Geht es in der Politik um Gefühle, Werte oder Interessen?
I. In den Debatten, die in den deutschen Medien zu verfolgen sind, wird viel über Gefühle und Werte gesprochen, aber nie von Interessen.
Das offenbart sich besonders in der aktuellen Flüchtlingsdebatte.
So erklärte beispielsweise der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) nach einer Meldung der KNA vom 5. 7.2018: „Ich wundere ich über die Gefühlskälte, mit der das Ertrinken von Flüchtlingen in der öffentlichen Debatte hingenommen wird.“ Und mit Blick auf den Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer ergänzte er: „Das ist eine Anfrage an die Humanität unserer Gesellschaft.“
Um Gefühle als Gestaltungsmaßstab ging es auch bei der Äußerung der Bundeskanzlerin Angela Merkel am 4.7.2018 im Bundestag:
„Es muss mehr Ordnung in alle Formen von Migration kommen, damit Menschen den Eindruck haben, Recht und Ordnung werden durchgesetzt.“
Ist Politik also eine Antwort auf die Gefühle der Menschen und deren Wertvorstellungen?
Reicht das Äußern von Gefühlen und die Benennung von Werten aus, um vernünftige und damit gute Entscheidungen in Politik und Gesellschaft treffen zu können?
Wenn das so wäre, wäre es völlig unvernünftig und unmoralisch, dass Menschen in Deutschland noch Schweineschnitzel oder gar Eis essen. Denn – so die vordergründige Logik - es gibt noch zu viele Menschen weltweit, die täglich nur eine Handvoll Reis zum Überleben zur Verfügung haben. Die Bilder der Hungernden und unser Respekt vor ihrer Menschenwürde sollten es uns dementsprechend unmöglich machen, dass wir uns Luxus erlauben, statt uns einzuschränken und unseren Wohlstand zu teilen.
Aber: Würde unser Verzicht auf Schweineschnitzel und Eis den Hungernden in der Welt wirklich nutzen? Wäre es vernünftig?
Vernünftig ist zunächst einmal alles, was nutzt. Wem muss es nutzen? Demjenigen, dessen Interessen betroffen sind.
Nun ist es meistens so, dass bei den meisten Lebenssachverhalten, bei denen Handlungsbedarf besteht, viele Personen und Institutionen betroffen sind, die regelmäßig auch divergierende Interessen haben. Das gilt für die Frage, ob der Konsums von Schweineschnitzeln verantwortet werden kann genauso wie für die Suche nach einer Antwort auf den Migrationsdruck auf Europa.
Wie will man vor diesem Hintergrund zu sachgerechten Entscheidungen kommen?
Können die Gefühle der Beteiligten dabei ein tragfähiger Entscheidungsmaßstab sein?Wohl kaum. Denn ein emotionaler Gleichklang darüber, das eine Entscheidung „super“ ist, wird bei einer Mehrzahl von Beteiligten , die von einer Entscheidung häufig in unterschiedlicher Weise betroffen sind, kaum herzustellen sein.
Kann die Benennung von Werten – wie etwa „Humanität“, „Gerechtigkeit“, „Solidarität“ – ein tragfähiger Entscheidungsmaßstab sein, wenn auch hier an dem Lebenssachverhalt mehrere beteiligt sind, die von der Entscheidung in unterschiedlicher Weise betroffen sind?
Wohl kaum. Denn eine ethisch richtige Entscheidung kann nicht nur die Bedürfnisse und Interessen eines der Beteiligten berücksichtigen, sondern muss die aller Beteiligten in den Blick nehmen und miteinander abwägen.
Zudem können die geltend gemachten Werte nicht als isolierte Größen betrachtet werden, sondern gehören zu einem Wertesystem, dass durch Werthierarchien und konkurrierende und ergänzende Werte gekennzeichnet ist.
So kann sich ein in Schwierigkeiten Befindender nicht ohne weiteres für sich Werte wie „Humanität“, „Gerechtigkeit“, „Solidarität“ einfordern, ohne auch die Frage zu beantworten, wie er seine Verantwortung in Freiheit für sich selbst und sein Leben wahrgenommen hat. Zudem haben diejenigen, von denen „Gerechtigkeit“ und „Solidarität“ eingefordert wird, auch ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Interessen, ihre Freiheit und ihr eigenverantwortliches Handeln beachtet und respektiert und nicht zugunsten Dritter entwertet wird.
Gefühle und Werte allein bieten daher keinen sachgerechten Entscheidungsmaßstab für gute und ethisch verantwortbare Entscheidungen in Politik und Gesellschaft. Ausgangspunkt für sachgerechte Entscheidungen in Politik in Gesellschaft muss daher stets eine sorgfältige Analyse und Darstellung der Interessen der von einer Entscheidung betroffenen Beteiligten sein. Dazu gehört auch die Analyse, ob die Beteiligten überhaupt berechtigt sind, ihre Interessen in der gewünschten Form gegenüber anderen wahrzunehmen.
II. Die Bedeutung von Interessen für sachgerechte Entscheidungen in der Politik lässt sich gut anhand der Flüchtlingsdebatte darstellen. Um wessen Interessen geht es in dieser Debatte ? Vor allem geht es um die Bürger des Aufnahmelandes einerseits sowie die Flüchtlinge und Migranten andererseits. Daneben sind im Einzelfall auch viele andere Interessen berührt und betroffen.
1. Die Bürger des Aufnahmelandes haben zunächst einmal nicht ohne weiteres ein Interesse an der Aufnahme von Flüchtlingen oder Migranten. Sie sind daran interessiert, ihren Lebensstil sowie ihre Kultur beizubehalten und zu optimieren, ihren Wohlstand zu bewahren und zusätzliche Probleme und Konflikte zu vermeiden. Für die Bürger des Aufnahmelandes kann Zuwanderung bedeuten, dass sie ihren Wohlstand teilen und sich einschränken müssen. Mehr Menschen durch Zuwanderung kann mehr Wettbewerb um Wohnraum, mehr Wettbewerb um Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich, mehr Kosten des Staates für Sicherheit, Justiz, Bildung und Sozialleistungen und damit mehr Steuern und Abgaben bedeuten.
Ungeachtet möglicher Belastungen sind die meisten Gesellschaften, wie auch die deutsche, grundsätzlich bereit, Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, zu helfen. Das ergibt sich in Deutschland – trotz der zunehmenden Marginalisierung des Christentums - vor allem aus dem historisch begründet fortwirkenden christlichen Menschenbild, das jedem Menschen eine einzigartige Würde zumisst und den Christen zur Nächstenliebe gegenüber den Mitmenschen bestimmt. Hilfe grundsätzlich und generell zu verweigern, würde das eigene Wertverständnis negieren und in Frage stellen. Andererseits, würde eine grenzenlose Offenheit für die Aufnahme aller, die kommen wollen, unsere Kultur und Werteordnung, auf die wir Wert legen, auflösen, da viele, die kommen wollen, ihre eigenen Kultur-und Wertvorstellungen mitbringen und bewahren wollen.
Ein Interesse an Zuwanderung könnte gegebenenfalls auch daraus erwachsen, dass die Zuwanderung den Bürgern des Aufnahmelandes auf mittlere Sicht nutzt, etwa wenn die Zuwanderer als zukünftige Erwerbstätige einen Beitrag zum Erfolg der Gesellschaft leisten können und bereit sind sich in die Aufnahmekultur zu integrieren. Das setzt jedoch voraus, dass die Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft nicht überfordert wird und die Zahl der Zuwanderer nicht ein Maß erreicht, das zur Bildung von Parallelgesellschaften führt.
Generell offene Grenzen für jedermann – wie von vielen NGOs wie etwa der Open Society Foundation von Georg Soros vertreten und gefördert – ist mit den Interessen der Bürger des Aufnahmelandes nicht vereinbar: Es würde die Aufnahmegesellschaft wirtschaftlich, politisch und kulturell zerstören.
2. Auf der anderen Seite geht es Migranten und Flüchtlingen darum, ihre Lebenssituation zu verbessern.
Bei persönlich politisch Verfolgten reicht das Verlassen des Verfolgerstaates oft nicht aus, der Gefahr zu entkommen. Politisch Verfolgte benötigen in der Regel einen Aufnahmestaat, der bereit und imstande ist, den Verfolgten vor weiterer Verfolgung zu schützen. Für solche Fälle gewährt unser Grundgesetz zu Recht das Grundrecht auf Asyl.
Soweit Menschen aus Kriegs- oder Konfliktzone fliehen, sollte ihnen geholfen werden. Es stellt sich allerding die Frage, ob die Flüchtlinge nicht schon auf ihrem Kontinent, in ihrem kulturellen Umfeld Fluchträume finden können, die ihnen Schutz gewähren und ob ihnen Hilfe nicht besser vor Ort zu gewähren ist. Der Aufwand, der hier betrieben werden muss, um einem Flüchtling zu helfen, würde ausreichen, einer weit größeren Zahl von Menschenin der Herkunftsregion zu helfen. Zudem wären Flüchtlinge und Aufnahmeland nicht den kulturellen Missverständnissen und Konflikten ausgesetzt, die allen Beteiligten das Leben erschweren.
Migranten, die nicht durch Krieg oder politische Verfolgung betroffen sind, geht es ausschließlich um eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Sie werden – so sie es sich leisten können – dorthin migrieren, wo sie die wirtschaftlich attraktivsten Rahmenbedingungen vorfinden, auch wenn sie grundsätzlich kein Recht auf Zuwanderung oder auf Aufnahme in ein bestimmtes Land haben.
3. Wie können eine Gesellschaft und ihre Politiker zu einer vernünftigen Entscheidung darüber gelangen, ob und inwieweit Migranten aufgenommen werden oder dem Migrationsdruck standgehalten wird?
Vordergründig muss die Antwort dem Wohl der Gesellschaft dienen, ihr nutzen. Aber was dem Wohl der Gesellschaft dient, darauf gibt es in offenen Gesellschaften mehr als eine Antwort. So wünscht sich zwar ein großer Teil der Gesellschaft, dass die eigene Kultur bewahrt und fortentwickelt wird; andere gesellschaftliche Gruppen wünschen sich jedoch eine Auflösung der eigenen Kultur in eine multikulturelle Gesellschaft, in der irrigen Erwartung, dass alles Gute bleibt, aber es einen bunteren Anstrich bekommt.
Deswegen müssen Politik und Gesellschaft die Antwort im Wettstreit der Meinungen und Konzepte finden. Das setzt zunächst voraus, das eine solche Diskussion ohne Repression und Behinderung zugelassen wird. In einem solchen Wettstreit der Meinungen sollte jede politische Partei erklären, warum es im Interesse der Bürger liegt, mit ihnen eine bestimmte Politik zu verfolgen, wie diese Politik sich auf die Bürger auswirken wird, was für Vorteile einerseits und für Nachteile und Belastungen andererseits zu erwarten sind.
III. Warum hört man in der politische Debatte so wenig über Interessen und so viel von Gefühlen und Werten? Weil man so besser verschleiern kann, dass die Politik anderen Interessen, aber nicht denen der Bürger dient?
Lassen Sie sich also nicht verdummen: In der Politik geht es in erster Linie um Interessen und deren Durchsetzung. Wer Ihnen anderes vorgaukelt und nur von Gefühlen und Werten spricht, hat Ihre Interessen jedenfalls nicht im Blick.
Fragen Sie daher Ihren Abgeordneten und die politischen Parteien, wie sie die Interessen der Bürger unseres Landes in den einzelnen Politikfeldern definieren und entsprechend vertreten wollen.
Die Gefühle und Werte werden als "Killerargument" benutzt. Reine Rhetorik, denn wer will sich schon als jemand bezeichnen lassen, der "Humanität" oder "Menschenwürde" ablehnt. Und verschwiegen wird, dass andere Werte wie das Sicherheitsbedürfnis derjenigen, die schon länger da sind, komplett vernachlässigt werden. Oder das Recht auf Erhaltung der eigenen Volksgruppe.
Interessant in dem Zusammenhang das Volksgruppengesetz in Öst. (VoGrG), das Volksgruppen einen umfassenden Schutz gewährt:
Also deutschsprachige Österreicher geniessen KEINEN Schutz!
Der Eindruck könnte entstehen. Deutschsprachige Österreicher bedürfen dieses ausdrücklichen Schutzes nicht, da die Amtssprache ja deutsch ist und sie als dominierende Mehrheitsgesellschaft ihre Kultur leben können.Die Regelung dient dem Schutz authochtoner Minderheiten, die in bestimmten Regionen des Landes seit Jahrhunderten verwurzelt sind, z.B. Ungarische Minderheit und ihre kulturellen Traditionen gepflegt haben. In Deutschland gibt es in den Landesverfassungen entsprechende Regelungen für Sorben und die dänische Minderheit. Das zitierte Gesetz schützt demgegenüber nicht zugewanderte Türken, Araber und Afrikaner mit österreichischer Staatsbürgerschaft, da sie keine Siedlungstradition vorweisen können .