Die Innere Uhr: Eine kurze Vorstellung des circadianen Rhythmus
Der circadiane Rhythmus ist ein körpereigener, biologischer Rhythmus, welcher eine Periodizität von 24 h aufweist. Das Adjektiv ‘circadian‘ (oder zirkadian) kommt aus dem lateinischen und ist zusammengesetzt aus den Begriffen ‚circa‘ = etwa und ‚dies‘ = Tag, bedeutet also „ungefähr ein Tag“.
Umgangssprachlich ist er auch bekannt als:
Die Innere Uhr
Die Bedeutung dieser physiologischen Einrichtung und auch die mit der damit verbundenen laufenden Forschung wird durch den kürzlich dafür vergebenen Nobelpreis klar unterstrichen. Der ‚Nobelpreis in Physiologie und Medizin‘ wurde 2017 für die Entdeckung der molekularen Mechanismen, welche den circadianen Rhythmus kontrollieren, an Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young verliehen. - Ref. [2]
Quelle: Cleveland Clinic
Der circadiane Rhythmus agiert als endogene Uhr und kontrolliert periodische Änderungen. Davon betroffen sind sowohl biochemische Reaktionen, allgemeine physiologsiche Eigenschaften als auch unser Verhalten. Diese innere Uhr tickt jedoch nicht nur im Menschen, denn auch in einer ganzen Reihe anderer Lebewesen wie zum Beispiel in Mäusen, Fruchtfliegen, einigen Pflanzen und auch in Cyanobakterien können zirkadiane Rhyhmen nachgewiesen werden. Dieses Phänomen ist jedoch nicht universell, denn zum Beispiel fehlt es in Saccharomyces cerevisiae (Hefe) und auch E. coli Bakterien.
Diese innere Uhr hat drei sehr wichtige Charakteristika:
Ihr angeborenes Wesen:
Der Rhythmus ist intrinsisch und existiert ohne jeglichen sensorischen Input aus der Umgebung.Ihre Temperaturkompensation:
Der Rhythmus läuft unabhängig von der Außentemperatur fort, passt den Körper aber an.Ihre Photo-Phasenkopplung:
Der Rhythmus synchronisiert seine Phasen mit dem externen Hell-Dunkel-Zyklus des Sonnenlichtes.
Das abgebildete Experiment wurde mit einer Mimose durchgeführt und zeigte, dass der Rhythmus auch unter konstant dunklen Bedingungen mehrere Tage lang weiterlief.
Er dient dazu die Aktivität und damit den Energieverbrauch eines Organismus ideal an die bestehenden Rahmenbedingungen anzupassen. Ein Beispiel hierfür wäre etwa der Mensch, welcher naturgegeben tagsüber aktiv ist, um dadurch den besten Nutzen aus seiner Umgebung ziehen zu können. Die Erholungsphase holt sich dann unser Körper in der Nacht.
Als eine weitere Triebkraft ist der Wettbewerb oder die Gefahr zwischen unterschiedlichen Spezien zu nennen. Wenn sich die Aktivitäten zwei Spezies in Antiphase befinden, dann kommen sich diese weniger in die Quere. Im Folgenden sind die idealsierten Phasen der circadianen Rhythmen von Mensch (tagaktiv) und Maus (nachtaktiv) abgebildet.
Quelle: Ref. [1]
b. Neuroendokrine Hormonlevels
c. Aufmerksamkeit
d. physikalische Stärke
e. Körpertemperatur
f. Blutdruck und -viskosität
Einzelne Phasen dieser Funktionen innerhalb der 24-stündigen Periodizität sind die körpereigene Antwort auf eine ganze Reihe von Faktoren. Dazu zählt zum Beispiel die Nahrungsaufnahme, emotionale Belastung sowie die Umgebungstemperatur, usw. Trotz all dieser Einflüsse ist Licht der wichtigste, und wird daher für den Rhythmus als 'Zeitgeber' bezeichnet.
Die sich periodisch ändernden Zustände der erwähnten biologischen Funktionen können sehr gut veranschaulicht werden. (siehe Bild unten)
Zusatzinformation: In der Zirbeldrüse wird aus dem Botenstoff Serotonin das Hormon Melatonin gebildet. Dieses steuert maßgeblich den Schlaf-Wach-Rhythmus des menschlichen Körpers.
Um die alternierenden, physiologischen Phasen eines Organismus mit seiner Umgebung in Einklang bringen zu können, muss es einen Rezeptor geben. Obwohl es relativ bald bekannt war, dass Licht der Zeitgeber ist, blieb die Natur des Rezeptors lange Zeit unklar bzw. 'kryptisch'. Der erste so genannte Bluelight-Rezeptor wurde in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana entdeckt und erhielt daher den Namen Cryptochrom.
Beim Menschen befinden sich die maßgeblichen Photorezeptoren in den Ganglienzellen und der inneren Körnerschicht im Auge. Zwar werden Chryptochrome in allen Säugetierzellen exprimiert, die Hauptuhr befindet sich jedoch in unserem Gehirn, genauer gesagt im suprachiasmatischen Nukleus (kurz: SCN). Diese Region erfüllt zwei grundlegende Aufgaben:
Rezeption & Stimulation:
Das Lichtsignal wird von der Netzhaut an den SCN weitergeleitet, welcher wiederum die Transkription bestimmter PER Gene stimuliert. Diese sind in der Lage die Phase des Rhythmus zurückzusetzen.Systemische Synchronisation:
Der SCN synchronisiert die peripheren Uhren - welche in den restlichen Zellen unseres Körpers ticken - durch neuronale und humorale Kommunikation. Dadurch wird Rhythmizität auf der gesamten organismischen Ebene gewährleistet.
Die visuellen und circadianen Zentren im Gehirn sind separiert.
Da etwa 25 Prozent aller Protein-Regulatoren, welche die Produktion und Funktion von Proteinen und der damit verbunden Stoffwechselvorgänge regulieren, von der inneren Uhr beeinflusst werden, hat die sogenannte 'Chronobiologie' einen enormen Einfluss auf unser Befinden. - Ref. [3]
Zur Verdeutlichung, seien einige ausgewählte Implikationen angeführt:
Jetlag:
Er ergibt sich aus einer Desynchronisation des inneren Rhythmus mit seiner Umgebung und entsteht zB. durch längere Flugreisen. Häufige Symptome sind Müdigkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen und Magen-Darm-Probleme. Behandlung: MelatoninWinterdepression:
Dabei kommt es zu Symptomen von Depression wie etwa krankhaften Gemütsverfassungen oder permanetem Verschlafen. Grund dafür ist, dass die Lichtintensität zu dieser Jahreszeit geringer ist und dann der SCN bei manchen nicht in der Lage ist die Hauptuhr richtig zu starten.Schlafphasenstörung:
Hier ist die aktive Wachphase kürzer als wie üblich. Betroffene Individuen gehen daher am frühen Nachmittag schlafen. Offenbar hängt dies mit einer Mutation des PER Gens zusammen.Licht in der Nacht (engl. kurz LAN):
Ist man Licht während der Nacht ausgesetzt, so kann dies das Krebsrisiko erhöhen. Vor allem das Risiko für Brustkrebs bei Frauen scheint dabei stark anzusteigen. Die Rationale dafür ist, dass die Produktion von Melatonin gestört wird und dieses Hormon besonders bei östrogen-abhängigen Krebsarten onkostatisch wirkt.
Die Entdeckungen der Nobelpreisträger lieferten eine Erklärung für die selbstständig oszillierende biologische Uhr. (Die Zeitgeber sorgen nur für die Synchronisation, aber nicht für die Existenz des erstaunlichen Mechanismus!) Sie fanden ein "perioden" -Gen, das für das PER-Protein kodiert, welches sich tagsüber in Zellen akkumuliert und sich nachts abbaut. Sogenannte TIM-Proteine aus dem "zeit-los" Gen interagieren mit den PER-Proteinen, wenn deren Spiegel zu hoch wird, um dann die PER-Genaktivität zu unterdrücken. Dieses etwas vereinfachte Modell erklärt die selbstregulierende, ungefähre 24-Stunden-Rückkopplung, die für das Funktionieren circadianer Uhren wesentlich ist! - Ref. [5]
Die Ergebnisse der Nobelpreisträger könnten auch für die Medikamentenentwicklung interessant sein. Eine bessere Kenntnis der endogenen Rhythmen kann zB. für die Entwicklung von effizienteren Medikamenten wie etwa Schlaftabletten nützlich sein. - Ref. [3]
Für viele Medikamente macht es einen Unterschied, zu welcher Zeit sie verabreicht werden - sowohl hinsichtlich der Ziel- als auch der Neben-wirkungen. Forscher versuchen nun, bestimmte Krebsmedikamente an die innere Uhr von Patienten anzupassen. - Ref. [4]
Nacht- und Schichtarbeit kann die biologischen Rhythmen schon mal ordentlich stören und dabei das Krebsrisiko erhöhen. Allerdings scheint dies nur der Fall zu sein, wenn sich Tag- und Nachtarbeit abwechseln. Interessanterweise konnten die negativen Auswirkungen nicht nachgewiesen werden, wenn ausschließlich und regelmäßig Nachtarbeit durchgeführt wird. - Ref. [3]
mountain.phil28
Referenzen:
- Lecture documents, ”Molekulare Physiologie”, TU Graz, 2016
- "The Nobel Prize in Physiology or Medicine 2017". Nobelprize.org. Nobel Media AB 2014. Web. 10 Dec 2017.
- Christa Schimper, Ernst Mauritz: Wie uns die innere Uhr steuert, Kurier Artikel from 03rd Oct. 2017
- Sarah C.P. Williams: Hacking the biological clock, Stanford Medicine Article
- Nobel Prize 2017 Laureates, Physiology or Medicine, Scientific Background: Discoveries of Molecular Mechanisms Controlling the Circadian Rhythm
- PONS Online Wörterbuch, zugegriffen am 09.03.2018
Being A SteemStem Member
Sehr sehr interessanter Beitrag! Hat viel Spass gemacht ihr zu lesen. Follow + Upvote!
hey @mountain.phil28,
toller Inhalt! und von deiner Formatierung kann ich mir noch einiges abgucken! Sehr schön!
LG
@tradingfuchs: Hi! Danke fürs Lesen und Kommentieren! Freut mich das es dir gefällt. 🤗 Ja, hab selbst bisschen gebraucht, bis ich es so hinbekommen hab. 😋
LG,
mountain.phil28
bist schon abboniert 👍 😊
Danke dir! Das freut mich! :)
PS: Ich werde bei Zeiten auch mal bei dir im Blog vorbeischauen. ;)
Spitze, Danke! :-))
Fand den Beitrag sehr informativ.
War ein erfrischender Ausflug :) Weiter so...
Freut mich! Danke dir. 🤗
Toller Beitrag. Jetzt wird mir auch klar, warum es nicht gesund ist, wenn man diese Innere Uhr stört z.B. wenn man Schichtarbeit etc. macht. habe vorher immer gedacht, dass es dem Körper ja irgendwie egal sein kann, wann ich arbeite und wann ich schlafe etc.
Danke dir! Ich freue mich darüber, wenn ich erfolgreich tiefere Einblick in grundlegende Vorgänge liefern kann. 🤗
Vielen Dank für diesen erstklassigen Artikel.
100% Upvote.
Besonders das Lob aber auch der Upvote freuen mich sehr! Danke vielmals!
Aktuell bin ich verstärkt am Übersetzen eigener #steemstem Artikel, ziehe aber parallel immer wieder neue, kleinere Artikel nach, welche ich dann sofort in Deutsch und Englisch erstelle. Wenn ich alle großen Artikel in beiden Sprachen draußen habe, gibts wieder ein paar brandneue Große aus meinem beinahe überquellenden Ideenpool. - Da freu ich mich selbst schon drauf. :)
Super Beitrag, sehr spannend zu lesen!
Danke dir! Es freut mich wenn es gefallen hat und ich werde weiterhin auf der Suche nach spannenden Themen sein. ;)