Warum Cannabis legal sein sollte
Die derzeitige Drogenpolitik in Deutschland* basiert auf zahlreichen Trugschlüssen und lässt den heutigen Wissensstand über Cannabis und das Drogenverbot komplett außer Acht. Um Euch aufzuklären, werde ich in diesem Post die am weitesten verbreiteten Mythen rund um Cannabis aufdecken und argumentieren, warum meiner Meinung nach Cannabis legal sein sollte.
Mythen rund um Gras
Cannabis und Alkohol
Bei der derzeitigen Gesetzeslage könnte der Eindruck entstehen, dass Alkohol und Tabak erlaubt sind, weil sie gemessen an anderen Drogen wie Cannabis die ungefährlichsten sind. Dahinter verbirgt sich allerdings ein gefährlicher Trugschluss. Alkohol und Tabak zählen de facto zu den gefährlicheren Drogen, während sich Cannabis im Mittelfeld befindet. Die Zahlen sprechen für sich: Täglich sterben in Deutschland schätzungsweise 202 Menschen in Folge ihres Alkoholkonsums, ohne dass man die Menschen mitzählt, die noch zusätzlich als Opfer eines durch Alkohol bedingten Unfalls sterben.[1] Wie viele Drogentote gibt es auf der Seite von Cannabis? Null. Tatsächlich gibt es bisher keinen einzigen Todesfall, der nach wissenschaftlichen Untersuchungen Cannabis die alleinige Schuld daran anrechnet.[2] Des Weiteren kann man im Vergleich zu Alkohol oder Tabak nicht körperlich abhängig von Cannabis werden. Nur eine psychische Abhängigkeit könnte entstehen[3], aber das kann es bei fast allen Dingen wie Computerspielen, Sport oder Schokolade.
Das Team rund um den britischen Forscher David Nutt hatte Drogen nach ihrer Schädlichkeit untersucht und ist zu folgendem Ergebnis gekommen:
Anstatt sich auf die Gefahren zu konzentrieren, kann man aber auch festhalten, dass Cannabis durchaus positive Effekte auf die Gesundheit haben kann. Bei Krankheiten wie ADHS, Depressionen oder sogar Krebs kann Cannabis eine heilende Wirkung haben.[4] Hier findet Ihr eine lange Liste mit Krankheiten, bei denen Cannabis helfen könnte.
Aber Vorsicht! Bevor jetzt jeder nach diesen erfreulichen Informationen zum Joint greift, noch mal ein paar wichtige Hinweise:
- Bei Jugendlichen unter 18 Jahren, deren Gehirne sich noch im Aufbau befinden, kann Cannabis diese Entwicklung beeinträchtigen. Es wird vom Konsum dringend abgeraten!
- Auch Menschen, die anfällig für Psychosen sind oder in der Vergangenheit welche hatten, wird vom Cannabis-Konsum abgeraten! Cannabis kann nämlich in so einem Fall Psychosen hervorrufen.
- Außerdem bezieht sich alles Genannte auf den Safer Use von Cannabis, also eine Konsumform, bei der das Risiko minimiert wurde. Das Vaporisieren von Marihuana oder die orale Aufnahme zählen dazu. Nicht gilt der Konsum in Form eines Joints. Hier kommt nämlich die gesundheitliche Belastung der Lunge als nicht zu unterschätzende Nebenwirkung hinzu.
Letztlich soll dieser Post weder Drogen verharmlosen, noch zu deren Konsum animieren. Die gesündeste Variante ist natürlich, ganz auf Drogen zu verzichten. Festhalten lässt sich allerdings: Cannabis ist weniger schädlich als Alkohol.
Cannabis als Einstiegsdroge
Eine weitere von Gegnern der Legalisierung oft aufgestellte These ist, dass es sich bei Cannabis um eine gefährliche Einstiegsdroge handelt. Cannabis-Konsumenten wird vorgeworfen, eher dazu zu neigen, irgendwann zu härteren Drogen zu greifen. Jedoch ist dies schon lange statistisch widerlegt.[5]
Da die Gesetzeslage allerdings Kiffer kriminalisiert, müssen sie sich an einen Schwarzmarkt wenden, der auch weitaus mehr als nur Gras anbietet. Die Möglichkeit ist also da, wird aber nur selten genutzt. Eine Entkriminalisierung von Cannabis würde den Kontakt der Konsumenten zu Kriminalität und „harten Drogen“ ganz aus der Welt schaffen.
Warum ist Cannabis illegal?
Es ist rätselhaft, warum ein derartig unbegründetes und unverhältnismäßiges Gesetz wie das Verbot von Cannabis so lange Bestand hat. Leider gibt da auch die Drogenbeauftragte der geschäftsführenden Bundesregierung Marlene Mortler (CSU) wenig Aufschluss. Ihre Argumente sind teils banal und unverständlich. Wer will, kann sich auf YouTube gerne selbst ein Bild von dieser Frau machen, sie ist das erste Ergebnis, wenn man „Inkompetenz“ eingibt.
Ebenso halten auch die Alkohol- und Zigaretten-Lobby an dem Verbot fest. Sie sehen ihre Stellung auf dem Genussmittelmarkt durch Cannabis gefährdet. Ebenso begrüßt die Pharmazie-Lobby das medizinische Potenzial von Cannabis nicht, das ihren Medikamenten Konkurrenz machen könnte.
Um zu erklären, warum Cannabis in so vielen Ländern illegal ist, muss man auch die Geschichte berücksichtigen. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war Cannabis ein weitverbreitetes Genussmittel, das auch für medizinische Zwecke genutzt wurde. Das negative Image der Droge kam erst später. Bei der Verteufelung von Cannabis spielte vor allem der Amerikaner Harry Anslinger eine entscheidende Rolle. Man könnte meinen, dass dieser und sein Ministerium nach der gescheiterten Alkoholprohibition während der 1920er Jahre wenigstens einen Erfolg verbuchen wollten. Seine Wahl für ein neues Verbot fiel auf Cannabis, dessen Ruf er binnen kurzer Zeit zerstörte. Mordserien von psychisch Kranken wurden in den Massenmedien in Verbindung mit Marihuana gebracht, obwohl die Täter dieses nie konsumiert hatten.[6] Anslinger praktizierte etwas, was wir heute „Fake News“ nennen würden. Sein hirnrissigstes Zitat war:
If the hideous monster Frankenstein came face to face with the monster of marijuana he would drop dead of fright.
Wenn das grässliche Monster Frankenstein dem Monster Marihuana begegnen würde, würde es vor Furcht tot umfallen.
Später folgte unter Richard Nixon der „War on Drugs“, der das Image der Droge noch weiter in den Boden stampfte. Die Konsequenz ist ein länderübergreifendes, fälschlicherweise negatives Bild von Cannabis, das sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat. Es ist an der Zeit diese Wahrnehmung wieder richtig zu stellen.
Gründe für eine Legalisierung
Verbote bringen nix
Ein Drogenverbot vermindert kaum die Zahl der Konsumenten. Wer kiffen will, der tut es auch, obwohl es illegal ist. Im Umkehrschluss zeigen auch Länder wie Holland oder der US-Staat Colorado, in denen Cannabis bereits legalisiert wurde, dass die Aufhebung des Verbots nicht zum Anstieg der Konsumenten geführt hat. In den Niederlanden hat unter den Jugendlichen die Zahl der Kiffer sogar abgenommen.[7][8]
Steuergelder
Die Strafverfolgung der Cannabis-Delikte mit über 100.000 jährlichen Strafverfahren verschlingt Steuergelder in Milliardenhöhe.[9] Außerdem werden dadurch erhebliche Polizeikräfte gebunden, die dann an anderer Stelle fehlen.
Durch eine Legalisierung würde der Staat nicht nur gigantische Summen sparen, sondern auch massiv dazuverdienen. Der staatlich regulierte Markt kann im Vergleich zum Schwarzmarkt nämlich versteuert werden und trägt erheblich zum BIP bei. In Colorado zum Beispiel konnte die Droge in einem Haushaltsjahr bis zu 60 Mio. Dollar an Steuern generieren.[10]
Senkung der Kriminalität
Eine Legalisierung würde den Schwarzmarkt komplett auflösen. Die organisierte Kriminalität verliert dadurch ein wichtiges Standbein. Diese Auswirkungen würden sich sogar länderübergreifend bemerkbar machen, denn der Drogenschwarzmarkt ist ein internationales Geschäft.
Qualitätskontrollen und Verbraucherschutz
Gefährlicher als die Droge selbst sind häufig die Streckmittel, mit denen Marihuana auf dem Schwarzmarkt angereichert wird. Staatlich regulierte Qualitätskontrollen in Folge einer Legalisierung würden dieses Problem aus der Welt schaffen und zu einem sicheren und gesünderen Konsum beitragen. Verbraucherschutz ist eine notwendige Maßnahme und die Verbraucher gibt es immer, unabhängig davon, ob die Droge jetzt verboten ist oder nicht.
Jugendschutz
Ein Dealer auf dem Schwarzmarkt legt keinen Wert darauf, ob alle seine Kunden volljährig sind. Da der Konsum im jungen Alter schädlich ist, ist es um so wichtiger, dass Jugendlichen der Zugang zu Marihuana verwährt bleibt. In offiziellen Verkaufsstellen lässt sich mittels Ausweißkontrollen ein sinnvoller Jugendschutz umsetzen. Eine Legalisierung hat in den Niederlanden wie bereits erwähnt die Zahl der minderjährigen Kiffer nachweislich gesenkt.[7][8]
Aufklärung und Prävention
Durch das Verbot ist das Thema Cannabis weitgehend tabu. Dabei ist die Aufklärung und Prävention gerade bei Jugendlichen sehr wichtig. Eine Legalisierung würde den Dialog aufleben lassen und angebrachtes Wissen über die Droge mit ihren Risiken und Nebenwirkungen, aber auch ihren positiven Seiten, ins öffentliche Bewusstsein rufen.
Deswegen bin ich für eine deutschlandweite* Legalisierung von Cannabis. Das derzeitige Gesetz basiert auf Fehlvorstellungen, die sich in den Köpfen der Politiker festgesetzt haben, und hat weder Sinn noch Effekt. Es ist ein unverhältnismäßiger und unbegründeter Eingriff in die Bürgerrechte. Die Letzten, die kriminalisiert werden sollten, sind die Verbraucher.
End the war on drugs!
Ich hoffe, ich konnte Euch die Thematik näher bringen. Was meint Ihr, teilt Ihr meine Ansichten? Ich würde mich darüber freuen, in den Kommentaren mit Euch weiter zu diskutieren!
Quellen
[1] https://www.kenn-dein-limit.info/alkohol-in-zahlen.html
[2] http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2014-02/cannabis-kiffen-tod-marihuana-rechtsmedizin
[3] http://www.dhs.de/suchtstoffe-verhalten/illegale-drogen/cannabis.html
[4] http://dr-grotenhermen.de/krebsinformation.pdf
[5] https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/news/cannabis-hasch-ist-keine-einstiegsdroge_aid_548005.html
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/Harry_J._Anslinger
[7] http://blogs.taz.de/drogerie/2010/04/14/hollaendische_jugendliche_kiffen_weniger/
[8] http://alternative-drogenpolitik.de/2012/04/07/niederlandische-jugendliche-im-vergleich-zum-europaische-durchschnitt-im-espad-report-2007/
[9] https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2017/_09/_25/Petition_73900.nc.html
[10] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/cannabis-in-usa-legalisierung-bringt-milliarden-steuereinnahmen-a-982424.html
Bildquellen: Cannabispflanze, Gras in Papes, Grüner Rauch, Stastistik, Harry Anslinger
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*Wer aus Österreich oder der Schweiz kommt, kann trotzdem getrost weiterlesen! Dort ist die politische Situation nämlich ähnlich.
Being A SteemStem Member
Schöne Zusammenfassung, die die wichtigen Punkte in guter Länge darlegt. Ich stimme dir da komplett zu und die ganze Debatte zeigt meiner Meinung nach etwas sehr exemplarisch, was es bei fast allen Dingen gibt: es geht weder um Fakten noch um logischen Menschenverstand - es geht immer nur darum, wie etwas historisch gewachsen ist; eines unserer größten Mankos ist diese unsägliche Trägheit, die in all unseren Handlungen und Glaubenssätzen innewohnt. Ich glaube sogar, dass diese weitaus mächtiger ist als es kapitalistische Gründe je sein können. Diese begreife ich immer mehr nur als Bestätigung und Entschuldigung. Das erklärt für mich zumindest, dass auch Menschen, die auf wirtschaftlicher Ebene nichts davon haben und die ich als intelligente Menschen betrachten würde, so oft auf der 'falschen' Seite solcher Diskurse stehen...
Danke! :)
Und ja, die ewige Konservativität und "Trägheit" betrifft ganz viele politische Bereiche, nicht nur Cannabis. Häufig gibt es ja zwei Seiten der Münze, eine konservative Einstellung ist nicht per se schlecht. Aber gerade bei sowas wie der Legalisierung gibt es nicht mal eine Contra-Seite, zumindest mit keinen nachvollziehbaren Argumenten, die dagegen sprechen. Die Gegner der Legalisierung sollten mal den Mut haben, sich ihres Verstandes zu bedienen!
Das Alkohol der Schlimmste Stoff ist, wundert mich gar nicht.
Mich verwundert es mehr, dass Alk nicht verboten ist.
Denke eh auf kurz oder lang wird Cannabis legal werden.
Alleine der Punkt Kriminalität würde unser Rechtssystem so stark entlasten, wenn ned jeder kleine Hinterhof Dealer nen Papierkrieg auslöst.
Alk ist halt vor allem noch erlaubt, weil es bei uns Deutschen als echtes Kulturgut gilt. Weil "es schon immer so war", ist aber kein Grund, dass es auch gut ist.
Sehe es auf jeden Fall ähnlich optimistisch wie du, dass wir die Legalisierung von Cannabis zumindest noch miterleben dürfen!
Volle Zustimmung. Reglementierte Cannabis Abgabe an Volljährige sollte erlaubt sein. Ja kann schon sein, dass der eine oder andere dann auf die Idee kommt es mal zu versuchen, der es sonst nicht machen würde. Aber zum einen wäre es ja kein Tabu mehr und würde offener diskutiert werden und zum anderen handeln volljährige eigenverantwortlich und zusätzliche Erfahrungen sind meistens was gutes.
Genau. Lustig ist, dass ich selbst noch nicht mal volljährig bin, aber trotzdem für die Abgabe an ausschließlich Volljährige bin, denn so ist es am vernünftigsten!
Servus @javehimself,
sehr guter Artikel, den ich leider erst jetzt entdeckte! Und die erwähnte Anslinger-Story ist echt hochspannend, augenöffnend und lehrreich! Aber da hätte ich einen Einwand:
Diese Altersgrenze erscheint mir hier nicht sachgerecht und rein auf den Eintritt der Volljährigkeit hin konstruiert. Denn die Entwicklung des menschlichen Gehirns ist erst im Alter von 25-28 Jahren vollendet.
Danke für den Einwand!
Leider sind die wissenschaftlichen Studien auf dem Gebiet, ob Cannabis überhaupt die Entwicklung des Gehrins und die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt, häufig sehr verschieden. Dementsprechend ist auch die Altersgrenze unterschiedlich gewählt. Ich habe bereits Studien gelesen, die ab 17 Jahren keine Bedenken mehr haben, was aber nicht heißt, dass das zwangsläufig stimmt. Viele Studien ziehen die Grenze auch höher.
Hinzu kommt, dass die Kriminalisierung von Cannabis die Forschung in der Richtung enorm erschwert. Würde man es legalisieren, würde man die Bahn frei für die Wissenschaft machen und irgendwann allgemeingültige Aussagen treffen können.
LG
Wow ein wirklich gut recherchierter Artikel. Könnte vom Zamnesia selbst stammen.
Ein großes Lob an den Autor @javehimself. Hast dir einen Resteem verdient.
Dankeschön! :)
Mir persönlich ist recht egal, ob Cannabis zum Genuss erlaubt wird oder nicht. Aber ich kann nicht nachvollziehen, dass gleichzeitig Alkohol und Zigaretten erlaubt sind während Cannabis verboten ist. Da stimmt einfach die Verhältnismäßigkeit nicht.
Schöner Post :)
Danke! :)