(GER) Fika, Zimtschnecken und Kaffee
Andere Länder, andere Sitten. Um meiner geplanten Serie über Kaffee-Kuriositäten den startenden Anstoß zu geben, habe ich mir heute die schwedische fika vorgenommen. Ich sehe sie als wunderbares Beispiel an, wie sich Menschen in anderen Kulturen über einer Tasse Kaffee näherkommen. Vielleicht lässt sich ja dieser nette Kollege von Dir zum gemeinsamen fika überreden?
Fika, Zimtschnecken und Kaffee
"Vill du fika?" So direkt treten Arbeitskollegen in Schweden an Dich heran, wenn ihnen der Sinn nach menschlicher Nähe, Kommunikation, Zimtschnecken und Kaffee steht. Nein, hier geht es um schlüpfrige Themen oder den Versuch, pubertierenden Teenagern die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. Ich spreche von der wundervollen schwedische Art des menschlichen Miteinanders, wenn die Arbeit liegen bleibt und Kollegen sich näherkommen. Und ich spreche über Kaffee.
Schweden - Kaffeeland Nummer 2
Fika, das ist die ausgiebig genossene Pause im Alltag, wenn Schweden sich mit Kollegen, Freunden oder Verwandten zusammensetzen, um eines der beliebtesten Getränke zu sich zu nehmen: den Kaffee. Nur die Finnen trinken in Europa noch mehr Kaffee, als ihr westlicher Nachbar. 10,1 Kilogramm Rohkaffee verbraucht jeder Schwede pro Jahr, wie die Statistiker von Eurostat und dem Deutschen Kaffeeverband herausgefunden haben. Mit deutlich unter 8 Kilogramm können österreichische, deutsche und schweizer Kaffeetrinker da nicht mithalten. Dabei kam die sonderbare Bohne mit aufputschender Wirkung erst recht spät in das Land der Elche.
Ein winziger Eintrag in Göteborgs Zollpapieren von 1685 berichtet von einem halben Kilogramm der neuartigen Bohnen, welche die Grenze zum skandinavischen Land passiert haben. Zu dieser Zeit lag der Handel mit Kaffee in den Händen der Apotheker, welche die Bohnen als Medizin verkauften. Erst 30 Jahre später änderte sich die Situation mit König Karl XII., als er von seinem Türkei-Aufenthalt eine Kaffeemaschine als Souvenir heimbrachte und mit ihr seine Liebe für das aromatische Heißgetränk entdeckte.
Täglich habe der König Kaffeelieferungen erhalten, um seinen Konsum von drei Litern Kaffee am Tag zu befriedigen. So eine Hingabe sprach sich schnell herum und bald öffneten die ersten Kaffeehäuser ihre Türen, um das höfische Modegetränk feilzubieten. Bald war das neumodische Genussmittel so beliebt, dass die Schnapsbrennereien im Land Angst um Ihre lukrativen Einnahmequellen bekamen. In den folgenden Jahren reichte ihr Einfluss gleich mehrfach aus, um die trinkbare Verführung des Teifels verbieten zu lassen. Immer wieder siegte jedoch die Liebe der Schweden zu ihrem Kaffee.
Fika - mehr als eine Kaffeepause
Heute gehört Kaffee genauso zum Alltag in Schweden, wie Köttbullar und IKEA. Nahezu jedes Büro verfügt über eigene Kaffeemaschinen und abgetrennte Pausenräume, in die sich schwedische Angestellte zur fika zurückziehen. Hier genießen sie ausgiebig ihre Kaffeepause und verlieren sich in der Ewigkeit des Augenblicks.
Fika ist aber weit mehr als eine Kaffeepause, weswegen sich Schweden häufig weigern, den Begriff in andere Sprachen zu übersetzen. Fika, das ist die Entschleunigung des Tages, das anregende Gespräch mit den Mitmenschen und die Gelegenheit zum Flirten. Wer die fika eine Kaffeepause nennt, könnte genauso gut den zarten Duft einer blühenden Rose als Blumengeruch bezeichnen.
Die Gesellschaft akzeptiert die schwedische fika als soziale Institution für ein positives Miteinander. Hart arbeitende Menschen verlangsamen für einen gewissen Moment den Tag, um diese Zeit mit ihren Mitmenschen verbringen zu können. Durchschnittlich 52 Minuten investieren Schweden jeden Tag in die Beziehung zu neuen Bekanntschaften, zu Kollegen und zu Freunden. Viel Zeit, um sich im kühlen Norden näher kennenzulernen, Neuigkeiten auszutauschen oder von Erlebtem zu berichten.
Doppelt und siebenfach
Eine weckende Tasse schwarzen Kaffees ist für viele Schweden ein wichtiger Bestandteil auf dem morgendlichen Frühstückstisch. Das hindert sie aber nicht daran, ab 10 Uhr mit Chefs und Kollegen eine weitere Tasse bei der förmiddagsfika zu genießen, nur um am Nachmittag mir Freunden oder Familie im Café die nächste fika einzunehmen. Beziehungen können ja so anstrengend sein.
Immer mit dabei sind süße Teigwaren. Dabei stehen Kanelbullar, glasierte und mit Hagelzucker bestreute Zimtschnecken, ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Chokladbollar, in Kokosraspeln gewälzte Schokoladenbälle oder Dammsugare, Marzipanrollen mit einem Innenleben aus Keks, Butter und Punsch, ergänzen die Hitliste der fika-Beigaben.
An eine alte Tradition halten sich noch heute aufmerksame Gastgeber, wenn sie darauf bedacht sind, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Sie sorgen dafür, ihren Gästen zum Kaffee stets sieben verschiedene Backwaren anzubieten. Da ist es wenig verwunderlich, dass die Liebe durch den Magen geht und viele Beziehungen in Skandinavien bei einer Tasse Kaffee ihren Anfang nehmen.
Vielleicht fühlst Du Dich jetzt durch den schwedischen Geist inspiriert und Du beglückst Deine Kollegen mit ein wenig Gebäck und viel heißem Kaffee. Einfach nur so, ohne Anlass. Positive Traditionen sind es wert erhalten oder neu erfunden zu werden.
Servus, also Zimtschnecken und Kaffee sind eine nahezu unschlagbare Kombination, obwohl die Schnecken nicht mehr das sind was sie mal waren.
Gut und kurzweilig geschrieben!