Vom Hero to Zero und wieder zurück.

in #deutsch6 years ago (edited)

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Hey ihr lieben Steemians.

Heute bin ich auf dem Weg nach Eschwege, dort findet immer am ersten Novemberwochenende die größte Bären & Puppenmesse Europas statt. Früher habe ich dort ausgestellt als Künstlerin, heute besuche ich dort Kollegen und Kunden als Designer.

Es macht mich unglaublich stolz, zu sehen wie viele der Ausstellerinnen ihre Rollup-Banner, Visitenkarten und Urkunden von mir haben. Ein wirklich großartiges Gefühl und ich weiss, es wird noch mehr werden. Voll geil wär, wenn eines Tages fast die ganze Puppen-Halle von mir entwickelt worden wäre.

Im Moment kämpfe ich (oh wunder, ja mal was ganz Neues -.-) mit mir selber und meiner Vergangenheit.

Mit 24 Jahren hab ich die Entscheidung für mich getroffen, meine Ausbildung abzubrechen und bis heute habe ich diesen Schritt nie bereut. Natürlich bin ich mir bewusst, dass mir dieser Entschluss das Leben in der Gesellschaft nicht einfacher macht, aber dass war die erste Entscheidung nur für mich. An dem Tag habe ich aufgehört Dinge zu tun, nur um anderen zu gefallen. Ich fing an, für mich einzustehen.

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Die Ausbildung war eine traumatische Erfahrung. Ich geriet an eine Grenze, körperlich und psychisch, die meine Existenz gefährdete. An Ende der insgesamt 4 Jahre begann mein Herz seine korrekte Funktionsweise einzustellen und es wurde klar, dass ich so nicht weiter machen kann.

Dieses Gefühl, weder kompatibel noch wirksam zu sein, hat sich seit meiner Geburt tief in meine Seele gegraben. Es fällt mir schwer, zu beschreiben wie sich das anfühlt und in irgend einer Form, kennt das sicher jeder Mensch.

Wenn wir uns überlegen, wann wir Menschen selbstbewusst, sicher und glücklich sind, stellen wir fest, es hat immer etwas mit Wirksamkeit zu tun. Wir wollen gesehen werden, etwas bewirken mit unseren Handlungen. Dieses Bedürfnis ist existenziell für unsere psychische Gesundheit. Ich erlebte mich nie als wirksam. Egal was ich tat, wie viel ich gab, es war nie gut genug und ich fühlte mich immer ungesehen. Heute weiss ich, dass diese Wahrnehmung sehr viel mit mir zu tun hat, mit dem, was ich an Charakter mit auf diese Welt brachte. In der Ausbildung fand dieses Gefühl seinen absoluten Höhepunkt. Mehrmals in diesen Jahren ging es mir so schlecht, dass ich gar nicht mehr aus dem Bett aufstehen wollte, geschweige denn das Haus verlassen. Allein die Vorstellung, auch nur irgendetwas leisten zu müssen, ließ mich verzweifeln. Ewas tief in mir, lag in Scherben auf dem Boden und fügte sich nicht wieder zusammen.

Nachdem ich geflohen bin, mich zurück gezogen habe in einen sicheren Raum, konnte ich wieder Atmen. Einige Jahre war ich nur damit beschäftigt. Ich war so erschöpft, dass mehr als ein absolutes Minimum an Arbeit nicht drin war, nach 4 Stunden Kinderbetreuung kam ich nach Hause und legte mich 3 Stunden ins Bett.

Damals schwor ich mir, nie, niemals wieder in solch eine Situation zu gehen. Mich nie wieder auf diese Art, abhängig zu machen.

Heute, viele Jahre später, bin ich dazu bereit. Ich möchte mich bewusst in diese Situation bringen. Einerseits ist es mir wichtig, mein Trauma aufzuarbeiten, andererseits möchte ich meine Wirksamkeit erfahren. Für mein Selbstbild ist es wichtig zu wissen, wo ich heute stehe.

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Doch das ist echt hart.

Mein Verstand ist klar dabei.
Aber mein inneres Kind...alter Falter. Ich werde mit Gefühlen und Ängsten konfrontiert die praktisch keinen Bezug zur Realität haben. Noch bevor ich mich überhaupt irgendwo bewerben konnte, kroch nackte Panik meinen Rücken hoch, breitete sich aus und infiltrierte mein Grundgefühl. Ehe ich Amen sagen konnte, war es wieder da. Die Angst, das tiefe Wissen, dass mich sowieso niemand braucht, dass ich zu nichts nütze bin, sozial total inkompetent und wertlos. Wenn ich nach möglichen Jobs suche, denke ich bei praktisch jedem, dazu bin ich sowieso nicht in der Lage. Es ist krass, wie tief diese Gedanken und die dazugehörigen Emotionen noch in mir vergraben sind. Sobald ich den Rasen der darüber gewachsen ist anhebe, brechen sie heraus und überfluten einfach alles.

Dieser Zustand hat nichts mit dem Hier und Jetzt zu tun, er ist meine Vergangenheit. Und doch, wenn ich es erlaube, übernimmt er die Macht und formt dass Heute. Ich lasse das nicht zu! Immer wieder, brechen diese alten Muster aus mir heraus und übernehmen die Kontrolle und jedes Mal, kämpfe ich dagegen an und sorge dafür, dass ich wieder atmen und denken kann. Es ist ein stetig wiederkehrendes Ritual im Moment. Obwohl es definitiv nicht einfach ist, bin ich dankbar für diese Möglichkeit, mich meinen Ängsten zu stellen und den Raum zu haben, zu wachsen. Ich fühle in solchen Momenten ganz stark die Impulse, Flucht oder Fressen. Und dann genauso bewusst zu sagen NEIN, ich bleibe stehen, stelle mich und halte aus. Ich bin in tiefer Dankbarkeit, für die Menschen die heute an meiner Seite stehen und für mich da sind. Ohne sie, weiss ich nicht, ob ich diese Kraft hätte, dem inneren Kampf standzuhalten.

Ich weiss, der Weg ist richtig und wichtig und muss gegangen werden, will ich frei und erfüllt leben. Es geht nicht so sehr um die Ausbildung oder darum, dass ich mich dem System anpasse, sondern um meine Wirksamkeit, meine Angst und meinen Erfolg.

Es ist jetzt gerade dran, mir selber zu beweisen, wo ich heute stehe und dass ich es kann.

Eines kann ich euch jetzt schon sagen, am Ende, fühlt es sich unglaublich gut und wichtig an, sich seiner größten Angst zu stellen!

Es macht frei und stark.

Ich wünsche euch ein erholsames Wochenende und Freiheit, in all euren Entscheidungen.

Liebe Grüße
Euer Raffi

(Bildquelle Pixabay, CC0 Lizenz)

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Faltermann hat es auf den Punkt gebracht. Wirklich sehr intensiver Beitrag. Aber Raffi, das kenne ich ja von Dir. Tiefgang ist bei Dir eigentlich fast immer angesagt...

Danke, ich denke mir immer, dass hilft vielleicht jemandem bei sich selber.
Ich hab Jahre gebraucht um zu erkennen, dass andere Menschen genauso kämpfe austragen mit sich selber, wie ich. Nur zeigt es kaum einer nach außen. So dachte ich, ich bin ganz alleine damit und lernte nicht, wie man das vernünftig macht.

Ich habe bis heute keinen Masterplan, wie sowas geht. Aber ich glaube, wenn wir alle uns trauen, uns authentischer zu zeigen, wird die Welt empathischer und wir können einfacher lernen, mit uns selber umzugehen.

Alter Falter, ein wirklich intensiver Beitrag von dir. Du gewährst uns einen Einblick in dein Seelenleben, was nur ganz wenige Menschen zulassen.

Respekt und alles gute auf deinem weiteren Weg.

Herzlichst, der @faltermann 100_Freistellung.png

Danke, dass mache ich von Herzen gern.
Ich bin ein Mensch, der mit 24 Jahren die Diagnose Asperger Autismus bekam. Damals wurde mir bewusst, dass ich keine Ahnung davon habe, wie es im Innern von anderen Menschen aussieht weil einfach niemand mir das von sich zeigte. Ich dachte, ich bin mit meinem Schmerz und meinen inneren Kämpfen ganz alleine. Als ich anfing, Menschen danach zu befragen, stellte sich heraus, wir alle haben unsere Kämpfe. Jeder, egal wie selbstbewusst er sich nach aussen gibt, hat seine eigenen Ängste.

Also beschloss ich, meine zu zeigen weil ich überzeugt bin, dass wir uns so gegenseitig helfen. Ich schäme mich absolut nicht für meine Ängste sondern ich bin stolz auf jeden Schritt, den ich weiter komme und sie überwinde.

Alles was du für dich selber tust ist auf jeden Fall richtig. Umgib dich mit positiven Menschen und verschwende keine Zeit mit denen, die dein Seelenleben stören. Du hast nur ein Leben und das gehört dir. Ich bin mir sicher, du bist auf einem guten Weg dich selbst glücklich zu machen.

Herzliche Grüße aus Unterfranken 100_Freistellung.png

Lieber Raffi,

es ist schön zu sehen, dass du dich deinen alten Ängsten stellst und daran wächst! Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft dafür und bin sicher, dass du als neue, starke Person aus diesem Prozess hervorgehen wirst.

Und denk immer dran: Du bist wirksam und toll und für uns alle eine Bereicherung!

Fühl dich gedrückt, bis hoffentlich bald!

Danke Liebes <3

Ich versuchs, ein Schritt nach dem andern gell :)

Genau! ^-^

Ich werde mit Gefühlen und Ängsten konfrontiert die praktisch keinen Bezug zur Realität haben.

Vielleicht nicht in Deiner Realität, aber in der anderer, die Dich als Ausbilder beurteilen, als Personaler einstellen usw. Diese Abhängigkeit löst sich nicht auf. Und Stellenanzeigen sind heutzutage einfach so unglaublich komplex ...
Mediendesigner(in) oder Schilder- und Reklamehersteller(in) hättest Du ja mit Mitte 20 auch schon lernen können.
Und für manche Karrierewege läuft die Zeit irgendwann leider ab.
(Das ist so das, was mir durch den Kopf geht gerade, denn natürlich muß auch ich von irgendwas leben ... :/ )

Hm, da haben wir wie so oft unterschiedliche Realitäten. Wieso sollte die Zeit für solche Berufe ablaufen?
Als Model oder Schauspieler gehen irgendwann gewisse Rollen nicht mehr aber so, ist das kein Thema. Im Gegenteil, immer mehr Menschen in unserem Alter, machen nochmal ne Ausbildung, besonders Frauen nach der Zeit als Hausfrau/Mama.

Die Abhänigkeit löst sich nicht auf, stimmt, aber wie ich mich verhalte sehr wohl, dass macht einen riesigen Unterschied. Ich habe dass in meiner ersten Ausbildung sehr genau beobachtet, was die eigene Psyche für einen Unterschied macht und da haben Menschen ohne autistische Züge ganz klar massive Vorteile.

Und ich hätte vor 20 Jahren nicht gekonnt, weil ich damals 12 Jahre alt war und vor 10 Jahren war ich ein komplett anderer Mensch ;)

Hi, @asperger-kids!

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Lieber Raffi, ich kenne dieses Gefühl zu gut, sich nicht gut genug zu fühlen, für alles was man angehen will und ich weiß, wie sehr es einen blockieren kann.
Nicht aufzugeben und Schritt für Schritt weitergehen und diese Gefühle hinter sich lassen, ist genau der Richtige Weg da heraus. Egal wie lange es auch dauern mag... Ich drück' dir die Daumen für deinen Weg!

Danke, dass du dich damit zeigst <3
Ich glaube fest daran, dass wir uns mehr zeigen dürfen mit unseren Themen. Für mich ist das der einzige Weg aus unserer Isolation heraus wieder zurück in ein empathisches, liebevolles Miteinander. Ich habe extrem lange gebraucht um zu lernen, wie ich auf andere wirke und was das mit meinem Umfeld macht. Hätte ich mich früher damit gezeigt, hätte ich herausgefunden, wie falsch ich mit meiner Interpretation liege und mir selber schon viel eher helfen können.

Hi Raffael - du mutiger Krieger. Ein einfacher Weg scheint für dich nicht vorgesehen zu sein... und du stellst dich nicht nur deinen "Aufgaben", sondern beschreibst deine Gefühl und Gedanken auf ungeschönte ehrliche Weise für uns Leser. Das schafft nicht jeder - Hut ab und weiterhin viel Kraft für deinen Weg. Lieben Gruß, Kadna

Hihi, einfach wär doch langweilig oder?
Und geschönt kann auch jeder, mir hat genau dass früher vermittelt, dass ich der einzige Mensch bin mit solchen Problemen und ich kam mir extrem unnötig vor damit. Heute weiss ich, dass geht auch anderen so, nur die zeigen es nicht. Also zeige ich mich und bin einfach stolz darauf, anstatt mich dafür zu schämen und zu verstecken. Nur so kann ich meinen Teil beitragen, dass es für andere besser wird :)

lovely write @asperger-kids
thank you for sharing
resteemid

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Wow richtig schön geschrieben, dass geht mir richtig nahe. In einigen Punkten habe ich mich selbst erwischt, bei mir ist es allerdings nicht so krass verlaufen.
Ich denke aber auch dass es wichtig ist sich seinen Ängsten zu stellen sonst kommt man nie aus einem solchen Loch wieder raus. Danke für den tollen Beitrag. Dir auch einen schönen Sonntag ;)

Danke Liebes :)
Bei mir kommen diverse Aspekte zusammen, die gemeinsam zu diesem Ergebnis geführt haben.

Und genau darum Teil ich meine Prozesse. Mir hätte es so geholfen, wäre mir früher klar gewesen, dass es anderen Menschen wie mir geht, dass jeder seine versteckten Schwierigkeiten hat und sie einfach nicht zeigt.

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