Von Denkfehlern und falschen Erwartungen

in #deutsch5 years ago

Man nehme: Menschen verschiedenen Alters und verschiedener kultureller Prägung und/oder nationaler Herkunft, verschiedenen Geschlechts (mit starkem Überhang zur weiblichen Seite hin), mit variablen Lücken im beruflichen Lebenslauf, variablem Selbstbewußtsein, unterschiedlichen Schulabschlüssen, einige mit chronischen Krankheiten bzw. Unfallnachwirkungen, andere nur mit rudimentären oder eingerosteten Deutschkenntnissen und werfe sie zusammen in der Hoffnung, sie mögen sich selbst und gegenseitig animieren (lassen), wieder oder überhaupt erst auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen.

Angekündigt wurde mir das als: Coaching

Inzwischen ist daraus geworden:

  • verschiedene Krankheitsfälle
  • individuelle Ablehnung gegenüber Referenten
  • Teilnehmer, die kritisieren, aber sich selbst Kritik verbeten
  • ein überstürzter Ausstieg mit resultierender Kündigung innerhalb der ersten zwei Wochen
  • ein Unfall
  • Grüppchenbildung
  • Ansätze von Mobbing
  • wenig Entwicklung bzgl. tatsächlicher Job- oder Praktikumsplatzsuche

... und das meiste davon nicht oder nicht nur bei mir.

Man könnte uns also auch "die Abgehängten" nennen. Es gibt Tage, da verstehe ich nicht, warum dafür Geld da ist. Warum TeilnehmerInnen, die in den letzten 5 Jahren an früheren Maßnahmen teilgenommen haben, nochmal kommen dürfen. Warum man bei anderen genau bis zu diesem Zeitpunkt gewartet hat und bei anderen nicht länger. Warum man eine anwesende Sozialpädagogin mit gesamt ca. 30 Teilnehmern in drei Maßnahmen und sehr unterschiedlichen Problemen überfrachtet. Warum man eine Art von Freizeit durch eine andere ersetzt. Wie es sein kann, daß Leute damit ihren Lebensunterhalt (mit-) bestreiten, daß sie diese Personengruppe verwalten, einen Unterricht mit unklarem Outcome gestalten (oder zu gestalten versuchen).

Bei den aktuellen Nachrichten könnte man denken, es gäbe nur eine Spaltung zwischen mehr oder weniger offen bekennenden AfD-Anhängern, eine weitere zwischen potentiellen Klimaschützern und ihren Kritikern und vielleciht allgemein auch noch eine zwischen Jung und Alt (weil es die schon immer gegeben hat).
Daß es auch eine Spaltung zwischen denen, die einer geregelten Arbeit nachgehen, und denen, die das nicht schaffen, sich fürs Auswandern entscheiden, sich irgendwie durchwurschteln, gibt: ja, doch, es war mir durchaus klar. Was mir jetzt klar wird: man sieht sich solange auf der "guten" Seite, solange man nicht selber in die Erwerbs- und gefühlte Sinnlosigkeit hineinrutscht.

Manche waren gleich am Anfang irritiert, daß es Druck gibt. Ich bin es jetzt - weil mir der gewohnte Druck fehlt und ich so nicht (mit)arbeiten kann. Und nun sitze ich selber krank daheim, weil ich die Diskrepanzen zwischen dem, was mir wichtig ist (oder mal war) und dem, was stattfindet, nicht aushalten kann. Weil Pläne, die ich vor einem Jahr gemacht habe, zum Scheitern verurteilt scheinen. Weil ich selbst meine eigene Reizbarkeit nicht mehr aushalte.

Achja, die Vergangenheit: warum haben wir bloß nicht realisiert, daß unser Leben kippen würde, daß das Konzept normaler Berufstätigkeit nicht für uns funktionieren würde? Daß wir uns selbst einen Platz in der arbeitenden Gesellschaft suchen müssen in Zeiten, in denen uns das extrem schwer gemacht wird? Denn wer kann denn aus der mehrjährigen Arbeitslosigkeit heraus selbständig werden auf einem anderen als dem gelernten Gebiet und dann auch noch in Deutschland, wo immer mehr die Arbeitnehmerüberlassung um sich greift?

Ich habe mich auch mal nach kleineren Jobs umgesehen. Mit dem Ergebnis, daß ich weiß, daß ich da nicht willkommen bin. Und ich weiß nicht, ob ich mich nicht auch betrogen fühlen soll von Personen, die meine Erwerbslosigkeit a) hinnehmen, b) ignorieren, c) Angebote machen könnten, aber es nicht tun. Man kann es mir nicht recht machen? Nein, eher kann ich es den Leuten nicht recht machen.

Im Endeffekt sind wir alle im Kurs es wohl leid, uns zu rechtfertigen für dieses oder jenes. Jeder ist ein kleiner Vulkan. Könnt Ihr Euch so jemand als Arbeitskollegen vorstellen? Nein? Ich auch nicht.

Ich bin an dem Punkt, an dem ich mich selber frage, was ich denn noch einem Arbeitgeber oder der Gesellschaft bieten kann. Dafür gibt es Gründe und vielleicht haben sie mehr mit dem Ego anderer, entscheidender Menschen zu tun als mir lieb ist. Vielleicht aber auch - und das ebenfalls mehr, als mir lieb ist - mit der Art, wie ich diesen Menschen gegenüber trete. Ich bin zu alt für meine Eigenheiten geworden. Und (derzeit) zu krank, um einige zusätzlich entwickelte abzustellen.

Aber das mit dem Alter sagt mir natürlich keiner. Stattdessen wird die Verantwortung abgewälzt. Es könnte sich ja eine Lösung aus dem Nichts auftun. Schließlich gibt es ja Märchen, in denen das funktioniert hat. In denen einer mit dem Finger schnippt und alles ist gut.

Keine Ahnung, woher ich dafür jetzt die Kraft nehmen soll, umzusteuern, wenn ich es schon an den strategischen Punkten nicht geschafft habe.

Sort:  

klingt nach Jobzenter-Maßnahme. Ist der Punkt mit dem alles steigt und fällt nicht der, dass man den Typen/bzw. vermutlich meist Damen dort scheiß egal ist und diese einfach nur Kopfgeld bekommen? Sprich, dass es toxisch für einen selbst ist dort zu hocken.

Die Annehmlichkeiten des Zusammensitzen und die Konfrontation mit verschiedenen Typen Mensch ist interessant aber meist wirds doch dann persönlich, invasiv und respektlos, weil ja jeder besser weis obwohl keiner im Raum gemessen an Standards eigentlich erfolgreich ist. Weder die Teilnehmer noch die Betreuer. Das ist ne Industrie die mit denen die nicht mehr ins Arbeitsleben kommen Kohle macht und dabei massive seelische Schäden hinterlassen kann. Meine Einschätzung.

Darum versteh ich nicht was dagegen spricht einen gaaaanz anderen Weg zu gehen. Nachdem man ausgeschlossen hat keinem Selbstbetrug aufzulaufen. Mehr Betrug steckt für viele im aktuellen System. Für die 20-30jährigen die nie drinnen waren und die 40-50 Jährigen die nicht mehr rein kommen in den tollen VIP Club.

Gut beschrieben, man könnte meinen, du hättest bei uns Mäuschen gespielt.

Hmm.. Du fragst dich was du potentiellen Arbeitgebern noch bieten kannst?! Damit würde ich aufhören.. Frag dich was dich glücklich macht, alles andere ist mindestens nur zweitrangig.. Ich weiß, diese Antwort klingt sehr simpel, aber sie ist wahr ;-)

Du hast doch bestimmt schon damit aufgehört. ;)

Angebot und Nachfrage regeln den "Preis". Oder vielleicht in deinem Fall den Job. Schau doch mal was gesucht wird und was dir davon Spaß macht. Die Stellenanzeigen beim Arbeitsamt sind meiner Erfahrung nach nicht sehr hilfreich. Schau in Zeitungen und Zeitschriften für deine Branche. Mach dort ein Praktikum und Beweise dich. Mit Motivation und Engagement kommst du weiter als mit unnützen Gedanken und leeren Worten. LG

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Hi @isarmoewe , nicht du bist für den Arbeitsmarkt unzulänglich , sondern es gibt schlicht und einfach keine Stellen , das musst du dir als Erstes klar machen :-)) Im Prekariat (Bevölkerungsteil, der, besonders aufgrund von anhaltender Arbeitslosigkeit und fehlender sozialer Absicherung, in Armut lebt oder von Armut bedroht ist und nur geringe Aufstiegschancen hat) unterbieten sich die Billiglöhner gegenseitig und wer kann es einem Arbeitgeber verdenken , dass er zu der billigsten Arbeitskraft greift und damit gesunde Job´s kaputt macht :-(( Ich sagte schon mal , wir haben hier 8 millionen Arbeitslose und Billiglöhner gegen einer Million offener Stellen , zieh davon die hochdotierten Stellen ab , die über Head - Hunter besetzt werden und es bleiben noch weniger :-(( Also lass dir nicht erzählen : "Wenn du dich anstrengst wirst du genommen" , das ist eine Sache des Glück´s oder von Vitamin B , so hart das auch klingt . Gib die Hoffnung trotzdem nicht auf und versuche dir irgendetwas Ehrenamtliches zu suchen , manchmal fällt auch dort ein gewisser finanzieller Gewinn ab :-)) L G unsuwe

Ich bin doch schon bis fast zum Halse im Ehrenamt verankert, nur halt leider nicht in der Gemeinde, dann fiele vielleicht tatsächlich der eine oder andere Vorteil ab.

Man kann die Regelungen für Hartz IV allerdings auch so auslegen, daß ich etwa beim THW kein kostenloses Mittagessen bekommen dürfte.

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