Diskussionskultur im Internet - Eine kleine Überlegung
Interaktion - das Schlagwort schlechthin, wenn es um Reichweite und Communitys im Internet geht.
Es gibt quasi nichts, was nicht in irgendeiner Weise kommentiert werden könnte, um die eigene Meinung kundzutun. Jede Zeitung, jede Polizei hat einen Twitter-account, man kann all seinen Lieblingsschauspielern auf Snapchat folgen, und die Zahl der Videoplattformen übersteigt gefühlt die der Videos.
Und unter jedem Beitrag eine zehn Seiten lange Kommentarsektion.
Das Problem
Die meisten Kommentare sind nichtssagend, zu gefühlsgeladen oder schlicht schlecht. Diskussionen werden nicht geführt, sondern ausgetragen. Das echte Argument scheint am Aussterben zu sein.
Besonders wenn politische Themen an der Tagesordnung stehen, scheinen bei den meisten (!) Debattierenden jegliche Gesprächsregeln wie ausgelöscht zu sein. Jeder kennt Begriffe wie "Nazikeule" oder "Gutmensch". Doch schon allein die Existenz dieser Worte beweist, was in vielen Diskussionen im Vordergrund steht: Die eigene Meinung lauthals kundzutun, gleichzeitig jedoch alle anderen in Schubladen stecken, lächerlich machen oder auch des Trollens beschuldigen.
Und dann auf die Meinungsfreiheit berufen.
Was vielen vollkommen unklar zu sein scheint, ist, dass für eine zielführende Diskussion vor allem eins enorm wichtig ist: Die Bereitschaft, den Standpunkt des anderen anzuhören und als Alternative in Betracht zu ziehen. Die Fähigkeit, nach Kompromissen zu suchen. Die Größe, auch mal Zugeständnisse machen zu können.
Ich habe mich selbst oft genug dabei erwischt, wie ich krampfhaft nach Gegenargumenten gesucht habe, ohne dabei in Betracht zu ziehen, dass meine Sicht der Dinge nicht unumstößlich ist. Ich habe versucht, etwas gut zu machen, was ich bei anderen bemängelt habe: Argumentation. Und dabei einen ganz anderen Fehler genacht, nämlich, mich auf den niveaulosen Kram außenrum einzulassen. Dazu gehört vor allem eines: Herablassende Ironie.
Egal wo ich meine Meinung kundtat, ich wurde ziemlich schnell belächelt. Ein niederer Bildungsgrad unterstellt, Gehirnwäsche vom anderen Lager, oder gar ein Mangel an Lebenserfahrung. Ich sagte was mich störte, entkräftete Argumente, und stichelte gleichzeitig irgendwie zurück. Und gar keine Frage, Spaß hat es gemacht! Zumindest eine Weile. Denn irgendwie hat man ja doch ein Ziel, und wenn man das Gefühl hat, sich immer auf demselben Fleck im Kreis zu drehen, gibt man trotz der Belustigung irgendwann auf.
Das war der Moment, in dem ich endlich sah, warum meine Diskussionen zu nichts führten.
Wenn sich zwei Personen auf unterschiedlichen Straßenseiten entgegen gehen, und niemand die Seite wechseln will, werden sie sich nie die Hand schütteln können.
Das lag natürlich nicht ausschließlich an mir. Es scheint ein allgemeines Problem zu sein, und das nicht nur im Internet.
Gibt es eine Lösung?
Das Ziel einer Diskussion sollte nicht sein, den anderen zu überzeugen, sondern seinen eigenen Standpunkt zu reflektieren, und ihn basierend auf neuen Erkenntnissen und Sichtweisen entweder zu verändern, ganz aufzugeben oder auch zu festigen. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, Diskussion sollte als "kollaborative Meinungsbildung" verstanden werden. Aber wie kommen wir dem näher?
Eigentlich ist es ganz einfach. Kollaboration beruht auf Gegenseitigkeit, das heißt, allein wird man die Qualität der Diskussion nicht beeinflussen können. Bei der ersten emotionalen oder wertenden Aussage, egal von welcher Seite, könnte man versuchen, möglichst sachlich darauf hinzuweisen, was gerade schief gelaufen ist und warum es nicht förderlich ist. In den meisten Fällen merkt man schon vorher, ob ein solcher Versuch überhaupt fruchten kann.
Tja, und dann muss man nur noch für sich selbst entscheiden, ob man gewillt ist, das Gespräch fortzuführen.
Sei es, weil Hoffnung auf Einsicht besteht, sei es, weil man sich gerne in Ironie und Sarkasmus übt ;)
Ende
Endlich fertig... ich hoffe es ist halbwegs lesbar. (Fehler bitte melden ;))
Das Thema trage ich schon länger mit mir rum, ich wollte meine Gedanken dazu jetzt einfach mal festhalten. Wie lautet denn deine Meinung dazu, vielleicht entsteht in den Kommentaren ja das ein oder andere spannende Gespräch zu dem Thema :D Oder vielleicht kommen dir auch so viele Gedanken, dass du deinen eigenen Artikel verfasst, wer weiß...
Wenn dir mein Artikel gefallen hat, würde ich mich sehr über ein... ach komm, du kennst dich doch sowieso mit steemit aus, ich muss dich nicht an all die Möglichkeiten für Interaktion erinnern :P
Ich wünsch dir noch einen angenehmen Abend, man liest sich!
Liebe Grüße,
Gabs
Super geschrieben - wirklich sehr gelungen und gut zu lesen! Ich teile deine Einschätzung unserer Diskussionskultur - die nicht nur im Internet, sondern überall in dieser Art zu finden ist. Ich habe heute darüber geschrieben Nimm dein Leben selbst in die Hand und ich sehe da durchaus Parallelen. Menschen reagieren emotional statt sachlich, wenn sie unsicher sind. Kann es nicht sein, dass solch ein Gesprächspartner keine wirklich eigene Meinung hat, sondern vollgepumpt mit Aussagen der Medien ist? Da fehlen dann sachliche Argumente, derjenige fühlt sich in die Enge getrieben und muss das bisschen Selbst-Bewusstsein, das geblieben ist, aufplustern?
Ich wünsche mir Diskussionen auf Augenhöhe mit offenen Herzen und gegenseitigem Respekt. Dann kann auch mal jemand zugeben, dass er "Unrecht" hatte... Wenn ich mein Leben selbst in die Hand nehme, kann mich so schnell nichts aus der Bahn werfen ;)
Dankesehr! Freut mich wenn dir der Text gefällt^^
Da kann man teilweise richtige "Muster" erkennen. Der Wechsel von "Ich hab Recht" zu "mit dir kann man nicht diskutieren" oder "das meinst du dich nicht ernst oder?" zum Beispiel. Oder, wenn man mit mehreren diskutiert, der Moment wenn sie plötzlich anfangen, miteinander über dich zu lästern... Einerseits natürlich interessant, sowas zu analysieren, andererseits traurig, dass es fast immer dieselben nicht zielführenden Reaktionen sind...
Ob es jeweils flächendeckend dazu kommen wird, wage ich zu bezweifeln, aber wir können ja mal den Anfang machen^^ wer weiß, wer sich davon noch anstecken lässt ;)
Sehr gute Gedanken!
Sehe das Problem auch in den Leuten welche "diskutieren" wollen.
Die meisten wollen nicht diskutieren sondern dich von ihrer "Wahrheit" überzeugen.
[ironie] Diese basiert natürlich auf Fakten... [/ironie] ;)
Klar. Jeder sollte wissen wie eine richtige Diskussion aussieht.
Aber die Leute springen lieber von einer Tragödie zur nächsten anstatt Lösungsansätze zu kreieren.
Greets!
Hmm, so ein Satz hätte mir auch mal einfallen sollen... klingt stärker als mein Rumgefasel^^
Aber stimmt, genau das mein ich.
Entweder sie wollen anderen ihre Sicht aufzwingen, oder sie sind überhaupt nur auf Konfrontation aus. Ist leider auch allzu oft der Fall...
Grüße zurück ;)
Kann man nicht.
Heutzutage ist niemand mehr kritikfähig. Erwähne ich so etwas nett.
Fühlt sich mein Gegenüber direkt angegriffen...
Und mir wird unterstellt ich würde ihn angreifen.
Und bam geht die Diskussion darum...
...
Greets!
Oder es wird als Schwäche angesehen, der Gegenüber fühlt sich bekräftigt... Was mindestens genauso dämlich ist. Dann hat es tatßachlich keinen Sinn, das stimmt schon.
Ja, so ist das leider.
Würdest du mich in einer Diskussion überzeugen, und würde ich eingestehen, dass du recht hast, so müsste ich ja Unrecht haben - und das mit dem eigenen Ego zu vereinbaren ist für jeden Menschen schwer.
Außerdem, Ich würde mal behaupten, dass wir Menschen (evolutionär) noch ziemlich dicht an unserem "Stammesdenken"/Tribalismus hängen und somit auch ein "Meinungstribalismus" stattfindet.
In dem Video hier ist alles zusammengefasst, was ich jetzt sagen wollen würde. Dort sind sogar Lösungsansätze gegeben, wie dem Gegenüber auf eine gleiche - emotionale - Ebene stellen.
Hey Serylt!
"Meinungstribalismus", das Wort gefällt mir!
Das Video schau ich mir auch gleich an, Lösungsansätze klingt super^^