Atheismus - eine moralische Kastration? :-D

in #deutsch8 years ago (edited)

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Sagt man durch die zugegebenermaßen provokante Überschrift, dass Atheisten nicht moralisch leben würden/könnten? Wieso sollte es in einem materialistisch-atheistischen Universum mehr als nur persönliche Vorliebe oder die sich ständig wandelnde Meinung der Mehrheit geben? Gibt es ohne Gott eine Grundlage für transzendente, nicht-physikalische, unwandelbare und universal gültige und verbindliche moralische Werte?

Teilt mir eure Gedanken mit Steemianer! :)

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Hi! Ich habe Philosophie studiert, und diese Fragen blieben zunächst für mich lange offen, habe zunächst mehr einen Schwerpunkt auf Ontologie und Anthropologie gelegt. Heute vertrete ich einen Utilitarismus, wobei ich in etwa in Epikurs Lustprinzip darin eine Letztbegründung finde. Das bedeutet anzunehmen es sei eine anthropologische Konstante, dass Menschen (und nicht nur die) Freude suchen und Leid versuchen zu vermeiden. Ich denke, jedem, der mit Kindern zu hat(te), ist das noch ganz offensichtlich. Mir scheint "gut" die natürliche Bezeichnung für Freude, "schlecht" für Leid, "böse" für jemanden, der Leid verursacht. So braucht man dann keine theistische Religion als Begründung von Ethik oder Moral, wobei man so nah an buddistischer Ethik ist, wobei ich dann darauf hinweise, dass außerdem der Mensch nicht unabhängig von Mitmenschen existiert (siehe in etwa Sartres interpersonelle Ontologie). Ich bin allerdings Agnostiker, war zeitweise eine Art Atheist eher als Wette, auf pragmatische Weise, wobei dem nach Kant natürlich in Wirklichkeit ein Agnositzismus zu Grunde lag. Heute kann ich mir doch wieder besser einen Gott vorstellen, vermute aber, dass die Weltreligionen da alle eher etwas verkehrt liegen und der Metaphysik viele anthropomorphe, also menschliche Maßstäbe beigemischt haben. So denke ich etwa, dass die Annahme guter und böser Kräfte in einer Theologie nur Projektionen menschlicher Gefühlsextreme wie Freude und Leid auf die Metaphysik sind. Just my 2 Cents.

Vielen Dank für den ausführlichen und erfrischenden Kommentare. :)

Dem Utilitarismus liegen zwei Grundannahmen zugrunde:

  1. Gleichheit aller Menschen (beim Abwägen von Freude und Leid)
  2. Freude ist gut

Wie würdest du die Gleichheit aller Menschen rechtfertigen ohne ein christliches Weltbild vorauszusetzen? Wie können in einem Universum, dass sich ausschließlich aus physikalischen Entitäten zusammensetzen soll, wahrer Wert und wahre Würde des Menychen sowie Gleichheit aller begründet werden?

Warum sollte Freude gut sein, wenn das Gegenteil, Freude ist schlecht, nicht notwendigerweise einen logischen Widerspruch darstellt? Freude wurde nicht immer als gut betrachtet, sondern als (Vorbote von) Niedergang und Zerfall.

Logisch betrachtet bezieht sich "gut" auf die Verwirklichung hinsichtlich eines Zieles. Freude ist nur dann gut, wenn es einem Zweck dient. In diesem Fall wäre es absolut subjektiv und personenbezogen. Dass Freude gut sein soll, kann daher niemals als objektiver Fakt gelten. Das wird besonders durch den Begriff "Schadenfreude" deutlich: Freude kann das Unglück anderer beinhalten.

Der Utilitarismus kann seine grundlegenden Prinzipien also nicht rechtfertigen und unterliegt der Willkür.

Dass du offen bist für die Existenz Gottes, heißt das, dass du agnostischer Theist bist oder wie würdest du deine Weltanschauung beschreiben?
LG

Da merke ich, dass ich es mit einem Philosophen zu tun habe, weil ich mich bei meiner Antwort wirklich anstrengen muss. :-) Vielleicht kann ich auch nicht alle Argumente gegen meine Position leicht aus der Welt schaffen. Dass alle Menschen zumindest gleiche Eigenschaften haben, so also von einer relativen Gleichheit ausgegangen werden kann, würde ich annehmen, genau wie der Biologe gleiche Eigenschaften für jeden Fuchs oder jeden Hering annimmt, wodurch er diese Arten eben identifizieren kann. Ein Arzt lernt im Studium, wie er ein bestimmtes Organ behandeln muss, aber dann bei jedem Patienten. Wenn wir sehen, wie jemand eine schwere Verletzung erleidet, vielleicht bei einem Unfall oder in einem Krieg, und schreit, erschließt sich glaube ich sofort und ohne jedes ideologischen Konstrukt, dass der Schmerzen hat und den Zustand nicht will. Es gibt auch nicht ohne Grund sicher eine beständige Nachfrage nach Schmerzmitteln auf dem Markt.
Dass Freude und Leid gewissermaßen auch relativ sein können, hat eben auch Epikur auch schon erkannt, weil man sich zum Beispiel ganz unwohl fühlen kann, wenn man zu viel gegessen hat oder dergleichen. Aber ich glaube das relativiert das Lustprinzip nur, aber hebt es nicht auf, es bleibt eine gewisse Konstante. OK, so scheint es mir eben. Es ist schwierig intellektuell weiter zu begründen, da ich die Begründung eben auch in eigenen Emotionen finde, die da eben auch von Epikur quasi beschrieben werden.
Ich bin glaube ich nicht agnostischer Theist, sondern in der Frage einfach Agnostiker, wobei sich das gerade im Moment noch mal wandeln kann. In manchen Meditationen schien es mir, als gebe es Gott, aber weiß ich da sicher, ob mein Gehirn mir diese Intuition vormacht? Woran ich glaube, ist also gerade der Zweifel in dieser Frage.

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