ST. Vincent & Grenadines – alte und neue Bekannte (13/14)
Das Wetter ist bei weitem nicht so schön wie die Tage vorher, kein Vergleich zu unserem ersten Besuch im Februar. Ein ausgeprägtes Tiefdruckgebiet beschert dicke Wolken, es ist bedeckt und bei aufbrisenden 20 kn Wind muss der Moment, den Anker fallen zu lassen, gut abgepasst werden. Das übliche Manöver folgt, Stelle aussuchen, in einem Kreis das Wasser glatt ziehen um nach Steinen oder Korallen Ausschau zu halten, Anfahren gegen den Wind und Anker ab. Der Rocna hackt wie gewohnt vehement ein und mit reichlich 30 m Kette bei 3 m Wassertiefe können wir auch bei 25 – 30 kn Wind ruhig schlafen. Die Cays sind verhältnismäßig leer, vielleicht 20 Boote, größtenteils Fahrtenyachten oder Eignerkatamarane. Auch wenn bei strahlendem Sonnenschein das Schnorcheln noch viel mehr Spaß macht, dieses mal will ich mir die Unterwasserwelt nicht entgehen lassen. Die Maschine ist gerade aus, und ich stürze mich schon in die Unterwasserwelt. Was soll ich sagen: so, so schön! Keine Minute im Wasser und schon taucht einige Meter vor mir die erste Schildkröte auf. Bedächtig und in aller Ruhe zupft sie jeden Grashalm einzeln ab, wirbelt ein wenig Sand beiseite und schon ist der nächst Halm dran. Nach zehn Minuten taucht sie auf um Luft zu schnappen, dann geht es weiter, Halm für Halm. Klingt erstmal langweilig, ist aber ungemein beruhigend, dabei zuzuschauen. Unterschiedlichste Fische schwimmen vorbei, mal gleitet ein Rochen unter mir durch, dann beäugen mich ganz neugierige dreieckige weiße Fische mit schwarzen Punkten, Pufferfische bleiben lieber auf Distanz oder ich bin plötzlich umringt von einem Schwarm Ballaoos. Man vergisst wirklich die Zeit und merkt erst nach einer Stunde, dass es auch bei 25°C Wassertemperatur irgendwann kalt wird.
Am Abend lichtet sich das Ankerfeld immer mehr, aus 20 Schiffen werden 10, dann 5 und schließlich sind wir die letzten. Laut Wetterdienst ist ein kräftiges Regenfeld vorhergesagt mit Starkwind aus Südost … zumindest sagen dass die anderen Segler. Die meisten verkriechen sich in der Chatam Bay auf Union, andere flüchten in die Glossy Marina nach Canuan. Ausgerechnet jetzt lässt uns das Satellitentelefon im Stich! Vor wenigen Tagen haben wir erneut 760 € in den Vertrag investieren müssen, da dieser in vier Wochen abgelaufen wäre und unser restliches Guthaben von ca. 500 Minuten somit verfallen würde. Da wir ja nun ein Jahr länger bleiben und das Satellitentelefon zur Grundausstattung besonders bei Langtörns zählt, mussten wir nun wohl oder übel in den sauren (teuren) Apfel beißen um den Vertrag für weitere 12 Monate verlängern. Das Telefon selbst ist in Ordnung, aber Martins Laptop, über den die Internetverbindung zum Download der Wetterdaten hergestellt wird, hat den Dienst sang- und klanglos quittiert. Einen der anderen Laptops können wir leider nicht dazu nutzen, Windows 10 lädt am laufenden Band im Hintergrund irgendwelche Daten herunter (ja, alles abgeschaltet, ja Flugmodus, nein selbst Martin, der sonst alles über Computer, weiß ist ratlos). Dadurch ist die Leitung so blockiert, dass keine Wetterdaten verarbeitet werden. Also bleibt uns nur übrig, ein Datenpaket über unseren deutschen Provider zu kaufen um aktuelle Prognosen zu bekommen. Und so schlecht sieht die Vorhersage gar nicht aus, 15 kn Wind, in Böen 20, eigentlich kein Grund zur Panik. Die Wellen bzw. unsere geringe Wassertiefe könnten allerdings zum Problem werden. Von der atlantischen Dünung trennt uns derzeit nur das Außenriff. Also ankern wir um, weg von der Südwestecke Baradels an die Nordseite Petit Bateaus. Ich versuche auch hier zu schnorcheln und gebe es nach wenigen Minuten auf. Bei einer Strömung von 1 – 2 kn komme ich kaum gegen an. Und so bleibt es dabei, die Lage des Ankers zu checken, nach Fischen oder Schildkröten halte ich gar nicht erst Ausschau. Die aufziehenden dunklen Wolken kündigen schon früh den Regen an, es beginnt aus Eimern zu schütten. Die Nacht wird unruhig, Schauer wechseln mit Nieselregen, zwischen Petit Bateau und Petit Rameau verstärkt sich die Strömung, die SELENE letztendlich quer zum Wind und quer zu den Wellen dreht, wir finden wenig Schlaf. Am frühen Morgen scheint der Spuck vorbei zu sein.