Nur in der Liebe zu dir, findest du die Liebe im Anderen.

in #deutsch7 years ago


Die Liebe eines Anderen kann ich nur durch meine eigene Liebe erkennen. Ich kann nicht fühlen, was er fühlt, nicht wissen wie tief seine Liebe geht. Ich kann nur von meiner eigenen Liebe ausgehend, meine Zuneigung in mein Gegenüber projizieren. Geliebt zu werden ist also nur in dem Ausmaß möglich, in dem ich mich selber liebe.

In den letzten Monaten ist mir etwas Wichtiges bewusst geworden, was mir vorher nie klar war. Es ist so simpel, wie es mir wahr erscheint.
Du kannst im Außen bei anderen Menschen nur die Liebe erkennen und finden, die du in dir trägst, für dich selbst.

Lange Zeit, fühlte ich mich nicht ausreichend geliebt. Schon als recht kleines Kind empfand ich diese Leere in mir und spürte die Abwesenheit von Liebe, als hätte mir jemand einen Arm amputiert. Ich beobachtete andere Familien genau und erkannte, dass was die da haben, habe ich nicht.

Wenn ich meine Familie ansah, fühlte ich es nicht, dieses Ding, dass ich bei anderen zu erkennen glaubte. Von dem ich in Büchern las und was ich im Fernsehen sehen konnte. Diese Liebe, ich verstand, was damit gemeint ist, aber ich fühlte sie nicht.

Je älter ich wurde, umso mehr versuchte ich, mir auszumalen, was diese Liebe bedeuten könnte. Ich baute mir ein Fantasy-Paralleluniversum in meinen Gedanken auf, in dem ich 100% ich war, äußerlich wie innerlich. Ich konnte dort alle Gefühle ausleben, die ich im realen Leben täglich runterwürgte. Natürlich war mir nicht bewusst, warum ich nach Außen emotionslos reagiere, während in mir ein Sturm tobt. Nicht einmal in meiner Therapie, wurde mir der Zusammenhang bewusst, erst jetzt, erkenne ich ihn.
Als ich etwa vier Jahre alt war, sagte mir eine Bezugsperson, wenn du über dieses Gefühl mit jemandem sprichst, werde ich sterben und du bist Schuld.

Welchen Schaden dieser Satz in meiner kindlichen Psyche hinterlassen hat, wie diese wenigen Worte etwas in meiner Seele zerbrachen, ist erstaunlich.

Irgendwann hatte ich eine vage Vorstellung in meinem Kopf, wie Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern aussehen könnte. Ich war weder fähig sie zu fühlen, sie zu leben, noch meine Sehnsucht nach ihr zu verbalisieren, aber ich konnte sie mir immerhin ansatzweise vorstellen. Ein Fortschritt.



Ich lernte sogar Menschen kennen, für die ich Liebe empfand, zumindest dachte ich damals, es wäre Liebe. Mir war nicht bewusst, dass das was ich spürte, keine Liebe war und verstand nicht, warum meine Beziehungen nicht funktionierten. Dauernd kamen mir Menschen unangenehm zu nahe. Ich war unendlich dankbar, als ich jemand fand, der die Beziehung genau so leben wollte wie ich. Immer schön mit einem aufrechten Schutzpanzer dazwischen und genügend Abstand, um die Sicherheit nicht zu gefährden. Natürlich war mir auch das nicht bewusst. Obwohl ich mich augenscheinlich glücklich schätzte, fehlte mir etwas Gravierendes im Leben. Etwas Existenzielles das ich suchte, aber nirgends fand. So war ich immer getrieben, immer irgendwie doch unzufrieden und immer auf dem Sprung.
Also beobachtete ich andere Menschen und mich, reflektierte meine Beziehungen und forschte immer weiter nach der Ursache für meine Rastlosigkeit.

Erst in dem Moment in dem ich meine Liebe zu mir wieder entdeckte, erst als ich anfing mich zu öffnen und meine Emotionen zu verbalisieren, erkannte ich den größten Verlust in meinem Leben.

Fasziniert beobachte ich, wie mein Liebesradar wächst und ich endlich das fehlende Puzzlestück in meine Seele integrieren kann. Was ich all die Jahre da draußen suchte, was mich all die Zeit so unvollständig sein ließ, war nicht die in meiner Wahrnehmung fehlende Liebe meiner Eltern, sondern meine eigene fehlende Liebe für mich selbst.

Erst jetzt erkenne ich im Lächeln anderer die Liebe für mich. Zum Ersten mal verstehe ich was andere damit meinen, wenn sie sagen, Gefühle werden über die Augen transportiert. Vorher dachte ich, was reden die da bitte? Jetzt erkenne ich die Liebe selber im Lächeln des Anderen. So wie ich das verstehe, ist dass nur möglich, weil ich diese Liebe in mir selber trage, weil ich in meinem Lächeln endlich die Liebe für mein Gegenüber fühle.

Natürlich ist das gerade im Zusammenhang mit der Autismus Diagnose sehr spannend. Damals, mit 24 kannte ich keine wahrhaftige Liebe und war nicht imstande, diese zu spüren oder wirklich zu erkennen. Doch jetzt bin ich es. Und mit der Liebe kommt viel mehr Kraft und Ruhe in mein Leben. Ich komme bei mir an, kann Reize besser ausblenden, mich mehr auf mich selbst fokussieren. Ich weiß nicht genau, wie ich den Zustand beschreiben soll, aber früher flossen alle Reize der Welt direkt in mein Bewusstsein.
Jetzt baut sich langsam wie eine Art fließender Schutz um mich herum auf. Je mehr ich in mir selber ruhe, umso weniger kommen die Geräusche der Welt an mich heran. Ich bin stabiler, gelassener, selbstbewusster und sehe enorm viel Potential nach oben.

Was ich mich frage, bin ich biologisch kein Autist, sondern wurde nur miserabel sozialisiert als Kind oder wäre dieser Effekt bei den meisten Autisten (ohne schwere kognitive Defizite) möglich?
Die Antwort wird wohl erst mal noch im Verborgen bleiben.

Dennoch finde ich diese Wandlung interessant und wollte sie mit dir teilen.
Vielleicht liest das jemand der sich genauso ungeliebt und wertlos fühlt, wie ich mich früher wahrgenommen habe, und kann etwas für sich mitnehmen.

Vielleicht magst du mir einen Kommentar dalassen, ob du ähnliche Erfahrungen damit gemacht hast wie ich, oder vielleicht ganz andere?


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(Bildquelle Pixabay CC0 Lizenz)

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Alleine die Überschrift ist ein Upvote wert :) Wie immer ein toller Artikel!

Danke mein Lieber:)

Hallo Rachel, vielen Dank für deinen bewegend Post! Ich stecke auch gerade mitten in dieser Entwicklung und lerne jeden Tag neu, mich selbst anzunehmen, Frieden zu finden und mich selbst ein kleines bisschen mehr zu lieben. Danke für deine ermutigenden Worte!

Oh wie schön, freut mich, dass du ebenfalls auf dem Weg bist, viel Erfolg liebes!

Ich denke, wenn man sich selbst nicht liebt, kann man auch die Liebe , die einem von anderen entgegengebracht wird nicht erkennen. Die Unsicherheit, die dadurch entsteht erzeugt dann den von dir beschriebenen Schutzpanzer. Dieser wird offenbar gerade von dir aufgebrochen und die Sonne erreicht dein Herz. Schön!

Ja so erlebe ich das auch, nur solange man das nicht fühlt für sich, erkennt man die Situation nicht und das man selber verantwortlich ist dafür. Zum Glück kann man daran arbeiten :)

Dran Arbeiten ist gut, aber lass den Verstand und die Analyse nicht komplett übernehmen..

Hallo liebe Rachel, danke für diesen schönen Beitrag. Vor einigen Jahren hatte ich ein Arbeitskollege, der Autist ist. Da ich noch recht neu in dieser Firma war, wollte ich alle Arbeitskollegen persönlich kennenlernen und für die Firma-Webseite sollte ich ein "Statement" von allen Mitarbeitenden zusammenfassen. So sass ich eines späteren Nachmittags bei Kai (er war Autist) im Büro und habe ihn auch persönliche Fragen gestellt. Er war wie gelähmt und hat mich gebeten, mich später mit ihm zu treffen, da er sich vorher noch Gedanken machen müsse. Für mich war das ok und ausserdem fand ich seine Programmierkünste so beeindruckend. Er erzählte mir dann seine Geschichte, ähnlich wie deine jetzt und ich war gerührt, dass er mir dies alles anvertraute, obwohl wir uns noch nicht richtig kannten. Er meinte, er habe eine Strategie, wie er dies aufarbeiten kann und begann Bücher über Psychologie zu lesen und testete dann das Gelernte an mir aus. Wir wurden beste Freunde und er konnte die Liebe mit der Zeit spüren. Ein Jahr später verliebte er sich das erste Mal so wirklilch - mit 35 Jahren. Leider arbeite ich nicht mehr dort, daber der Kontakt ist geblieben. Ich finde es bemerkenswert, wie du dies alles aufarbeitest und auch mit uns teilst. Alles Gute weiterhin und liebe Grüsse

Oh wie schön für den Kai :) Freut mich.
Man kann viel lernen und kompensieren, wenn man bereit ist die jahrelange Arbeit zu bewältigen.
Ich finde, es lohnt sich auf jeden Fall!

happiness belongs to those who are happy, our only purpose is to create happiness,
"Glück gehört denen, die glücklich sind, unser einziger Zweck ist Glück zu schaffen,"

wow richtig schoen geschrieben! Die Selbstliebe ist so wichtig.. Auf dieser Liebe basiert schliesslich alles, alle anderen Beziehungen.. Mir ging es genau so wie dir in Bezug auf die eigene Familie. Aber man wird erwachsen und kann es dann vllt besser verstehen und damit umgehen.. Toll wie es sich bei dir geaendert hat! :)

Danke <3
Das ist leider vielen nicht bewusst, sie wollen von Aussen geliebt werden, bevor sie sich selber lieben können.

Also, die Theorie mit den Kühlschrankmütten gilt eigentlich als widerlegt. Ich weiß auch nicht, ob ich für meine Eltern mal Liebe empfunden habe, vielleicht eher in der Form, wie es sie bei lang verheirateten Paaren gibt. Gewohnheitsliebe.

Ich denke, Du schirmst Dich auch von vielen reizintensiven Erlebnissen ab und hast deshalb ein leciht verzerrtes Bild, weil Du gar nicht oder kaum noch Überlastung erlebst.

Ne also das stimmt so nicht Liebes.
Depressive Mütter hinterlassen schlecht sozialisierte Kinder, das ist fakt. Wenn du genug Traumatas erleidest als kleines Kind, ergibt sich schnell eine psychische Situation die sich nicht mehr einordnen lässt. Ich weiss von vielen Fällen wo man am Ende nicht mehr sagen konnte, ist es Autismus, eine erworbene Sozialphobie oder was steckt da genau dahinter. Je nach dem was man erlebt hat, geht einfach zu viel kaputt. Man geht zwar davon aus das Autismus als solches vorgeburtlich entsteht aber man kann eben später da häufig keine klaren Trennlinien mehr ziehen in der Diagnosestellung.

Und das mit dem Abschirmen ist ebenfalls absolut nicht wahr, ich war z.B gerade am letzten Sonntag in Köln als da Karneval war, das war die volle Dröhnung an Reizüberflutung. Meine ganzen Zugreisen, mein Ständiger Ortswechsel, überleg mal als ich 10 Tage jeden Tag bei anderen Leuten geschlafen haben, leben in Bangkok usw. Ich schirme mich absolut nicht ab, oft sogar eher im Gegenteil. Ich bin also oft einer Überlastung ausgesetzt, finde aber bessere Strategien damit umzugehen als früher.

Ich habe das Gefühl, daß die Diagnosekriterien eh gerade im Wandel begriffen sind - und das nicht in einer Richtung, die mehr Klarheit bringt.
Und ich finde es halt deshalb irgendwie gefährlich, nach ein paar Jahren zu sagen: ach, ich glaube, ich bin doch kein Autist. Zumal, wenn man mit dem Thema in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.
Ich bin selbst nur knapp über dem Cutoff. Ich dürfte also strenggenommen gar nichts zum Thema schreiben.

Ja es hat ja auch mit einen der Gründe, warum ich mich da aktuell sehr zurück halte, weil ich nicht weiss, wie ich mich positionieren soll. Ausserdem wär ich da längst nicht die einzige, ich weiss von mehreren Öffentlichen Personen die sich später dazu kritisch geäussert haben.

Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Meine Mutter war eine sehr lieblose Mutter. Sie hat zwar meine Schwester und mich gut versorgt, aber Knuddeln, Küsschen gab es nicht. Ich versuchte unbewusst ihre Anerkennung/Liebe durch gute schulische Leistung zu erringen.Doch auch das war nichts "wert". Als junge Erwachsene begrub ich mein Mutter(bild) in einer Therapie. Doch erst jetzt verstehe ich, dass mir meine Mutter nicht das geben konnte, was ich mir als Kind wünschte. Sie selbst wuchs mit einer Mutter auf, die Alkoholikerin war. Mit 14 Jahren war sie plötzlich mit Vater und wesentlich älterem Bruder allein. Die Mutter war aufgrund ihrer Sucht verstorben.
Heute verstehe ich es. Aber die Liebe zu meiner Mutter wächst wohl nicht mehr. Ich akzeptiere sie und sie darf und soll Oma sein. Das ist mir für meine Kinder wichtig. Ich selbst hatte trotz allem Glück und habe mir das Muttertier im Leben durch andere Mütter erworben. Bei uns wird geknuddelt, geknutscht, gezankt, die ganze Bandbreite. Aber ich habe es nicht auf natürlichem Weg "erlernt"

Tut mir leid was du erlebt hast, aber umso schöner das du heute das Familienleben so geniessen kannst :)

Och, braucht dir nicht leid tun. Ist schon so lange her.😉
Geniessen tu ich es. Doch immer wieder muss ich mich per Kopf für eine Umarmung oder ähnliches "entscheiden ". Aber das ist okay😊

Dieser Dialog ist schon ein paar Jahre her:
Er: "Liebst du mich denn gar nicht (mehr)?"
Ich: "Ich weiß es nicht, ich weiß nicht, was das ist."...
Ich weiß es jetzt, denn ich habe viel an und mit mir gearbeitet.
So wie du, liebe Rachel.
Und: Nein, ich glaube nicht, dass das ein "typischer" Autist könnte.
LG, Chriddi

Denk ich eben tendenziell auch. Mir sagte mal ein Psychiater das man gerade bei solchen Diagnosen oft nicht sagen kann, ob die Symptome durch eine traumatische Kindheit entstehen oder angeboren sind bei dem Betroffenen. Man nimmt dann einfach den Fakt an Einschränken die einfach da sind. Mich hat die Diagnose extrem motiviert an mir zu arbeiten, weil man mir damals sagte ich bräuchte ne 100% Invalidenrente weil ich nie in der Lage sein würde, ein normales Leben zu führen in dem ich mich eigenständig ernähren kann.
Da wollt ichs denen beweisen :D

Da wollt ichs denen beweisen :D

Ist dir eindeutig gelungen ;-)

Danke für diesen Beitrag. Es stimmt auf jeden Fall nachdenklich ihn zu lesen. Zum einen eben über das was du schreibst, zum anderen eben, weil ich glaube ich nicht in der Lage wäre einen solchen Sachverhalt so gut wieder zu geben.

Danke, ich reflektiere mich selber sehr viel, um zu lernen und mich weiter zu entwickeln.

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