Leben mit dem Tod – Wie Rituale helfen seelisch gesund zu bleiben
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Heute sprach ich mit einer Freundin, die mir erzählte, dass ein guter Freund ganz plötzlich verstorben sei. Obwohl sie sich schon öfter über den Tod Gedanken gemacht hatte, soweit man das so nennen kann, löste dieser Verlust neue, tiefere, bis dahin noch nicht gefühlte Gefühle in ihr aus. Gefühle, die sie nachdenklicher machten und gleichzeitig eine neue Tür in ihr öffnete zu einem Raum, in dem es mehr Fragen als Antworten zu geben scheint.
Sie kannten sicher übers Internet, hatten sich nie persönlich getroffen, aber trotzdem empfand sie die Beziehung zu ihm als eine Freundschaft, deren Verlust nun mehr in ihr erschütterte, als sie vermutet hätte. Nicht einmal beim Tod eines nahen Verwandten hatte sie sich so anders gefühlt – irgendwie dazwischen. Zwischen dem kleinen eigenen Leben und dem größeren Leben drum herum.
„Liegt es am Alter?“ Sie ist Mitte 50. Über 50 könnte es ja sein, dass man sich Fragen stellt über den Tod und das Sterben, über das Danach und das bereits Gewesene. Ja, ich weiß, darüber denken auch jüngere Menschen immer mal nach, wenn sie jemanden verlieren, wenn sie mit sehr alten und/oder kranken Menschen zusammentreffen. Oder ist das Nachdenken über den Tod zu früh, wenn man noch mit so vielen anderen Dingen beschäftigt ist? Wann fängt man an sich über den Tod Gedanken zu machen? Sollte man überhaupt darüber nachdenken? Bedrückt das nicht zu sehr, wenn man sich ganz auf das Leben konzentriert?
Hier eine lebenswichtige Botschaft:
Der Tod gehört (auch) zum Leben
Geburt, Pubertät, LEBEN, Sterben, Tod sind nur einige wichtige Übergänge, die zum Leben dazugehören. Geburt lässt sich gut ins Leben integrieren. Es werden Bilder gepostet vom Baby im Mutterleib, wie es heranwächst mit wöchentlichen bis täglichen Berichten, ob es ihm gut geht. Wachsende Bäuche von werdenden Müttern in unterschiedlichsten Lebenssituationen. Auch die verschlossenen Türen des Kreissaals sind nicht mehr nur für werdende Väter offen. Webcam’s lassen keinen Moment mehr außeracht, dass da ein neuer Erdenbürger das Licht der Welt erblickt hat. Jeder kann live und jederzeit daran teilhaben. Der Offenheit scheint keine Grenze mehr gesetzt.
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So, wie in manchen Bereichen die Türen aufgerissen werden, die früher nur den engsten Angehörigen geöffnet wurden, werden andere Abschnitte des Lebens hinter verschlossenen Türen abgewickelt. Treten Schwierigkeiten mit Heranwachsenden auf, wird immer weniger darüber geredet. Im anderen Extrem werden alle Veränderungen gerne mit dem Satz ‚er/sie ist gerade in der Pubertät’ eingesperrt. Der Umgang mit Sterbenden und Tod ist ein großes Tabuthemen, mit welchem man sich im Fluss des Lebens nicht, oder nur äußerst ungern, beschäftigen möchte. Es scheint sogar eine Reihe von beliebten Krankheiten zu geben und andere, über die man sich lieber hinter vorgehaltener Hand informiert.
Wie alle Themen, die der Mensch verdrängt, treten sie meist unverhofft ins Leben und fordern dann mehr Beachtung als den Betroffenen lieb ist.
Übung macht den Meister
Wie bewältigt man Situationen, über die man nicht sprechen möchte, die man einfach verdrängt? Was tut man im akuten Fall wenn man es nicht geübt hat? Das beste Beispiel hierfür ist der Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein. Aufgefrischt wird dieser in der Regel eher selten bis gar nicht. Ist es da verwunderlich, dass immer noch viele Menschen lieber vorbeifahren, als Hilfe zu leisten. Wer stressige Situationen nicht vorher trainiert, auch wenn es nur mental ist, der wird niemals den ersten Platz bei den Olympischen Spielen des Lebens erreichen.
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Unser Hirn muss Gedanken immer wieder üben, damit wir es in unserem Leben als etwas Natürliches fühlen können. Wer sich zu Lebzeiten mit dem Tod auseinandersetzt, dem wird er keine Angst mehr machen.
Der Tod als Freund
Hast Du schon einmal den Film ‚Rendezvous mit Jo Black’ gesehen? Wenn nicht dann empfehle ich Dir das nachzuholen. Die Berührung mit dem Thema Tod kann auch durch einen Film, einen Bericht (einen, wie Du ihn gerade liest), oder das Beobachten der Natur ausgelöst werden. Es muss nicht erst einen konkreten Anlass geben, um sich mit dem Tod und der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen und die tiefere Bedeutung dahinter wahrzunehmen.
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Was bedeutet der Tod für Dich? Hast Du Angst vor dem Tod? Oder ist es das Sterben, Krankheit, Schmerz, die Dich ängstigen? Wie wäre es, wenn wir den Tod einmal als Freund sehen könnten, der uns von Geburt an begleitet? Ein Freund, der stets still an unserer Seite ist, sich nicht einmischt, nicht urteilt, einfach dann kommt, wenn es Zeit für uns ist zu gehen und als einziger mit uns geht, hinüber auf die andere Seite. Er lässt sich nicht abwimmeln, ist unvermeidlich.
Eine Gesellschaft, die den Tod ausgrenzt ist bereits tot
Sterben üben zu Lebzeiten
In alten Kulturen wurde der Tod zu Lebzeiten geübt. Priester begleiteten in Tempelschlaf-Ritualen die Suchenden auf die andere Seite des Bewusst-Seins. In Trance versetzt schickte man die Seele auf Reisen, um sich dem Tod bewusst anzuvertrauen, wenn er irgendwann an die Tür klopfte. Tote Körper wurden in Bandagen gewickelt und einbalsamiert, in der Hoffnung sie bei der Rückkehr von dieser Reise wieder bewohnen zu können. Der Tod gehörte zum Leben und wurde oft mehr verehrt als das körperliche Dasein. Doch niemand kam zurück, die toten Körper wieder zu bewohnen.
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Ein übertriebener Totenkult kann auch als Lebensflucht wahrgenommen werden. Wird ausschließlich das Leben und die Körperlichkeit gelebt, wird die Vergänglichkeit zu etwas, was zu tiefer Depression führen kann, wenn die ersten Zeichen des Verfalls wahrgenommen werden.
Das Gleichgewicht des Lebens
Alles was im Ungleichgewicht ist fordert früher oder später wieder den Ausgleich. Ein Leben im Gleichgewicht beinhaltet alle Anteile, auch Sterben und Tod. Es gilt die Vorliebe für einen bestimmten Teil im Leben aufzugeben. Alles ist vergänglich! Nichts währt ewig, selbst wenn die Technik noch so sehr perfektioniert wird.
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Ein Leben im Gleichgewicht bedeutet: Nichts wird ausgeklammert, alles wird angemessen beachtet. Wenn wir nur Gutes in der Welt sehen wollen, dann erscheint plötzlich nur noch Gewalt im Vordergrund. Jedes Zuviel auf einer Waagschale fordert das entsprechende Gegengewicht auf der anderen Seite.
Rituale ermöglichen eine bewusste Auseinandersetzung mit natürlichen Veränderungen.
Rituale - Nahrung für die Seele
Rituale sind etwas Regelmäßiges, Altes, Traditionelles. Feste werden gefeiert, zu (fast) jedem Anlass. Sie sollen an Ereignisse erinnern, die auf Übergänge hinweisen. Doch wenn es darum geht das letzte Abschiedsfest zu gestalten, tun sich die meisten Menschen sehr schwer. Die eigene Beerdigung planen, eine Bestattungsform und den richtigen Bestatter auswählen, Preise vergleichen, gehört eher selten zum Eventangebot. Man muss nicht an ein Leben nach dem Tod glauben. Doch es ist realistisch, dass das eigene Leben nach dem Tod eines geliebten Menschen nicht mehr so ist wie früher. Es ist die Geburt eines neuen Lebensabschnitts.
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Wer sich mit dem Tod auseinandersetzt zu Lebzeiten, der wird sich seiner eigenen Sterblichkeit wieder bewusst. Jeden Tag so zu leben, als wäre es der letzte, ist nur eine Form.
Was sagt Dir die Natur über den Tod?
Wie ist Dein Verhältnis zum Tod?
Gib dem Nachdenken über den Tod einen angemessenen Raum in Deinem Leben.
Nur wer Tod und Sterben ins Leben integriert, der lebt wirklich.
http://www.perspektivencoach.de/praxis/trauerritual/
Bilder
gh = Gabriele Huelsmann
px = pixabay, alle lizenzfrei ohne Nachweis zu veröffentlichen
Bhu ein sehr schwieriges aber spannendes Thema, hast du dir da ausgesucht. Ich muss ehrlich sagen, ich habe riesen Respekt vor dem Tod. Gar nicht vor meinem eigenen, also es wär schon ehrlich scheisse, jetzt zu sterben wo das Leben erst los geht, aber tausend mal mehr Angst macht mir der Tod von ein zwei Menschen, bei denen ich das Gefühl habe ich brauche sie. Ich habe mit 17 schon einmal durch Krebs einen Menschen verloren der mir Halt und Sicherheit gab, ich weiss ich würde es wieder überleben aber ich fürchte dennoch den tiefen Schmerz von dem ich weiss, der geht nie wieder wirklich weg.
Irgendwann verlassen wir alle diese Welt...sich vorbereiten....ich glaube das kann man im Endeffekt nicht. Der Tod erwischt einen doch immer unerwartet zu früh, selbst dann,wenn man seit Monaten damit rechnet, wird man überrumpelt davon.