötzlich wieder gekommen war. Heute war Samstag – der Samstag, der Höhepunkt des Rummels, der mit einem Feuerwerk enden sollte. Das bereitete ihm Vorfreude und Unbehagen gleichzeitig, weil er bisher noch nicht wirklich etwas erreicht hatte, aber trotzdem noch die Möglichkeit hierfür bestand, auch wenn er ahnte, dass diese wohl von Minute zu Minute unwahrscheinlicher wurde.
Der übrige Tag begann ansonsten ähnlich wie gestern und schritt auch ähnlich erfolglos, aber dennoch arbeitsam voran. Alfons sammelte die Karussellchips ein, kümmerte sich um die Sicherheit der Halterungen an den Fahrtkabinen und gab Acht darauf, dass jeder Fahrgast sowohl gut und sicher ins als auch anschließend wieder aus dem Karussell gelangte.

Doch plötzlich, als es schon kurz nach 21 Uhr war, sah er sie. Die junge brünette Frau. Sie stand zusammen mit einer Freundin in der Eintrittsschlange vor dem Karussell und musste auffallend oft kichern. Alfons Augen weiteten sich etwas. Ihm wurde warm und er bekam Gänsehaut gleichzeitig und ein breites Grinsen verzierte sein Gesicht. Er spürte auch, dass sein Herz etwas schneller zu schlagen begann als normal, versuchte aber ruhig zu bleiben. Die momentane Karussellrunde kam ihm wie eine kleine Ewigkeit vor. Endlich war es geschafft. Er konnte die neuen Fahrgäste hereinlassen. Als sie sich in die Fahrerkabinen setzten, achtete er besonders sorgfältig darauf, dass die Sicherheitsstangen überall hinunter geklappt waren – und als er zu der jungen Frau und ihrer Freundin kam, zögerte er auch nicht den Mund aufzumachen und zu fragen:
Magst Du mit mir das Feuerwerk heut Abend angucken?“ Die Freundin der jungen Brünetten schaute ihn fasziniert an und lachte leise. Die Frau, die er doch kaum kannte und deren Gesicht er aus der Nähe noch schöner fand als noch am Donnerstag beim vorbeigehen, hatte ebenfalls ein breites Grinsen im Gesicht, auch wenn ihre Haare etwas zerzaust aussahen und sie etwas auffällig rote Wangen hatte. Für Alfons schien ab dem Moment irgendwie alles in Zeitlupe abzulaufen, insbesondere, nachdem er ihre Antwort auf seine Frage gehört hatte: „Jaaa, klaa, wir seh‘n uns nachhea da drüüben!

Sie zeigte mit ihrem Finger auf das benachbarte Sportstadion, das von einem etwa zweieinhalb Meter hohen und stabilen Drahtzaun umgeben war. Danach begann sich das Karussell zu drehen und Alfons trat zur Seite. Das – also das – das hätte er nun ganz und gar nicht erwartet! Für ihn war es nun offiziell. Er hatte es geschafft. Er hatte so etwas wie eine Verabredung. Der Herr zupfte sich sein Kleidung zurecht und schritt erleichtert, freudig und frohen Mutes an die Absperrung, um darauf zu warten, dass diese Runde fertig war. Das Karussell stoppte und die Brünette mit ihrer Freunden kamen auf der anderen Seite an. Er sah, wie sie den zweiten Ausgang nahmen und die Freundin sie beim aussteigen und gehen stützte. Beide schienen zu lachen. „Verrückte Hühner...“, sagte er leise zu sich selbst und schüttelte leicht und ungläubig den Kopf, als er ihnen hinterher sah.

Alfons schaute auf seine Uhr und verbrachte die Zeit des ungeduldigen Wartens bis zum Feuerwerk mit weiterer Arbeit. Sein Vater war froh darüber und gönnte ihm die kleine Auszeit für das Feuerwerk als Abschluss des heutigen Tages gern. Die Geschäfte liefen seiner Ansicht nach mehr als zufriedenstellend, womit weder er noch seine Frau gerechnet hätten.

Schließlich war es soweit. Der für Alfons bedeutende Moment war gekommen. Bis zum Feuerwerk waren es nur noch etwa fünf Minuten. Er ging eilig in Richtung Sportstadion und kämpfte sich fast durch die Mengen. Für seinen schönen Platz, den er außerhalb der Stadt gefunden hatte, blieb jetzt wohl keine Zeit mehr, aber das war ihm egal. Es kommt meistens anders, wie man es sich vorstellt, dachte er für sich, als er ein paar Schritte ungestört geradeaus gehen konnte. Die junge brünette Frau hätte ja eigentlich auch nicht an sein Karussell kommen können, aber trotzdem kam sie. Also war da doch etwas. Alfons war am Zaun angekommen. Das Feuerwerk, das wusste er, wurde hinter dem Stadion gezündet. Er schritt den Zaun, so gut er konnte und bei der ihm noch verbleibenden Zeit, ab. Ganz vorne waren überraschend weniger Menschen. Das sollte jetzt nicht seine Sorge sein und kam ihm überdies gerade sehr gelegen. Nichtsdestoweniger fand er sie nicht. Sie war nicht da. Sie wollte doch aber kommen. Das hatte sie doch gesagt. Er war den Zaun einmal hoch und einmal runter gegangen. Das Feuerwerk begann. Die Musik wurde leiser. Die Lichter gingen aus. Und dort war niemand.

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