Alfons - Das brünette Mädchen.

in #deutsch7 years ago

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Das brünette Mädchen.

Für kurze Zeit schien es so, als ob die Stimme alles andere übertönte, was Alfons sonst noch so hörte. Er drehte sich um und erkannte den Ursprung jener recht bestimmt klingenden weiblichen Stimme. Es war eine junge Frau, wohl Anfang 20, genau konnte er es nicht sagen – vielleicht auch jünger, vielleicht auch älter, das Alter sieht man Niemandem auf den ersten Blick an und Frauen schon gar nicht –, die mit ihren Freundinnen lässig auf einer Bank saß und die Passanten zu beobachten schien. Sie hatte etwa brustlanges brünettes Haar, blaue Augen, ihr Gesicht war mit einer zarten Nase verziert sowie einem etwas breiteren Mund mit schmalen, fröhlich wirkenden Lippen. Sie war etwas dunkler angezogen und ihre Hautfarbe ähnelte jener von Alfons, vielleicht auch etwas dunkler. Zunächst in einer Art Schockstarre befindlich, als er sich zu ihr umdrehte, wandelte sich diese in eine Art Freude und er grinste und antworte ebenso bestimmt und voller Erstaunen: „Hoh, Dank‘schön!“, nahm noch einen kräftigen Bissen von seiner Bockwurst im Brötchen mit Senf, nickte ihr freundlich zu und marschierte weiter über den Festplatz.

Eines war für Alfons gerade sicher: Er war angesprochen worden! Und dazu noch von einer recht ansehnlichen jungen Frau! Besser konnte es doch wohl nicht laufen, oder? Zwar hatte er jetzt im Moment keine Zeit, aber eines war für ihn sicher: er wollte sie wiedersehen und besser kennenlernen. Wie er das anstellen würde, war ihm zwar darüber hinaus wiederum noch nicht ganz klar, aber sicher war auf jeden Fall, dass er es versuchen würde. Sicherlich erforderte es eine ganze Portion, nein, die ganze Portion seines Mutes sowie Geschickes, aber immerhin war letzteres lösbar. Denn, was man nicht im Kopf hat, hat man in den Beinen! Er würde sie schon irgendwie wieder finden, denn schließlich sah man sich immer zweimal im Leben und der Rummel dauerte schließlich auch noch an. Und so befand sich Alfons auch, ehe er sich versehen konnte, außerhalb der Stadt auf einer kleinen Anhöhe an einer Kreuzung zweier Feldwege. Diese Stelle, so erschien es ihm jedenfalls, sollte doch einen gut geeigneten Platz dafür bieten, das Feuerwerk am Samstag zu betrachten.

Feuerwerk… Da hatte er an etwas gedacht, was ihm vorhin noch gar nicht in den Sinn gekommen war. Wenn er die junge Frau bis Samstag wiederfinden konnte, wäre das doch die perfekte Gelegenheit. Besser ging es doch nun wirklich nicht. Eine gute Sicht auf‘s Feuerwerk, eine Frau, die ihn angesprochen hatte und dann dazu noch eine etwas romantische Stimmung. Das musste klappen. Also erschien auch das Hindernis mit dem Mut zusammennehmen nicht mehr ganz so groß. - Gemächlich schlenderte Alfons wieder zurück zum Rummel und dachte weiter nach. Ja, jetzt schien das Gröbste wenigstens gedanklich vorsortiert zu sein. Bis auf die Zeit und die Arbeit, die er bis Samstag auch noch zu erledigen hatte. Es dämmerte ihm wieder. Er musste schleunigst zurück zum Festplatz! Und so rannte er den Weg bis kurz vor der Stadt und lief eilig wieder zurück an die Stelle, an welcher er die junge Frau zusammen mit ihren Freundinnen zuerst und zuletzt gesehen hatte. Doch sie war weg. Ein Seufzer entwich ihm. Das war doch irgendwie klar. Stattdessen hatte nun das ältere Ehepaar von vorhin auf der Bank neben einem noch älteren Ehepaar Platz genommen, die miteinander tratschten und sich amüsierten.

Na super. Das bedeutete nun also suchen gehen. Nur wo sollte Alfons anfangen? Ob es eine gute Idee war, die älteren Herrschaften dort auf der Bank nach dem Verbleib der jüngeren Damen zu fragen? - Wohl eher weniger, denn schließlich waren in der Zwischenzeit sicher viele Leute gekommen und gegangen, so wie sich der Vorplatz bei den Imbissbuden mittlerweile gefüllt hatte. Alfons kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und schlenderte wieder in Richtung großes Festzelt mit den davor stehenden aufgereihten Biertischgarnituren. Der Platz war gerammelt voll. Unmöglich da jemand Bestimmtes zu finden, zumal es auch schon langsam aber sicher dunkel wurde und er blöderweise jetzt fast nur noch brünette Frauen sah. Er drehte also eine kurze Runde durch den vor das Festzelt aufgebauten Biergarten, und wanderte schließlich wieder in die halbrunde Gasse, die von den Karussells umrahmt war und um welche sich mehr Menschentrauben denn je zu säumen schienen. Er drehte dort auch noch eine erfolglose Runde, bei der er zwar in besserem Licht wieder viele brünette Mädchen sah, aber nicht die eine, die ihn vorhin angesprochen hatte.

Etwas missmutig kehrte er zu seinen Eltern und deren Fahrgeschäft zurück. Alfons Vater war gerade damit beschäftigt, die Leute durch die Absperrung vor den Fahrkabinen zu lassen und danach die Sicherungen anzubringen. Alfons half, ohne ein Wort zu sagen. Dass er nun schon früher wieder hier war fiel auch seiner Mutter auf. Als das Karussell zu laufen begann und Alfons Vater Zeit hatte, klopfte er ihm auf die Schulter und bedankte sich bei ihm. „Heut bist Du aber früh dran.“, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, welche er brauchte, um von den Lautsprechern wegzukommen. „Hat es Dir nicht so gefallen?“
Alfons zögerte und brauchte einen Moment, bis er wusste, wie er antworten sollte: „Ach, ich weiß auch ned. Ist schon viel los, aber der Rummel ist schnell abgelatscht. Auch die Innenstadt.“
Alfons Vater nickte kurz und schaute dann auf die Uhr. Es war 23 Uhr, noch etwa anderthalb Stunden und dann hatten sie es für heute und den ersten Tag geschafft. Die Folgenden sollten länger werden. Trotzdem war es bis Samstag Abend unendlich knapp, wollte er noch eine ganz bestimmte Person in all dem Trubel finden.

Die Zeit rückte träge voran und die Musik, die aus den Lautsprechern dröhnte, kam Alfons irgendwie auch merkwürdig bekannt und langweilig vor, als ob er sie schon zum x-ten Mal gehört hätte. Immerhin schienen die Geschäfte gut zu laufen, da sehr viele Leute das Karussell ausprobieren wollten und es ihnen scheinbar auch gefiel. Viele kauften gleich mehrere Chips an der Kasse. Als sie die Musik nach 24 Uhr leiser machen mussten und als eine halbe Stunde später auch die meisten der Leute bereits gegangen waren und nur noch ein paar Betrunkene am Festzelt am anderen Ende des Platzes fröhlich grölten, war Alfons froh. Zusammen mit seiner Mutter ging er zum nicht unweit entfernten Wohnwagen in der Wohnwagensiedlung der Schausteller. Ein paar andere waren auch schon da. Man grüßte sich freundlich. Ein paar waren noch auf dem Festplatz, um nach dem Rechten zu sehen oder aufzuräumen.

Müde und schweigend setzte sich Alfons auf die gepolsterte Wohnwagenbank mit Ausklapptisch und trank den Tee, den ihm seine Mutter gemacht hatte. Es war kalt geworden draußen. - Sternenklarer Himmel. - Wenn Alfons eines gelernt hatte, dann war es, dass es nachts auch im Sommer bitterkalt werden konnte, wenn der Himmel sternenklar war. Er rieb sich mit einer Hand die Augen und über‘s Gesicht und gähnte, nachdem er einen kleinen Schluck genommen hatte.
Was war denn los vorhin, als Du gekommen warst?“, durchbrach Alfons Mutter das Schweigen endlich mit ihrer manchmal recht direkten Art.
Alfons stutzte und schaute sie fragend an: „Was meinst Du jetzt?“ - „Na, Du hast geschaut wie drei Tage Regenwetter, als Du zurück zum Karussell gekommen bist. Hat Dich jemand geärgert?“, bohrte sie etwas weiter.
Nein, das nicht… ich weiß auch nicht. Es gefällt mir halt nicht so. Ist langweilig.“, zögerte Alfons und schien etwas rumzudrucksen.
Seine Mutter seufzte und goss sich ebenfalls einen Tee mit dem restlich verbleibenden heißen Wasser aus dem blauen Wasserkocher auf und setzte sich Alfons gegenüber. Der Wasserdampf blieb noch eine Weile in der Luft im Wohnwagen hängen.
Wenn Du Dich verguckt hast und Dich nicht traust, kannst es mir ruhig sagen.“, erwiderte sie analytisch.
Alfons lächelte sie unsicher an und schaute dann zum dunklen Fenster hinaus.
Ich weiß, dass es schwierig ist und Du gern eine Freundin hättest, Alfons. Aber ich kann Dir da auch nicht wirklich weiterhelfen. Das einzige, was ich tun könnte, wäre Dir eine zu Backen.“
- „Nein Mama, das will ich nicht.“ - „Ach, wieso nicht? Was spräche dagegen? Es wäre einfacher denn je und dann wäre die Sache gegessen.“
Darauf trat Schweigen ein und Alfons Mutter seufzte leise, während sie seine Hand ergriff und er weiter ins dunkle Nichts jenseits des Fensters schaute. Kurze Zeit darauf löste Alfons Mutter die Berührung wieder und ging schweigend in das kleine Hinterzimmer, zog den Vorhang zu, um sich umzuziehen und fertig für‘s Bett zu machen. Als sie fertig war, kam auch Alfons Vater dazu. Viel geredet wurde an dem Abend schließlich nicht mehr, da jeder müde war.

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