Märchen - Die Sprache der Seele

Welches Märchen ist Dein Lieblingsmärchen? Diese Frage stelle ich auch meinen Klienten immer wieder.
Über Märchen zu sprechen ist viel leichter, als den Grund für einen Schmerz zu erkennen. Das was uns in der Tiefe bewegt lässt sich über ein Märchen einfacher ausdrücken, als über die rationale Ebene.

Egal wie alt, jeder kann mit Märchen etwas anfangen. Als Kind möchte man sie vorgelesen bekommen und auch bei ständiger Wiederholung wird man ihrer nicht müde. „Nochmal“ ist eines der Lieblingsworte, wenn es um Märchen geht.

Warum Märchen die Psyche heilen können?!

Märchen sind wie Balsam für die Seele. Sie zeigen die Grundprinzipien des Lebens, dort wo alles begann.... vor langer, langer Zeit.... lange bevor .... und sie dauern 1000 und 1 Nacht. Im Märchen sind unsere Vorlieben ganz frei, fühlen uns zu Charakteren hingezogen, die so sind, wie wir selbst es gerne wären, wie wir uns sehen, oder wie es sich anfühlt jemand zu sein, den man innerlich ablehnt. Wir kämpfen wie König Arthus gegen unsere Ängste, die sich im Märchen zum Beispiel im Symbol eines Drachen zeigen. Suchen wir unsere wahre Heimat, müssen wir Vater und Mutter verlassen, um dort anzukommen. Der Weg zu uns selbst birgt viele Gefahren, wie für Hänsel und Gretel, und wir brauchen Gefährten, die uns dabei behilflich sind, wie die Trolle und Elben in Herr der Ringe. Ein Märchen steckt voll von Symbolen, die unser Unterbewußtsein versteht.

Träume – Märchen des Unterbewußtseins

Wir selbst erfinden jede Nacht unsere eigenen Märchen, in denen wir das Tagesgeschehen, unsere Ängste, Freuden oder Sehnsüchte verarbeiten. Auch wenn wir uns nicht an unsere Träume erinnern, oder sie zu verwirrend erscheinen, jeder Mensch träumt im Schlaf und manches Mal sogar in Tagträumen. Hindert man einen Menschen am Träumen, wird er über längere Zeit schwere psychische Schäden davontragen. Wir brauchen den Schlaf und die Träume für unsere seelische und körperliche Gesundheit.

Märchen - Ein roter Faden in der Therapie

Um die Botschaften der Märchen tiefer deuten zu können, muss man sich mit der Sprache der Symbole auseinandersetzen. Manche Symbole sind leicht zu erkennen, wie der Drache und der König. Andere verstecken sich hinter Metaphern, wie die heruntergelassenen Haare des Rapunzel's, die erst im Zusammenhang erkennbar werden. Märchen stecken voll von Symbolen aus den unterschiedlichsten Kulturen. Bereits die Hinwendung zu einem bestimmten Märchen zeigt, in welcher Sprache unsere Seele mit uns kommunizieren möchte.
Wenn ein Problem direkt in der therapeutischen Arbeit angesprochen wird, kann das zu Rechtfertigung, Widerstand oder Vermeidung führen. Über ein Märchen bleibt der rote Faden im Heilungsprozess sichtbar. Der nächste Schritt kann mit Hilfe der Figuren aus den Märchen geübt werden, um angstbesetzte Themen von Stress zu befreien.

Der Bösewicht im Märchen – Warum auch Blut fließen muss!

Der Wunsch alles Böse aus einem Märchen herauszunehmen, bringt ein Märchen aus dem Gleichgewicht und somit auch die Seele dessen, dem das vermeintlich Böse vorenthalten wird. Immer wieder höre ich, dass in besonders ‚umsorgender’ Erziehung Märchen wie beispielsweise Hänsel und Gretel einfach umgeschrieben werden, um die blutrünstige Hexe nicht als Schreckensbild in den Köpfen der Kinder erscheinen zu lassen. Wer das tut, der hat nicht verstanden, dass zum Leben alle Teile gehören. Gut kann es nur geben in Verbindung mit böse, hell nur in Verbindung mit dunkel, kalt nur in Verbindung mit warm. Wir leben in einer Welt der Polarität und da bedarf es zu jeder Heilung auch einen Schatten, der ans Licht gebracht werden muss.

Märchen contra Videospiele

Märchen haben die Jahrtausende überdauert. Werden das auch die Videospiele? Vorausgesetzt die Technik spielt mit, werden nur die Spiele überleben, die alle Symbole beinhalten, die wir brauchen, um im Gleichgewicht zu bleiben. Spiele wie World of Warcraft sind/waren so erfolgreich, weil sie der Phantasie keine Grenzen auferlegen. Im Miteinander mit anderen Spielern wird der Ausgleich hergestellt zur eigenen Einseitigkeit.
Schaut man sich an, wie stark die Videospiele in allen Altersgruppen konsumiert werden, könnte man meinen, dass es eine Sehnsucht nach Gewalt und Vernichtung gibt. Es genügt nicht, sich in einseitig geprägten visuellen Welten aufzuhalten und zu glauben, dass dies auf der Seelenebene heilsam ist. Auch hier bedarf es des Gleichgewichts der Symbole.
Gibt es diesen Ausgleich nicht im Märchen oder im Videospiel, wird die Seele versuchen selbst ein Gleichgewicht herzustellen, um nicht krank zu werden, an zu einseitiger Bilderkost. In Maßen zu genießen, das eigene Gleichgewicht zu halten, das macht den freien Willen aus. Zuviel vom Gleichen führt in die Sucht und macht abhängig.

Avatar – Games of Thrones – Herr der Ringe – Märchen unserer Zeit

Diese Filme erfreuen sich so großer Beliebtheit, weil sie es verstehen, jedem noch so kleinen Seelenanteil einen Platz zu geben. Betrachtet man die Zahlen der Einschaltquoten und der Wunsch immer wieder Geld für Serien auszugeben, legt es den Schluss nahe, dass die Menschen mehr denn je Sehnsucht nach einem Leben mit Märchen haben. Jeder Epos zeigt das Vorhandensein der wichtigen Grundsymbole. Wenn sie vorhanden sind, dann ist für jeden etwas dabei und wird zum dauerhaften Erfolg. Fehlt nur ein Baustein – wie beispielweise der Held – dann wird es kein Bestseller werden. Große Filmemacher wissen um die Magie der Symbole und wie sie in Szene gesetzt werden müssen, um von den Zuschauern erkannt und geliebt zu werden.

Die Uhr, die auf sieben Uhr stehenblieb

Eine Geschichte, die von dunklen und hellen Momenten erzählt.
In einem kleinen Büchlein habe ich eine Geschichte gefunden, die ich Dir heute gerne mit auf den Weg geben möchte.

An einer der Wände in meinem Zimmer hängt eine schöne alte Uhr, die leider nicht mehr geht. Ihre Zeiger sind schon vor ewigen Zeiten stehen geblieben und zeigen und unterbrochen dieselbe Uhrzeit an: Punkt 7 Uhr.
Die meiste Zeit ist diese Uhr nur ein nutzloser Schmuck an einer leeren weißen Wand. Trotzdem gibt es zwei Momente am Tag, zwei flüchtige Augenblicke, in denen die alte Uhr aufzuerstehen scheint wie Phönix aus der Asche.
Wenn alle Uhren der Stadt in ihrer einwandfreien Gangart 7 Uhr anzeigen und ihre Kuckucks und Läutwerke 7 mal ihren Klang vernehmen lassen, scheint die Uhr in meinem Zimmer langsam zum Leben zu erwachen. Zweimal am Tag, morgens und abends, fühlt sie sich in komplettem Einklang mit dem Rest des Universums.
Jemand, der die Uhr in genau diesem Moment ansieht, müsste denken, dass sie perfekt funktioniert… aber sobald dieser Moment vorbei ist, wenn die übrigen Uhren ihren Klang einstellen und die Zeiger weiter ihren monotonen Gang gehen, verliert meine Uhr ihren Schritt und verharrt treu dort, wo sie einst stehengeblieben war.
Ich mag diese Uhr. Und je mehr ich von ihr rede, desto lieber wird sie mir, weil mir immer deutlicher wird, wie sehr ich ihr ähnele. Auch ich bin irgendwann einmal stehengeblieben. Auch ich fühle mich starr und unbeweglich. Auch ich bin irgendwie bloß nutzloser Schmuck an einer leeren Wand.
Aber ich genieße auch diese flüchtigen Momente, in denen auf mysteriöse Art meine Stunde gekommen ist. Dann fühle ich mich sehr lebendig. Alles scheint mir klar und die Welt ein wunderbarer Ort. Ich kann schöpferisch sein, träumen, fliegen und mehr fühlen und sagen als in der ganzen übrigen Zeitpunkt. Solche Momente glücklicher Übereinstimmung gibt es immer wieder, in unbeirrbarer Folge.
Beim ersten Mal habe ich versucht, diesen Augenblick anzuhalten, damit er für immer bleibe. Aber es war vergeblich. Wie meinem Freund, der Uhr, entschwand auch mir die Zeit der anderen.
Waren diese Momente vorbei, gingen die anderen Uhren in den anderen Menschen weiter ihren Gang, und ich kehrte zu meiner todesstarren Routine zurück. Zu meiner Arbeit, meinen Kaffeehausgesprächen, ich ging weiter meinen langweiligen Trott, den ich gewohnheitsmäßig Leben nannte.
Aber ich weiß, dass Leben etwas anderes ist. Ich weiß, dass das wahre Leben die Summe solche flüchtigen Momente ist, in denen wir uns im Einklang mit der Welt fühlen.
Fast jeder bedauernswerte Mensch glaubt, dass er lebt.
Es gibt bloß einzelne Momente der Fülle, und diejenigen, die das nicht wissen und daran festhalten, immer leben zu wollen, werden an die graue und immer gleiche Alltagswelt festgekettet bleiben.
Deshalb mag ich dich, alte Wanduhr. Weil wir gleich sind, du und ich.

Quelle: Jorge Bucay, Komm, ich erzähl dir eine Geschichte
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Spieglein, Spieglein an der Wand......
Welches ist Dein Lieblingsmärchen?
Eine märchenhafte Zeit für Dich
Liebe Grüße Gabriele

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