Erkenne deine Eltern und erkenne dich selbst!

in #deutsch7 years ago

Heute teile ich mit euch etwas, was mir gestern über den Weg gelaufen ist und direkt meine halbe Nacht verschlang.

Wie ihr vermutlich wisst, befasse ich mich viel damit, wer ich bin und wie ich sein will.
In diesem Zusammenhang, prüfe ich genau, was ich für meine Realität halte, welche Werte ich lebe und welche Vorstellungen mein unbewusstes Verhalten formen.

Bei dieser Übung heute, ging es mir darum, die Werte und Überzeugungen meiner Eltern in ein Verhältnis zu meinem Leben zu setzen. Ich wollte herausfinden, wie weit ich das Leben meiner Eltern wiederhole.



Natürlich tue ich das nicht, oder etwa doch?

Ich weiß aus Erfahrung, das die ersten 3-5 Jahre unser Unterbewusstsein am meisten prägen und so erstellte ich eine Liste mit den Menschen, die mir in der Lebensphase am nächsten waren.

Jetzt habe ich zu jeder Person auf meiner Liste geschrieben, was ich denke, wie sie ist und was sie glaubt. Teilweise ergab das eine ziemlich lange Liste und es tauchten immer wieder neue Fragmente auf, die mir zuvor so gar nicht bewusst waren. Ich schrieb und schrieb und schrieb, bis ich das Gefühl hatte, zu jedem meiner Bezugspersonen alles notiert zu haben was relevant ist.

Dann prüfte ich, welche der Glaubenssätze auf mich zutreffen und stellte mit Erschrecken fest, dass sich die Liste zu relativ großen Teilen deckt. Auch wenn ich manche Aspekte für mein Leben mit etwas anderen Worten ausschmücke, so ist der Grundwert dahinter, doch derselbe. Mein Bild darüber, wer ich bin und wie meine Welt funktioniert, besteht tatsächlich zu ⅔ aus dem, was ich in meinen Eltern sehe.

Ich war echt baff und zugegebenermaßen, erschüttert. Hab ich mich doch für ach so reflektiert und abgeklärt gehalten, jaja mein lieber Herr, Hochmut kommt eben doch immer vor dem Fall!

Also saß ich da und betrachtete meine Zettel, mit den Glaubenssätzen, die ich als Kind von meiner Familie übernommen habe. Ich sah sie, fühlte in sie hinein, versuchte zu sehen, wann ich sie angenommen habe. Langsam kamen die Erinnerungen und Momente die diese Bilder prägten in mein Bewusstsein und ich beschloss, die Werte, zurückzugeben.

Jetzt wirds etwas spooky ich weiß.
Ich habe mir vorgestellt, die Person säße direkt neben mir und visualisierte Mini-Ich in dem Moment, als es den Glauben annahm. In meiner Vorstellung griff ich genau da ein und gab den Glaubenssatz wieder zurück.

Schützend kniete ich mich neben mich und sagte zu mir selber in etwa:
»Das gehört nicht zu dir, du musst das nicht annehmen, um geliebt zu werden, du bist liebenswert auf deine eigene Art und Weise. Gib diese Werte zurück, sie gehören nicht zu dir.« Dann stand ich auf und schaute meinem Elternteil direkt in die Augen und sagte ungefähr folgendes:
»Danke das du mich gezeugt hast und für mich da warst. Ich habe Orientierung gesucht und du hast sie mir deine eigene gegeben. Ohne Orientierung kann man sich selber nicht definieren und für diese Erfahrung bin ich dir dankbar. Aber das sind deine Werte, deine Grenzen und nicht die Meinen. Hiermit gebe ich sie an dich zurück.«

Mir erstaunen beobachtete ich, wie mein inneres Gefühl für meine Eltern, sich etwas neutralisierte. Ich fühlte, dieser Weg ist gut, den beschreite ich weiter.

Als ich fertig war mit dem Prozess, fühlte ich mich wie ein leeres Blatt, das bereit ist, die Tinte des Autors in sich aufzusaugen.

Ich erstellte eine neue Liste und schrieb nieder, wie ich die Welt erlebe. Was meine persönlichen Werte und Gedanken sind und was meine Realität formt.

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Natürlich sind das nur Bruchstücke, die ich euch hier zeige, aber so sieht ein Teil meiner Liste aus.

Mir ist klar, das ist erst der Anfang und ich werde weiter arbeiten, denn ich spüre, dieser Weg löst meine innere Anspannung im Bezug zu meinen Eltern und zu mir. Es nimmt den Druck raus, dass sie sind wie sie sind, ohne mich damit zu belasten. Denn ich empfinde keinen direkten Zusammenhang mehr. Dadurch das ich mich ihrer bewusst werde, werde ich mir meiner selbst bewusst.

Wenn wir als Säugling auf die Welt kommen, sind wir leer, wir haben keine Vorstellungen von der Welt, als wären wir in einem Vakuum. Unsere Eltern füllen dieses Gefäß mit ihrer Welt und das ist gut so. Denn nur dadurch bekommen wir die Fixsterne in unserem Leben, die uns Orientierung geben. In einem schwarzen Raum, könnten wir uns selber nicht erkennen, erst durch die bunten Farben unserer Umgebung, wird die Welt greifbar und nur damit können wir uns von Anderen unterscheiden.

Ich weiß nicht ob das etwas für dich sein kann oder nicht. Falls ja, nimm dir einfach raus, was du brauchst, falls nein, auch gut :)
Mir hat diese Arbeit wirklich gutgetan und ich werde sie definitiv wiederholen.

Ich wünsche euch einen wundervollen Tag und gutes Gelingen, was immer ihr auch vor habt.

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(Bildquelle Pixbay CC0 Lizenz)

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Tja ich glaube ich kann dir zu diesem Schritt nur gratulieren. Vieles von dem was du schreibst wollte ich in meinem Post über Erziehung verarbeiten und wie uns unsere Eltern sogar so weit prägen können, dass wir nicht erfolgreich werden und niemals glücklich sind. Ich bin auch gerade in diesem Prozess und prüfe, welche Lebensziele von meinen Eltern auf mich oktroyiert wurden und welche tatsächlich meine eigenen sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mich das Verfolgen von auferlegten Zielen nicht glücklich macht. Daher versuche auch ich mich davon zu lösen. Ich finde es immer wieder schön zu lesen, dass es hier Menschen gibt, die sehr ähnliche Probleme haben und angehen, wie ich sie habe.

VG

~ohrpheus

Ich hoffe, du verarbeitest all diese Dinge in deinem Artikel, bitte schreib darüber !!!!!

Wie cool das du auch gerade mitten in diesem Prozess bist, finde ich klasse. Und wenn wir Dinge nur tun, mit dem unbewussten Wunsch, "bitte Mami/Papi, hast du mich jetzt lieb?" werden wir nie frei und glücklich, immer gefangen bleiben im alten System.

Für mich ist es sehr wohltuend darüber zu schreiben, auch wenn ich viel von mir zeige, profitiere ich doch stark davon und freu mich, wenn es euch ebenfalls gut tut.

Gefangen im alten System... Ja definitiv auch etwas das ich gerne vermeiden möchte, auch wenn ich nicht genau weiß, wie das neue System aussehen wird. Momentan arbeite ich gemeinsam mit einer Gruppe hier in Chemnitz daran, neue Lehrmethoden auf Basis von Selbstwirksamkeitserfahrungen zu etablieren. Ich hoffe damit einen Teil des neuen Systems mitzugestalten.

Darüber zu schreiben hilft mir auch immer. Bishher habe ich das allerdings nicht öffentlich getan, sondern nur für mich und privat. Mir wird dabei immer eine ganze Menge ziemlich perverser Zusammenhänge und Verahltensstrukturen in meinem Sein bewusst. Ich müsste mich mal zu dem Artikel durchringen, aber das Thema ist wirklich ein ziemlich schweres für mich.

Wieder ein toller Beitrag von dir! - DANKE dafür. Ich habe mal eine ähnliche Übung gemacht. Dabei habe ich den Schmerz eines meiner Elternteile zurück gegeben. Danach hörten auf wundersame Weise (ich weiß das klingt komisch) meine Knieschmerzen auf. Außerdem erkannte ich, dass ich auf einen Elternteil sehr wütend war. Ich beschäftigte mich lange mit der Wut und konnte sie langsam auflösen.
In deinem Beitrag schreibst du, als Säugling kämnen wir "leer" auf die Welt. Da bin ich mir nicht so sicher, denn bereits vor unserer Geburt werden wir durch die Erfahrungen unserer Mutter und ihren Erlebnissen geprägt. Ich glaube wir sind bereits zum Zeitpunkt der Geburt nicht "leer".
DANKE, dass du uns an deinen Erfahrungen teilhaben lässt!
Liebe Grüße und weiterhin eine gute Verwandlung, zu dem der du sein willst, wünscht Yvonne

Eine Freundin aus der Klinikzeit erwähnte gestern, daß sie sich auch gerade verstärkt mit vorgeburtlichen Traumata/Erlebnissen befaßt. Kommt mir persönlich n bißchen ... seltsam? esoterisch? abgehoben? ... vor, aber ich hab dann schon überlegt, ob ich sie zu Steemit einladen soll. Also, falls sie Lust auf schriftlichen Austausch hat ... Gefragt habe ich nicht.

Da habe ich mich eindeutig ungünstig ausgedrückt Liebes :)

Ich meinte damit nicht, das wir als leere Hüllen kommen, keinesfalls. Wir sammeln ja schon im Bauch Gefühle und wir kommen mit einer Seele, einem Charakter zur Welt. Ich meinte damit Wie ein leeres Blatt was unsere Glaubenssätze anbelangt.

Danke für deinen tollen Kommentar :)
Und mit deinen Knieschmerzen, das klingt klasse und ich glaub da absolut an einen Zusammenhang!

Toller Artikel !

Ja, wie vielen geht es so, sich selbst nicht zu mögen ? Ich kenne das auch - irgendwann kommt jedoch der Punkt, daß man sich selber "genauer" unter die Lupe nimmt. Wer ist man, warum ist man so? Da sieht man dann die Gemeinsamkeiten mit den Eltern, entdeckt vieles davon in sich selber.
Das Leben bietet sooo viel, es ist ein ständiger Lernprozess, der nie aufhört. Wichtig, möglichst immer im Hier und Jetzt zu bleiben.

Viele Grüße

Michael

Ja da hast du absolut recht, im Endeffekt hat all das nur einen Sinn, wenn wir hier und heute glücklicher sind dadurch. Ich kenne genug Menschen, die eine art lebenslange Therapie machen aber immer unzufrieden bleiben.

Da frage ich mich dann, ob der Therapeut wirklich gute Arbeit leistet.

Wow, du beschäftigst dich ja viel mit deinem Inneren.

Ja besonders jetzt gerade.
Ich definiere mich als Mensch ja komplett neu. So wie ich mein Äusseres massiv verändern will, will ich auch an meinem Charakter arbeiten, denn ich nehme mich ja mit, egal wie ich aussehe.

Diese Übungen klingen anstrengend, aber gut.

Hehe ja, schon sehr anspruchsvoll aber auch sehr klärend :)
Und ich will mich ja innerlich und äusserlich transformieren.

Toller toller Post!

Irgendwie glaube ich manchmal das ich mich selbst zu wenig reflektiere. Entweder schrecke ich vor dem Aufwand, dem Egebnis oder dem Weg dorthin zurück. Wahrscheinlich von allem ein bißchen. Auch fehlt mir wegen der vielen Arbeit und den vielen anderen familiären Aufgaben denke ich auch Zeit und Antrieb es einmal anzupacken.

Hm ich glaube, da gibt es keine allgemeine Richtlinie.
Ich hatte eine sehr schwierige Kindheit mit mehreren massiv traumatischen Erlebnissen. Wenn ich diese nicht aufarbeite, werde ich nie wirklich frei sein und nie mein Potential entfalten können. Und ich weigere mich, den Rest meines Lebens unter posttraumatischen Belastungsstörungen zu leiden und den Tätern die Verantwortung zu überlassen, was ich schaffe und was nicht.

Wenn du zufrieden bist mit deinem Leben, so what? Warum solltest du dir dann die schmerzhafte Mühe machen?

hey Rachel,

du machst es natürlich, wie auch sonst, genau richtig! Besser hätt ich das auch nicht gekonnt! ;D
Das ist ein guter Weg, Dinge loszulassen, die einfach nicht zu uns gehören. Und es funktioniert! Die Kraft der Imagination...

Zu dem "leer" auf die Welt kommen möchte ich noch sagen, dass ich das stark bezweifele!
Ich glaube wir tragen schon unsere Eigenheiten in uns, wenn wir in dieses Leben springen. Darauf wird dann noch das von unseren Eltern und der Gesellschaft gepackt.
Mit diesem wunderbar vielfältigen Päckchen ziehen wir dann unseres Weges... und können nach und nach einige abwerfen. Aber einige unsere Eigenheiten, die behalten wir. Und das ist auch gut so :D

Schön, dass du solche tollen Sachen mit dir selbst machst!!!
Umarmung, Monja

Oh wow, danke für die lieben Worte!
Ich vertraue einfach auf meine Intuition und behalte die Worte meiner Therapeutin im Hinterkopf, dass all dies gesund sei :D

Hallo Rachel, vielen Dank für diesen Post. Ich mag es sehr wie du schreibst und könnte Bücher von dir lesen. Ich hatte/habe zum Glück eine sehr enge Beziehung zu meinen Eltern und bin ihnen für die Werte, die sie mir übergeben haben, sehr dankbar. Nun bin ich selber Mutter und versuche ebenso die gleichen Wertvorstellungen unserer Tochter zu vermitteln. Wir waren im Leben nie reich - dafür war unsere Liebe und der Zusammenhalt umso grösser. Schön, dass ich hier bei Steemit deine Artikel lesen darf! LG aus Bali, Prisca

Danke für diese lieben Worte.
Das du eine enge und glückliche Beziehung zu deinen Eltern hast, ist wunderbar. Das wertvollste in unserem Leben sollte niemals Geld sein sondern Liebe, Gesundheit und Vertrauen :) Schön das ihr diese Dinge eurer Kleinen weiter gebt.

Ganz liebe Grüsse zurück nach Bali :)

Vielen herzlichen Dank - auch für dein upvote :-)! Liebe Grüsse aus Bali

Super! So gut! Weisst du, ich habe da ein ähnliches Erlebnis, auch wenn es sich nicht unbedingt dabei um Prägungen im Kindesalter dreht, aber deine Beschreibung, wie du sozusagen Kontakt mit dir als kleines Kind aufnimmst, erinnert mich doch stark daran, was ich seit einigen Jahren mehr oder weniger regelmässig tue: Ich nehme Kontakt zu mir in der Vergangenheit auf, um Erlebnisse, die mit Trauma oder negativer Prägung zu tun haben, rückgängig zu machen, bzw. aufzulösen. Das funktioniert tatsächlich! Aus meiner jetzigen Sicht ist das die Vergangenheit, aus der damaligen Sicht ist es sozusagen mein zukünftiges Ich, das mir selber Mut zuspricht oder mich beruhigt, dass alles gut wird, oder dass ich dies oder das nicht zu tun brauche. Diese Art von Therapie hat mir schon viel Leichtigkeit in mein Leben gebracht. Lustigerweise scheint die Sache mit der Zeit irgendwie an Eigendynamik gewonnen zu haben. So passiert es mir nun in meiner jetzigen Realität, dass ich plötzlich während einer kritischen Situation Informationen bekomme, die eindeutig von mir selber stammen und die mir Mut machen, mich beruhigen oder mir sogar Anweisungen geben...

Oh wie schön <3
Ich liebe diese Eigendynamik und beobachte total gerne, was sich da entwickelt und geniesse es sogar, selbst dann, wenn es eher schmerzhaft ist. Weil am Ende ist der Prozess unfassbar heilsam.

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