Die Lücke
In meinem Beruf ist der Tod ein leiser Begleiter, der sich immer wieder zur Tür herein schleicht. Manchmal tritt er in Form eines Verkehrunfalls auf, manchmal ist es ein Suizid, manchmal ein allein stehender älterer Herr, dessen Lebensuhr aufgehört hat zu schlagen. Auch als Krankenschwester habe ich den Tod oft in das Krankenzimmer treten sehen.
Privat ist er mir in meinen 45 Jahren so hin und wieder ebenfalls begegnet.
Als Mensch gewöhnt man sich an Vieles. Doch obwohl der Tod mir nicht unbekannt ist, hat er es vor zwei Wochen geschafft, mich zu schocken. Nicht nur mich, eine ganze Dienststelle, einen ganzer Ort..
Die traurige Nachricht erreichte mich per WhatsApp. In knappen Worten wurde mir von einem Kollegen mitgeteilt, dass Kollege A. am Mittag des gleichen Tages verschieden ist. Ich konnte es nicht fassen. Ein paar Tage zuvor waren wir gemeinsam auf dem Betriebsausflug und schacherten um eine Fortbildung, die wir beide nächstes Jahr besuchen wollten.
Da ich es nicht fassen konnte, erkundigte ich mich bei einer weiteren Kollegin, die dies bestätigte. Trotz allen theoretischen Wissen bezüglich Trauerphasen kann man sich nicht helfen und ich mir natürlich auch nicht. Es brauchte mehrere Gespräche mit anderen Kollegen, die schmerzhafte Beerdigung, einen Besuch seines Büros, um zu verstehen, dass mein Kollege, der so lebendig, erfrischend witzig, allseits beliebt, kurz vor der Pension, tatsächlich nicht mehr da ist.
Er wird nicht mehr mit mir und einem weiteren Kollegen Nordic Walking gehen (auf diesen Touren bekam ich oft väterliche Ratschläge), er wird nicht mehr mit mir gemeinsam Sachbehandlungen in unseren gemeinsamen Fachgebiet "Häusliche Gewalt" bearbeiten, er wird keine der zahlreichen Gemeinschaftsveranstaltungen für unsere Dienststelle organisieren, ...
Er war nicht nur in der Arbeit beliebt, er war in unserem Ort bekannt wie ein "bunter Hund". Mit ihm auf Streife zu gehen, war wie den Papst persönlich bei sich zu haben. Fleissig winkte er jedem, hatte stets ein freundliches Wort auf den Lippen. Oft musste ich darüber schmunzeln. Eilig durfte man es nicht haben.
So einen Menschen unerwartet zu verlieren, hinterlässt eine grosse Lücke, im Herzen, in der Familie, in der Arbeit und ja manchmal in einem Ort.
Drück Euch!