Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 55v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

Zur vorangegangenen Passage geht es hier.

Von Hegel bis ins 20. Jahrhundert

Einer von Auguste Comtes Studenten verbrachte einen Teil seiner Studienzeit in Deutschland und besuchte Hegels Vorlesungen. Als er Comte über die Unterschiede von Hegels Doktrin zu dessen sozialistischen Ansätzen unterrichtete schrieb der Student aufgeregt, dass "die Idendität von Ergebnissen sogar in praktischen Prinzipien existiert, und dass Hegel ein Verteidiger des Staates ist und damit sozusagen ein Feind der Liberalen."

Im 19. Jahrhundert wurde über die Frage der wahren Bedeutung des Sozialismus von Kollektivisten aller Arten gstritten. Kant, Herder, Fiche und Hegel waren dabei dominante Stimmen des Mainstreams. Doch keiner von ihnen war konservativ. Konservative des 19. Jahrhunderts bevorzugten die Rückkehr zu oder das Neudenken feudaler Institutionen.

Unsere vier Figurn dagegen waren allesamt für einschneidende Reformen und für das Schleifen des traditionellen Feudalismus. Und doch war keiner von ihnen liberal im Sinne der Aufklärung. Die Liberalen der Aufklärung nämlich waren individualistisch und der Schwerpunkt ihres politischen und wirtschaftlichen Denkens tendierte zu einem begrenzten Staat und zu freien Märkten. Unsere vier Figuren dagegen warben für einen starken ethischen Kollektivismus und eine Politik, in welcher sich der Einzelne für die Gesellschaft opfern sollte, und das egal ob mit Gesellschaft nun die Spezies gemeint war, die Ethnie oder der Staat. Im Fall von Kant finden wir den Aufruf an den Einzelnen, sich bereitwillig als Pflichtausübung für die Spezies zu opfern; wir finden bei Herder einen Aufruf an den Einzelnen, sich die eigene Identität aus der Ethnie abzuleiten; wir finden bei Fichte die Forderung, die Bildung zu einem Prozess der völligen Sozialisation zu machen; und wir finden auch bei Hegel einen Fall, in dem er zur Schaffung des totalen Staates aufruft, dem sich der Einzelne in Gänze unterzuordnen hat. Für eine Schule an Denkern, die für die totale Sozialisation wirbt ist die Bezeichnung "Sozialismus" eine sehr angemessene Bezeichnung.

Das war auch der Grund, weshalb sich viele Denker der kollektivistischen Rechten als die Vertreter des wahren Sozialismus erachteten.

Und doch wurde "Sozialismus" auch als eine Bezeichnung für linke Kollektivisten verwendet, weshalb sich zwischen links und rechts auch eine lebendige Debatte ergab, wer denn nun das vorrangige Recht hat, sich als "sozialistisch" zu bezeichnen.

In dieser Debatte ging es tatsächlich auch um mehr als nur um Semantik. Sowohl die Rechte als auch Linke waren anti-individualistisch; beide standen für die staatliche und zentrale Steuerung der wichtigsten gesellschaftlichen Bereiche; beide teilten die menschliche Gesellschaft in Gruppen ein, die sie für die Identitätsbildung des Einzelnen als fundamental erachteten; beide sahen diese Gruppen in einem nicht beilegbaren Konflikt begriffen; beide bevorzugten Krieg und gewaltsame Umstürze zur Erreichung der idealen Gesellschaft. Und beide Seiten hassten Liberale.

Rechter Kollektivismus gegen linken Kollektivismus im 20. Jahrhundert

Die großen Ereignisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts dienten als intellektuelle Berührungspunkte im Kampf zwischen Links und Rechts um die Seele des Sozialismus.

Mit dem Ersten Weltkrieg, dem ersten großen Konflikt des Jahrhunderts, trafen mit Ost und West zwei inkomatible Sozialsysteme aufeinander. Führende deutsche Intellektuelle der politischen Rechten haben zu Beginn des Konflikts klar ausgedrückt, was ihnen von Bedeutung war. Der Krieg sollte den dekadenten liberalen Geist zerstören, den oberflächlichen Opportunismus von Geschäftetreibern und Händlern und es sollte der Weg bereitet werden für den Aufstieg des sozialen Idealismus.

Johann Plenge etwa, einer der herausragenden Experten zu Hegel und Marx war auch ein Mann der politischen Rechten. Sein Buch Hegel und Marx war ein Markstein da es Gelehrten aufzeigte, wie wichtig es ist Hegel zu verstehen, wenn man Marx verstehen will. Plenge hielt den Liberalismus für ein korruptes System, weshalb für ihn der Sozialismus das Sozialsystemder Zukunft darstellte. Plenge glaubte auch, dass der Sozialismus als erstes in Deutschland umgesetzt werden würde.

Zur nächsten Passage

Sort:  

Was ist mit "beide bevorzugten Krieg und gewaltsame Umstürze zur Erreichung der idealen Gesellschaft. Und beide Seiten hassten Liberale" gemeint? Soll dies eine Parallele zwischen den "linken" und "rechten" Gesellschaftsformen sein oder handelt es sich um einen festen Kriterienkatalog der linken und rechten Strömungen zu der Zeit?

Soll dies eine Parallele zwischen den "linken" und "rechten" Gesellschaftsformen sein

Ja.

oder handelt es sich um einen festen Kriterienkatalog der linken und rechten Strömungen zu der Zeit?

Auch ja.

Was umfasst "linke" und "rechte" Gesellschaftsideen in dieser Theorie und inwiefern schließt dies den Liberalismus aus, welcher sich auch auf einen gewaltsamen Umsturz der feudalen Gesellschaftsstrukturen gegründet hat?

Der Autor bezieht sich bei dieser Zusammenfassung auf:

Kant, Herder, Fiche und Hegel [als] dominante Stimmen des Mainstreams.

der Gegenaufklärung. Deren Arbeiten stehen an der Basis sowohl des rechten als auch des linken Kollektivismus, da spätere rechte und linke Denker sich gleichermaßen auf sie bezogen. Vor allem Hegel und ganz zu Beginn Kant waren Flaschenhälse der Entwicklung kollektivistischer Ideen. Kant begründete die Gegenaufklärung und bereitete damit den Boden des Kollektivismus und Hegel schuf mit der Dialektik die argumentative Voraussetzung für das Denken in Gruppen, die gegeneinander kämpfen und vertrat zudem staatsdoktrinäre Ansichten.

Ab Teil 53 beginnt der Teil mit Hegel und der Unterordnung des Einzelnen unter das Kollektiv (ganz im Sinne Rousseaus).

Dieser Johann Plenge (nie von ihm gehört) scheint eine interessante und wichtige Figur zu sein. Sein Buch Marx und Hegel kann man kostenlos als PDF herunterladen. Das Buch kommt bei mir ganz oben auf die Leseliste und ein kurzer Blick auf den Inhalt zeigt, dass es sogar halbwegs lesbar geschrieben ist.

Auch "toll" dieser Auszug aus seinem Wiki Eintrag:

In seiner Schrift Über den politischen Wert des Judentums aus dem Jahr 1920 vertrat Plenge antisemitische Standpunkte.

Er war Sozialdemokrat und stand der eher konservativ orientierten Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe innerhalb der SPD nahe.

So sind sie eben, unsere Spezialdemokraten;-)

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