Wer das hier nur versteht, versteht rein gar nichts - Eine Kurzgeschichte
»Was hier in ungenauen Worten steht, das wird nicht so leicht verweht!«
Ich war verwundert: »Bitte was?«
»Schau an, das steht hier.«
Tobi zeigte mir den Schriftzug auf der Steintafeltafel.
»Hmm, das verstehe ich nicht.«
»Genau darum geht es ja, schau an, es sind ungenaue Worte, aber sie gehen einem nicht so leicht aus dem Kopf.«
»Okay«, sagte ich, es war aber alles andere als ok. Ich hatte genau nichts verstanden.
»Schau an, da ist noch so ein cooler Spruch: Wer das hier nur versteht, versteht rein gar nichts.«
»Ähh, ich finde diesen Ort komisch. So viele komische Sprüche überall. Wieso sind wir eigentlich hier?«
»Die sollen zum Nachdenken anregen, diese hier möchte zum Beispiel sagen, dass der Verstand oft nicht das richtige Mittel ist, um alles zu verstehen.«
»Aber ich verstehe nicht, was damit gemeint sein soll...«
Darauf antwortete er nur in sehr leisem, piepsigen Ton:
»Du versuchst es ja nicht mal richtig.«
Ich schwieg eine Weile lang und schaute Tobi in die Augen. Ihm schien das aber peinlich, wahrscheinlich bemerkte er, dass mich dieser Ort nicht so ansprach, wie erhofft.
»Lass uns woanders hingehen, irgendwo, wo es gemütlich ist.«
Tobi nickte, mit leicht betrübten Augen, doch er versuchte zu lächeln.
Während wir so dahinschlenderten herrschte ein bedrücktes Schweigen und Tobi schien etwas nervös. Irgendwann war es mir aber zu blöd und ich fragte ihn einfach mal, wie es denn mit seinen Englischhausaufgaben aussehe.
»Ich habe die schon in der Stunde angefangen und auch schon fertig, ich fand sie eigentlich gar nicht so schwer, wie alle behaupten. Nur den zweiten Teil habe ich nicht ganz verstanden, hast du den schon gemacht?«
»Nö, ich mache die Hausaufgaben wenn dann immer am Abend vor der nächsten Stunde. Ist zwar nicht immer die beste Möglichkeit, aber ich komme sonst nie dazu. Also ich habe keine Lust.«
»Oh, ja, das kenne ich.«
Nach einer weiteren Weile Ruhe, fügte er hinzu:
»Meine Eltern haben mich schon in der Grundschule dazu gezwungen meine Hausaufgaben sofort zu machen. Das habe ich mir jetzt so angewöhnt.«
»Die haben dich gezwungen?«
»Ja, also nicht richtig, aber sie haben es mir immer eingeredet, dass ich sie doch direkt machen müsste, sonst wäre ich ein schlechter Schüler.«
»Nää, so ist meine Mutter gar nicht. Außerdem hatte ich in der Grundschule nicht mal Hausaufgaben.«
Tobi strich sich verlegen die Haare hinter die Ohren, sie waren ziemlich lang und braun. Diese Geste verwendete er häufig, ehrlich gesagt weiß ich nicht mal richtig, ob sie verlegen ist, oder etwas anderes. Eigentlich weiß ich gar nichts über ihn. Ich würde ihn schon als einen echt guten Freund bezeichnen, wir reden in der Schule sehr viel miteinander, teilweise über sehr komische Dinge, manchmal aber auch nur über oberflächliche. Aber persönliche Sachen weiß ich über ihn nicht. Genauso wenig weiß er über mich. Obwohl, ich weiß, dass er Optimist ist und er weiß, dass ich Realist bin. Eigentlich stimmt das aber gar nicht, ich bin nämlich nicht immer Realist, nur wenn andere Optimisten sind und ich mit ihnen rede. Das weiß er aber eigentlich auch.
»Wieso hast du mich eigentlich an diesen Ort mit den Spruchtafeln gebracht? Was hier in ungenauen Worten steht, das wird nicht so leicht verweht. Was willst du mir damit sagen?«
Er antwortete mir nicht, doch nach einiger Zeit fing ich an zu erahnen, was damit gemeint war.
»Was meintest du damals in der Englischstunde, als ich neben dir saß und du auf den Tisch gemalt hattest?«
»Du erinnerst dich daran.«
Sagte er mit gebrochener Stimme.
»Du hast es gesehen.«
»Ja, das habe ich. Ich war mir aber nicht sicher es verstanden zu haben.«
»Jetzt hast du es ganz verstanden, oder?«
Jetzt fing auch ich an nervös zu werden.
Nun zur Entstehung:
Ich wollte eine neue Geschichte schreiben, wie so häufig, und hatte keine Lust neue Wörter dafür zu suchen. Also habe ich einfach angefangen, ich erinnere mich aber ehrlich gesagt gar nicht mehr, wie der erste Versuch aussah.
Der Anfang war allerdings nicht so vielversprechend, ich wollte lieber eine etwas längere Geschichte schreiben.
Also versuchte ich es noch mal, gleicher Vorgang, einfach einen Satz geschrieben. Dann kam eine für mich sehr spannende Situation:
In der Mitte des zweiten Satzes wusste ich nicht, wie er weitergehen sollte. Also habe ich einfach meine Hände über die Tastatur gelegt und fallen gelassen. Das gab natürlich kein richtiges Wort, doch das Gehirn liest ja selbst aus den komischsten Buchstabensalaten Wörter heraus :D Das Wort hätte sogar zum Anfang sehr gut gepasst, allerdings war auch bei diesem zweiten Versuch das gleiche Problem, wie zuvor...
Also ging es noch mal von vorne los und irgendwie kam dann der Satz: Was hier in ungenauen Worten steht, das wird nicht so leicht verweht. Ich habe keine Ahnung, wie der meine Finger gefunden haben könnte. Aber da stand er, ganz eindeutig auf meinem Bildschirm.
Ich dachte mir dann einfach, OK, daraus lässt sich doch bestimmt was machen, ich lasse die andere Person einfach erst mal genau das tun, was ich gerade auch tue: sich fragen, was das denn bedeuten solle.
Und so ging es weiter, bis sich im Laufe der Geschichte langsam die Bedeutung dieser Aussage kristallisierte und einfach perfekt passte :D
Bei dieser Geschichte war die Entstehung allerdings nicht ganz so schnell, wie bei meinen vorherigen. Ich habe sie nämlich gestern Abend geschrieben, sie sacken lassen und heute noch weiter verändert. Sie ist also deutlich konstruierter, als normalerweise. Ist einfach nur noch eine weitere Art des Schreibens, die ich ausprobieren wollte und es macht sehr viel Freude muss ich sagen.
Ein zweiter Teil könnte folgen, da bin ich mir allerdings noch nicht ganz sicher. In Arbeit ist auf jeden Fall schon etwas, ob das allerdings für meinen Blog geeignet ist weiß ich noch nicht ganz. Wird sich wohl bald zeigen :)
Ich freue mich auf eure Anmerkungen und Kritiken :)
Mir hat sowohl die Geschichte als auch die Erklärung, wie sie entstanden ist, gefallen. 👍 Hätte gerne ein bisschen weiter gelesen 😬
Ich schließe mich an! Auch wenn die Geschichte auch in dieser Länge bis zu diesem Punkt gut funktioniert hat.
Hallo @lugano
Dankeschön für dein Feedback!
Dich kenne ich ja noch gar nicht, da muss ich mir deine Beiträge aber wohl erst morgen anschauen, für heute ist es mir jetzt zu spät, der Schlaf ruft schon sehnsüchtig nach mir :)
Irgendwie muss ich jetzt aber echt den zweiten Teil auch noch hochladen. Der Plan war eigentlich sogar mehr al zwei Teile zu machen beziehungsweise die Teile deutlich länger zu gestalten, aber das kann man vorher ja nicht wissen. Zum Hochladen muss ich den zweiten Teil aber erst mal zu Ende bringen. Die Hälfte davon steht zwar schon, aber das Aufschreiben der Geschichte ist maximal ein Drittel der ganzen Arbeit, zumindest wenn ich sie so aufbereite, wie diesen Teil.
Ach, ich neige schon wieder dazu aus einem eigentlich kleinen Kommentar ein riesen Ding zu machen :D
Liebe Grüße, Tom
Hallo Tom,
gute Geschichte und in der Entstehung anlehnend an das, was wir mal besprochen hatten. Nichts erzwingen! Der erste Satz kommt von ganz alleine und zieht alle schönen Zeilen nach sich.
Hat doch gut funktioniert!
Das mit dem 2. Teil würde ich mir überlegen. Lass die Geschichte so stehen wie sie ist. Eine Fortsetzung wird dir mit dem Fow nur schwer durch die Finger rinnen. Nur meine Meinung :)
Gruß, Wolfram
Hey Wolfram,
Ja, das ist ein echt schönes Gefühl am Anfang des Schreibens :)
Das Ding mit dem zweiten Teil ist, dass die Geschichte ursprünglich schon länger war, als das was ich hochgeladen habe. Ich habe dann den Teil aber aus verschiedensten Gründen raus gelassen, er wäre aber finde ich zu kurz um ihn als zweiten Teil bezeichnen zu können. Naja, mal schauen, erzwingen werde ich auf jeden Fall nichts :)
Grüße, Tom
Interessant, was du wieder gezaubert hast. Ist ja auch mal nett, ohne Wortvorschläge. Muss ich auch mal probieren :D.
Ich muss sagen, ich mag beides sehr gerne, aber ohne finde ich irgendwie einfacher, freier :)
LG