Monte Cristallo, 3221 m - 2017-08-30 - "Via normale"
Der Monte Cristallo
Der italienische Bergsteiger Luca Visentini hat über alle Gruppen der Dolomiten faszinierende Bücher verfasst. Im Jahr 2001 habe ich mir sein Werk über die Cristallo-Gruppe gekauft:
Seither war es mein großer Wunsch, den Hauptgipfel der Gruppe, "Monte Cristallo, Cima principale, 3221 m" zu besteigen. Er ist der vierthöchste Gipfel der Dolomiten, laut Reinhold Messner die schönsten Berge der Welt. Die ersten beiden Bilder zeigen die Cristallo-Gruppe von Süd und von Nord aus betrachtet. Bei einer Suche im Netz findet man häufiger den westlichen Nebengipfel "Cima di mezzo, 3154 m", der über einen Klettersteig vom "Rifugio Guido Lorenzi" relativ einfach erreichbar ist. Ein Übergang von letzterem zum Hauptgipfel ist aufgrund einer unpassierbaren, mehrere hundert Meter tiefen Scharte nicht möglich. Die Besteigung des Hauptgipfels gestaltet sich auch auf dem Normalweg wesentlich schwieriger und wird daher wesentlich seltener ausgeführt.
Anforderungen
- Sehr hohe Ausdauer
- Sicheres Beherrschen des zweiten/dritten Grades der Felskletterei
- Absolute Schwindelfreiheit
- Abseiltechnik
- Orientierungsvermögen in unübersichtlichem Gelände
Ausrüstung
- Helm
- Sitzgurt
- Seil
- Abseilachter
- Kletterhandschuhe
- Viel Trinkflüssigkeit
- Bandschlingen
- Karabiner
Detaillierte Routenbeschreibung im Internet verfügbar
Für die Vorbereitung der Tour dienten mir verschiedene Bücher und Alpinführer. Entscheidend war die folgende Veröffentlichung auf dem Bergsteigerportal hikr.org :
http://www.hikr.org/tour/post111505.html
Anhand dieser sehr guten und reich illustrierten Tourenbeschreibung aus dem Jahr 2016 konnte ich mein Vorhaben am 30. August 2017 erfolgreich in die Tat umsetzen!
(Nebenbemerkung: Auf hikr.org findet man sehr viele gute Beschreibungen zu Bergwanderungen und anspruchsvollen Bergtouren)
Meine Tour: Impressionen und Informationen
Mit dabei: Natürlich Lisa, wer sonst? Allein würde ich diese Besteigung nicht wagen. Wir waren den ganzen Tag alleine am Berg - kein anderer Mensch weit und breit! Nun geht es aber los:
Vom Passo tre Croci, 1808 m, geht es hinauf zum grünen Col da Varda, 2200 m mit einem schönen "Brotzeitfelsen":
Im Hintergrund steht wie gemalt der Sorapiss, 3205 m.
Nun müssen wir das Grün verlassen und uns über das grausam schotterige Kar "Grava di Cerigeres" bis zum Passo del Cristallo, 2808 m, hinaufwühlen:
Wir halten uns im Gegensatz zur geläufigen Beschreibung ganz links und können so über große Blöcke bis 100 hm vor der Scharte ansteigen, bevor uns der extrem lästige Schotter der Abschlussrinne auf die Nerven geht:
(Das Bild entstand beim Abstieg)
Nach 2,5 Stunden stehen wir endlich auf dem Passo und blicken gespannt nach Norden auf die kümmerlichen Reste des Cristallo-Gletschers:
In Richtung des Aufstiegs erblicken wir die unglaublichen Reste einer italienischen Kriegsstellung des ersten Weltkriegs 1915- 1918:
Es übersteigt meine Vorstellungskraft, wie Menschen damals in DIESEM Gelände auch im Winter bei eisigen Temperaturen gelebt, geschuftet, ausgeharrt und gekämpft haben - assolutamente incredibile !!
Nun beginnt, der besagten Beschreibung folgend, die Kletterei. Die gesamte Strecke bis zum Gipfel ist mit unzähligen Steinmännchen markiert. Also heißt es von nun an: Folge den Steinmännchen! Zunächst immer an der Wand lang, was für größere Menschen wie mich zum Teil lästig war:
Auf dem "langen Band" gibt es auch Passagen zum Spazierengehen:
Dann geht es in anregender Kletterei hoch:
Oberhalb des "Kamins" erreichen wir die erste Abseilstelle (man sieht den Schlingenstand am Fels):
Um die nächste Ecke herum
passieren wir den markanten "Pilz":
(Das Bild entstand beim Abstieg; im Hintergrund der mächtige Piz Popena, 3152 m)
Die Beschreibung auf hikr.org erwähnt übrigens den Pilz nicht, obwohl er ein ausgeprägter Orientierungspunkt ist.
Nun queren wir mit steigender Zuversicht im diesem magischen Felsambiente zum steilen Südgrat:
Wir blicken sorgfältig zurück, um uns für den Abstieg die Orientierung zu erleichtern:
Nun geht es meist steil über den Südgrat, der besagten Beschreibung sowie den Steinmännchen folgend, bis zum Gipfel hinauf. Nach gut fünf Stunden Anstieg blicken wir von dort oben zurück auf das letzte, einfache Stück des Grates:
Hier sieht man die beiden glücklichen Gipfelsieger:
Wir werden mit grandioser Aussicht belohnt:
Wie schon gesagt, ist das so nah erscheinende Rifugio Guido Lorenzi von hier aus nicht erreichbar!
Nach einer halben Stunde Pause treten wir mit äußerster Konzentration den Abstieg an, denn das Gelände verzeiht aufgrund der Steilheit und Exposition nicht den geringsten Fehler! An den schwierigsten Stellen, wie hier an der "bösen Platte", seilen wir uns ab:
Wir kommen gut voran und erreichen glücklich den Passo del Cristallo. Leider ist der Getränkevorrat erschöpft, so dass der nun folgende Abstieg durch das Schotterkar auch ein Kampf gegen den ständig steigenden Durst wird. Aber die traumhaft schöne Abendstimmung mit dem zarten rosa auf dem Sorapiss lässt alle Mühen und Beschwernisse schnell vergessen:
Nach 11 Stunden erreichen wir im letzten Licht der Dämmerung müde, aber glücklich das Auto am Passo Tre Croci! Wir fahren hinunter nach Toblach und feiern unseren Sieg in der absolut empfehlenswerten "Pizzeria Hans".
Hinweis für Nachahmungswillige
Unsere Tour fand bei allerbesten Verhältnissen statt:
- Uneingeschränkte Sicht
- Kein Schnee oder Eis im gesamten Gelände
- Absolut stabiles und warmes Sommerwetter
- Nahezu Windstille
- Große Tageslänge
Bei Verschlechterung einer oder mehrerer dieser Gegebenheiten wird die Tour erheblich schwieriger und gefährlicher.
Fazit:
Für Lisa und mich war die Tour ein großartiges Erlebnis, das wohl unauslöschlich in unserer Erinnerung bleiben wird.
Extrem stark mein Freund - Lisa und die Freiheit - ein Top Gespann!!!
Bellissimo
Such an adventurous and adrenaline rush journey. Love the images and the spirit you shown here, even though I am afraid of heights but I love watching mountaineering.
Wow, what an amazing tour. Fantastic weather and visibility. Congratulations, that's an accomplishment you can look back on with pride and satisfaction!
:-)
@roused
Einfach großartig! Ich liebe die Dolomiten. So hoch wie ihr habe ich mich aber nicht getraut. Das Gelände ist einfach ziemlich bröckelig.
Zumindest die Kletterstellen waren durchweg fest. Als Wanderalternative empfehle ich den Dürrenstein von der Plätzwiese aus. Dort hat man den optimalen Blick auf die Cristallogruppe.
Habe gerade auf der Karte nachgesehen. Wir sind mal mit dem Auto auf den Monte Piana (in der Nähe) hochgefahren - ja, das geht. Da gruselt's einen aber ziemlich. Und überall die Schützengräben vom Krieg.
Gewandert bin ich meistens in Alta Badia, am Sella-Massiv.
nichts für schwache Nerven, aber der Ausblick ist unbezahlbar. Dennoch ist es als Landschaftsfotograf nichts für meine Nerven
Eine sehr schöne Tour! Kaum zu glauben, dass ihr den ganzen Tag alleine unterwegs gewesen seid in so einer phantastischen Berglandschaft. Das war sicher auch etwas ganz Besonderes.
Atemberaubende Bilder, spannende Tourbeschreibung! Ein toller Artikel, mehr davon, bitte.
In diese Felswand würde ich mich nicht trauen. Wenn ich sowas sehe, wird mit schon vom Hingucken schwindelig. Hut ab vor Eurer Leistung!
Wow, grandiose Fotos! Freiheit pur in den Bergen. Danke fürs "Mitnehmen" auf die Tour.